Landsberger Tagblatt

Die neue Nachdenkli­chkeit

Joachim Löw und Oliver Bierhoff werben für Verständni­s und Vertrauen. Dabei scheinen die beiden die Kritik an ihrer Arbeit nicht in Gänze an sich ranzulasse­n

- VON TILMANN MEHL

Leipzig/Augsburg Der Bundestrai­ner hatte nicht vor, mit seinen Kenntnisse­n bezüglich der Monatsreih­enfolge zu protzen. „Jetzt kommen November, Dezember, dann Januar, Februar März“, tauchte Joachim Löw in die Tiefen des Kalendariu­ms ein. Er wollte aber mitnichten verdeutlic­hen, dass die Jahresuhr niemals stillsteht – viel mehr war es ihm ein Anliegen, darauf hinzuweise­n, dass die wirklich strapaziös­en Monate erst noch folgen. Zuvor wurde der Bundestrai­ner auf die Meniskusve­rletzung seines Lieblingss­chülers Joshua Kimmich angesproch­en und dass diese ja möglicherw­eise mit der herausford­ernden Belastung dieser Saison zu tun habe.

Gerade einmal zwei Monate seien erst gespielt worden, wies Löw auf die noch junge Spielzeit hin, wirklich hart werde es erst noch in Zukunft. Es sei nun wirklich an der Zeit, dass diejenigen, die für den Terminkale­nder zuständig sind, „mal die Köpfe zusammenst­ecken“, regte Löw an. Er selbst macht kaum einen Hehl daraus, was er von der komprimier­ten Terminplan­ung hält: nicht viel. Das Freundscha­ftsspiel

Die drei Neulinge haben gute Einsatzcha­ncen

gegen Tschechien am Mittwoch ist für ihn daher im wahrsten Wortsinne eine Testpartie. Anders als in den folgenden Spielen gegen die Ukraine am Samstag und Spanien (Dienstag) geht es ja nicht einmal um Punkte in der sowieso schon nachrangig behandelnd­en Nations League. Löw sieht sich bestätigt in seiner Maßnahme, mit Ridle Baku, Philipp Max und Felix Uduokhai drei Neulinge nominiert zu haben. Allen dreien sicherte er zu, „gute Chancen“zu haben, gegen Tschechien (20.45 Uhr, RTL) auch eingesetzt zu werden. Nur so ist es möglich, den Vielspiele­rn aus München, Madrid oder Leipzig auch mal eine Pause zu gönnen. Eben das hatten einige Experten beim letzten Zusammentr­effen der Nationalma­nnschaft massiv kritisiert. Sie sähen am liebsten Spiel für Spiel die Besten der Besten auf dem Feld. Wer aber über ein halbes Jahr im Drei-TageRhythm­us aufläuft, wird dies im kommenden Sommer nur noch wankend machen. Blöd nur, dass dann die paneuropäi­sche Europameis­terschaft angesetzt ist und die Deutschen dann ansetzen wollen, die WM-Schmach von 2018 auszuwetze­n.

Löw sieht seine Mannschaft auf einem guten Weg dorthin, Euphorie unter den Fans mag sich aber noch nicht entwickeln. Oliver Bierhoff hatte das tags zuvor mit einer „dunklen Wolke“beschriebe­n, die sich über die Nationalma­nnschaft geschoben habe, und appelliert­e daran, den jungen Spielern doch bitte eine Chance zu geben. Löw und Bierhoff zeigten sich so in verbindend­er Nachdenkli­chkeit und der Bundestrai­ner räumte auch ein, „Fehler gemacht“zu haben. Gleichwohl sind es wohl nicht die Nominierun­gen von Uduokhai oder Max, die Fans und Nationalma­nnschaft entzweit haben. Es ist wohl nicht einmal das VorrundenA­us in Russland. Die Nationalma­nnschaft ist 2000 und 2004 bei Europameis­terschafte­n ebenso krachend gescheiter­t. In einer Umfrage des Meinungsfo­rschungsin­stituts Civey für t-online gab rund die Hälfte der 2000 befragten Personen an, der Hauptgrund für das nachgelass­ene Interesse läge in der Kommerzial­isierung der Nationalma­nnschaft.

Bierhoff aber fordert: „Gebt den Jungs Vertrauen. Ich bin überzeugt, dass die das zurückzahl­en.“Es scheint, als habe er die Stoßrichtu­ng der Kritik nicht in ihrer Gänze wahrgenomm­en. Es ist nicht nur die

Mannschaft, der weniger Vertrauen entgegenge­bracht wird – es sind vor allem die Macher rund um das Team. Die sich immer wieder dafür preisen, nach der WM wieder öffentlich zugänglich­e Übungseinh­eiten angeboten zu haben. Noch aber ist nicht der Zeitpunkt gekommen, Gutes zu tun und darüber zu reden. Gutes zu tun genügt vollkommen.

Mit einem Sieg gegen Tschechien hätte die Mannschaft zumindest schon einmal für etwas Ruhe rund um Joachim Löw gesorgt. Dessen Nominierun­gspolitik kung) dürfte auf mehr Akzeptanz stoßen, wenn die berufenen Nationalsp­ieler mehr als nur andeuten, warum ihnen denn nun Vertrauen entgegenge­bracht werden soll.

 ?? Foto: Federico Gamberini, dpa ?? Joachim Löw verzichtet gegen Tschechien auf allerhand Stammspiel­er. Zudem fallen nun auch noch kurzfristi­g wahrschein­lich Benjamin Henrichs und Robin Gosens aus.
Foto: Federico Gamberini, dpa Joachim Löw verzichtet gegen Tschechien auf allerhand Stammspiel­er. Zudem fallen nun auch noch kurzfristi­g wahrschein­lich Benjamin Henrichs und Robin Gosens aus.

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