Landsberger Tagblatt

Was wusste Papst Franziskus?

Vatikan-Bericht über Skandal-Kardinal

- VON JULIUS MÜLLER‰MEININGEN

Rom Papst Franziskus hat sich im Skandal um den früheren US-Kardinal und Erzbischof Theodore McCarrick nichts zuschulden kommen lassen. Das ist das offizielle Ergebnis eines Vatikan-Berichts. McCarrick, ehemals Erzbischof von Washington, war wegen sexuellen Missbrauch­s im Jahr 2018 von Franziskus aus dem Kardinalsk­ollegium ausgeschlo­ssen und ein Jahr später in den Laienstand versetzt worden.

2017 hatte die katholisch­e Diözese New York erstmals Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauch­s eines Minderjähr­igen gegen den einflussre­ichen Kardinal bestätigt und an den Vatikan weitergele­itet. Hinweise auf Fehlverhal­ten des heute 90-Jährigen gab es hingegen bereits seit den 90er Jahren. Aus dem 450 Seiten langen Bericht geht nun unter anderem hervor, wie die Päpste Johannes Paul II. und Benedikt XVI. den heute als Lügen entlarvten Unschuldsb­ekundungen McCarricks mehr Glauben schenkten als den Vorwürfen.

Auch die Rolle von Papst Franziskus, der bis 2017 vor allem inoffiziel­le diplomatis­che Dienste des USPrälaten in Anspruch nahm, wird ausführlic­h beleuchtet. Franziskus hatte den Bericht nach einigem Zögern 2018 selbst in Auftrag gegeben. Zuvor legte der ehemalige Vatikanbot­schafter in den USA, Carlo Maria Viganò, Franziskus wegen des Falls McCarrick den Rücktritt nahe. Der erzkonserv­ative Viganò, ein Franziskus-Gegner, behauptete, diesen im Jahr von dessen Wahl zum Papst, 2013, zweimal deutlich auf McCarricks Vergangenh­eit hingewiese­n zu haben. „Papst Franziskus erinnerte

McCarrick wird sexueller Missbrauch vorgeworfe­n

sich nicht daran, was Viganò ihm über McCarrick bei diesen zwei Begegnunge­n sagte“, heißt es dazu. Als Gründe werden das „außerorden­tliche Arbeitspen­sum“des Papstes zu dieser Zeit und „die Art, wie die Informatio­n kommunizie­rt wurde“, genannt. Vor 2017 sei Franziskus „niemals von irgendjema­ndem informiert worden, dass McCarrick Menschen sexuell missbrauch­t oder angegriffe­n hat“.

In der römischen Kurie, der Vatikan-Verwaltung, waren Vorwürfe gegen McCarrick angesichts von dessen bevorstehe­nder Ernennung zum Erzbischof von Washington im Jahr 2000 jedoch bereits vorher ein Thema. Schon 1992 und 1993 waren anonyme Briefe in den USA aufgetauch­t, in denen der Prälat der „Pädophilie“beschuldig­t wurde. McCarrick erklärte, er habe als Bischof von Newark in einem Ferienhaus mit Seminarist­en das Bett geteilt, aber keinen Sex gehabt.

Nach Ende 2005 aufgekomme­nen neuen Vorwürfen und McCarricks Rücktritt 2006 entschiede­n Kirchenver­antwortlic­he, „an das Gewissen ... McCarricks zu appelliere­n“. Der Prälat sollte fortan „eine unauffälli­ge Haltung“einnehmen und Reisen auf ein Minimum reduzieren. Bis 2017 allerdings unternahm McCarrick 38 Reisen, teils in Gebiete, in denen der Vatikan heikle diplomatis­che Verhandlun­gen führte, etwa in Kuba und China.

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Foto: Jim Lo Scalzo, dpa Tief gefallen: der frühere Kardinal Theo‰ dore McCarrick.

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