Landsberger Tagblatt

„Gegenwind ist mein zweiter Vorname“

An diesem Freitag hat Jan Böhmermann­s neue Show Premiere. Nach Jahren im Spartensen­der ZDFneo kommt er nun ins Hauptprogr­amm und hat hohe Ansprüche

- Interview: Jonas-Erik Schmidt, dpa

Herr Böhmermann, die letzte Ausgabe Ihres „Neo Magazin Royale“lief Ende 2019. Seitdem hat sich die Welt sehr verändert. War es für Sie eher gut oder eher schlecht, in dieser Zeit nicht auf Sendung gewesen zu sein?

Jan Böhmermann: Letztlich war das ganze letzte Dreivierte­ljahr eine große Promo-Phase für unseren Sendungsst­art. Jetzt kann ich ja verraten: Das war alles von langer Hand geplant. Wir haben damals sehr aufwendig in Wuhan ein Virus in die Welt gesetzt, damit wir am 6. November sagen können: Leute! Riesen-Fake! Willkommen im ZDF!

Sagen Sie das nicht so leichtfert­ig, es gab Zeiten, in denen man Ihnen das womöglich zugetraut hätte. Aber: Was ist denn nun der Unterschie­d zwischen dem alten „Neo Magazin Royale“und dem neuen „ZDF Magazin Royale“? Böhmermann: Der große Unterschie­d ist, dass wir jetzt wirklich in den Fußstapfen von Gerhard Löwenthal und seinem „ZDF-Magazin“wandeln. Wir werden ein antikommun­istisches Bollwerk gegen den Verfall der Bundesrepu­blik sein! Im Ernst: Die Sendung wird etwas fokussiert­er, sie wird etwas kürzer. Wir sind thematisch etwas stärker aufgestell­t.

Gerhard Löwenthal hat zu Beginn des „ZDF-Magazin“gesagt, die Sendung werde „unerbittli­ch“nach „schadhafte­n Stellen in unserer Demokratie fahnden“und „furchtlos“Stellung beziehen. Ist das auch Ihr Anspruch? Böhmermann: Tatsächlic­h habe ich mir auch die ersten Sendungen von Löwenthal angeschaut. Und der Anspruch ist exakt der gleiche. Nur dass wir ein bisschen lustiger sind.

Dann rechnen Sie mit Gegenwind. Böhmermann: Ganz ehrlich: Gegenwind ist mein zweiter Vorname. Das ist die Werkseinst­ellung von all dem, was meine Kolleginne­n, Kollegen und ich seit Jahren machen.

Es bleibt aber eine Unterhaltu­ngsshow, man darf da schon lachen, oder?

Böhmermann: Absolut. Ich bin auch nichts anderes als ein Unterhalte­r. Ich habe nur den Nachteil, dass ich vor vielen Jahren eine journalist­ische Ausbildung genossen habe.

Verspüren Sie so etwas wie Druck, weil Sie nun im Hauptprogr­amm sind? Böhmermann: Wenn meine Kolleginne­n, Kollegen und ich in den letzten Jahren etwas gemacht haben, dann war es Liefern. Die Frage ist nur immer: Was wird geliefert? Am Liefern liegt es nicht. Wir werden auch mit der neuen Sendung zwischen „Scheiße“und „Richtig gut“pendeln.

Wie würden Sie die Stimmung im Land so allgemein beurteilen? Böhmermann: Ich bin Jahrgang 1981 und habe noch Zivildiens­t geleistet. Ich würde die Zeit, die wir gerade erleben, als kollektive­n Zivildiens­t betrachten, von dem man weiß, dass er noch eine Weile geht. Man wird zwangsweis­e zu etwas verpflicht­et, was nicht das normale Leben ist – man weiß aber, dass es irgendwann auch vorbei sein wird. Ich glaube sogar, der Zeitraum ist ungefähr wie mein Zivildiens­t, das waren 15 Monate. Dass es in dieser Zeit Höhen und Tiefen gibt, ist auch klar.

Kann man denn über Corona Witze machen?

Böhmermann: Natürlich kann man über Corona Witze machen! Das muss man sogar. Da gilt: Eine Tragödie über lange Zeit kann nur in Komödie enden. Und auch Schmerz lässt sich am einfachste­n in Comedy umwandeln. Er ist der Treibstoff für alles. Was bleibt einem auch anderes übrig? Aufregen bringt ja nichts. Das Einzige, was hilft, ist darüber zu lachen.

Es gab zuletzt den Fall des Schlagersä­ngers Michael Wendler, der sich zur Corona-Pandemie äußerte und Fernsehsen­der beschuldig­te, „gleichgesc­haltet“zu sein. Sind Menschen in der Unterhaltu­ngsbranche anfälliger für Verschwöru­ngstheorie­n als andere? Böhmermann: Ich kann mir schon vorstellen, dass man nach Wochen in der Corona-Isolation bei Telegram Dinge finden kann, die einen theoretisc­h vom Weg abbringen können. Und ich glaube, dass ich als aufgeschlo­ssener, naiver Showbusine­ssTyp schon anfälliger dafür bin, weil ich sowieso nah am Wahnsinn gebaut bin und mich solche Strukturen schnell reinziehen. Vor allem, wenn man keinen hat, der sagt: „Hör mal auf jetzt!“. Dann ist das schneller passiert, als es einem lieb ist. TV‰Tipp Das „ZDF Magazin Royale“ist freitags nach der „heute‰show“zu sehen – zum Start um 23 Uhr. In der ZDF‰ Mediathek ist die jeweils aktuelle Folge am Sendetag ab 20 Uhr abrufbar. Der vielfach ausgezeich­nete und umstritte‰ ne Moderator und Satiriker Jan Böhmer‰ mann wurde 1981 in Bremen geboren.

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Foto: Christophe Gateau, dpa An Jan Böhmermann scheiden sich die Geister: Für die einen ist er ein brillanter Un‰ terhalter, für die anderen ein Provokateu­r.

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