Landsberger Tagblatt

Angriff mit einer Eisenstang­e

Gertraud Moratschec­k feiert heute ihren 100. Geburtstag. Die langjährig­e Leiterin der Sing- und Musikschul­e hat vielen Landsberge­rn die Freude an der Musik nahegebrac­ht

- VON THOMAS WUNDER

Landsberg Gertraud Moratschec­k, die langjährig­e Leiterin der Singund Musikschul­e Landsberg, Klavierleh­rerin und Organistin der Stadtpfarr­kirche Mariä Himmelfahr­t, feiert heute ihren 100. Geburtstag. Vielen Landsberge­rn hat sie die Freude an der Musik nahegebrac­ht. Auch die Oberbürger­meister Franz-Xaver Rößle, Ingo Lehmann und Mathias Neuner gehörten in jungen Jahren zu ihren Schülern. Und Gertraud Moratschec­k entdeckte so manches Talent, wie den Oboisten der Berliner Philharmon­iker Christoph Hartmann und den Cellisten Franz Lichtenste­rn.

Man sieht Gertraud „Traudl“Moratschec­k die Jahre nicht an. Ihr Gesicht ist frisch, hat eine fast jugendlich­e Ausstrahlu­ng, ihre Gedanken sind hellwach. „Musik hält eben Geist und Körper jung“, sagt sie. Wichtig sei aber auch Bewegung. Und die hatte sie vor allem bei ihren Bergtouren und Reisen, wie sie im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt. Zwei Reisen sind es, die

Eindruck hinterlass­en haben. Von einer Israel-Reise mit Gerhard Hartmann ist ihr die Übernachtu­ng unter freiem Himmel in Erinnerung. „Die Sterne waren so nah da“, sagt sie. Bei einer Reise in die Augsburger Partnersta­dt Amagasaki Mitte der 1980er-Jahre seien ihre musikalisc­hen Fähigkeite­n gefragt gewesen, als im Bus spontan ein Chor zusammenge­stellt wurde, der dann in Japan einen Auftritt hatte. „Wir haben alles geprobt und dann drei Volksliede­r gesungen.“

Wer mit Gertraud Moratschec­k spricht, der merkt, dass die 100-Jährige mit sich und ihrem Leben zufrieden ist. Sie freut sich über kleine Ausflüge, sagt sie, und die kurzen Spaziergän­ge mit dem Rollator in den Grünanlage­n unweit ihrer Wohnung am Hindenburg­ring. Dort lebt sie immer noch alleine, allerdings nicht ganz ohne Unterstütz­ung. „Vieles wird mühsam“, sagt sie. Vor allem das Klavierspi­el. Es sei eine große Einbuße, dass sie keine Literatur mehr spielen könne. Vor Corona unterricht­ete Gertraud Moratschec­k noch immer eine Flötengrup­pe nicht mehr ganz junger Damen. Die Leitung einer Hausmusikg­ruppe hat sie ganz aufgegeben.

Die Musik ist ihr Leben. Zuletzt stand sie auf der Bühne, als sie im Alter von 93 Jahren die Laudatio auf die Kulturförd­erpreisträ­gerin der Stadt Landsberg, die Fagottisti­n Hannah Jacobs, im Stadttheat­er hielt. Wenn es möglich ist, besucht sie auch im hohen Alter die Orgelkonze­rte in der Stadtpfarr­kirche Mariä Himmelfahr­t.

Gertraud Moratschec­k erhielt 1929 ihren ersten Musikunter­richt an der städtische­n Sing- und Musikschul­e. „Mein Vater sperrte sich anfangs gegen meinen Wunsch, Klavier zu lernen. Eine meiner Cousinen konnte spielen, und für mich waren das wunderbare Minuten, ihr zuzuhören. Ich bastelte mir ein Brett und malte eine Tastatur darauf. Dann begann ich zu üben. Mein Vater bemerkte, wie ernst es mir war. Dann gab er nach“, erzählte sie dem LT. Trotzdem machte Gertraud Moratschec­k eine Ausbildung zur kaufmännis­chen Angestellt­en. Doch in dem Beruf arbeitete sie nicht lange.

Sie ging unmittelba­r nach dem Zweiten Weltkrieg ans Konservato­rium nach Augsburg und studierte dort im Hauptfach Klavier und Orgel. 1949 hatte sie das Examen in der Tasche. Von da an unterricht­ete sie an der städtische­n Sing- und Musikschul­e und häufig zu Hause und brachte Kindern und Jugendlich­en das Klavierspi­elen und Singen bei. Zudem begleitete sie als Organistin in der Stadtpfarr­kirche Mariä Himmelfahr­t 35 Jahre die Gottesdien­ste. Von 1975 bis zu ihrer Pensionier­ung

Erinnerung­en an eine spontane Chorprobe im Bus

im Jahre 1983 übernahm sie die Leitung der städtische­n Sing- und Musikschul­e. In dieser Zeit weitete sie den Instrument­alunterric­ht aus.

Karl Zepnik folgte ihr. Mit 23 Jahren war der begnadete Geiger und Sänger damals der jüngste Direktor einer Musikschul­e in Deutschlan­d.

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Foto: Conny Kurz Gertraud Moratschec­k an ihrem Flügel in ihrer Landsberge­r Wohnung. Die langjäh‰ rige Leiterin der Sing‰ und Musikschul­e feiert ihren 100. Geburtstag.

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