Angriff mit einer Eisenstange
Gertraud Moratscheck feiert heute ihren 100. Geburtstag. Die langjährige Leiterin der Sing- und Musikschule hat vielen Landsbergern die Freude an der Musik nahegebracht
Landsberg Gertraud Moratscheck, die langjährige Leiterin der Singund Musikschule Landsberg, Klavierlehrerin und Organistin der Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt, feiert heute ihren 100. Geburtstag. Vielen Landsbergern hat sie die Freude an der Musik nahegebracht. Auch die Oberbürgermeister Franz-Xaver Rößle, Ingo Lehmann und Mathias Neuner gehörten in jungen Jahren zu ihren Schülern. Und Gertraud Moratscheck entdeckte so manches Talent, wie den Oboisten der Berliner Philharmoniker Christoph Hartmann und den Cellisten Franz Lichtenstern.
Man sieht Gertraud „Traudl“Moratscheck die Jahre nicht an. Ihr Gesicht ist frisch, hat eine fast jugendliche Ausstrahlung, ihre Gedanken sind hellwach. „Musik hält eben Geist und Körper jung“, sagt sie. Wichtig sei aber auch Bewegung. Und die hatte sie vor allem bei ihren Bergtouren und Reisen, wie sie im Gespräch mit unserer Zeitung erzählt. Zwei Reisen sind es, die
Eindruck hinterlassen haben. Von einer Israel-Reise mit Gerhard Hartmann ist ihr die Übernachtung unter freiem Himmel in Erinnerung. „Die Sterne waren so nah da“, sagt sie. Bei einer Reise in die Augsburger Partnerstadt Amagasaki Mitte der 1980er-Jahre seien ihre musikalischen Fähigkeiten gefragt gewesen, als im Bus spontan ein Chor zusammengestellt wurde, der dann in Japan einen Auftritt hatte. „Wir haben alles geprobt und dann drei Volkslieder gesungen.“
Wer mit Gertraud Moratscheck spricht, der merkt, dass die 100-Jährige mit sich und ihrem Leben zufrieden ist. Sie freut sich über kleine Ausflüge, sagt sie, und die kurzen Spaziergänge mit dem Rollator in den Grünanlagen unweit ihrer Wohnung am Hindenburgring. Dort lebt sie immer noch alleine, allerdings nicht ganz ohne Unterstützung. „Vieles wird mühsam“, sagt sie. Vor allem das Klavierspiel. Es sei eine große Einbuße, dass sie keine Literatur mehr spielen könne. Vor Corona unterrichtete Gertraud Moratscheck noch immer eine Flötengruppe nicht mehr ganz junger Damen. Die Leitung einer Hausmusikgruppe hat sie ganz aufgegeben.
Die Musik ist ihr Leben. Zuletzt stand sie auf der Bühne, als sie im Alter von 93 Jahren die Laudatio auf die Kulturförderpreisträgerin der Stadt Landsberg, die Fagottistin Hannah Jacobs, im Stadttheater hielt. Wenn es möglich ist, besucht sie auch im hohen Alter die Orgelkonzerte in der Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt.
Gertraud Moratscheck erhielt 1929 ihren ersten Musikunterricht an der städtischen Sing- und Musikschule. „Mein Vater sperrte sich anfangs gegen meinen Wunsch, Klavier zu lernen. Eine meiner Cousinen konnte spielen, und für mich waren das wunderbare Minuten, ihr zuzuhören. Ich bastelte mir ein Brett und malte eine Tastatur darauf. Dann begann ich zu üben. Mein Vater bemerkte, wie ernst es mir war. Dann gab er nach“, erzählte sie dem LT. Trotzdem machte Gertraud Moratscheck eine Ausbildung zur kaufmännischen Angestellten. Doch in dem Beruf arbeitete sie nicht lange.
Sie ging unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg ans Konservatorium nach Augsburg und studierte dort im Hauptfach Klavier und Orgel. 1949 hatte sie das Examen in der Tasche. Von da an unterrichtete sie an der städtischen Sing- und Musikschule und häufig zu Hause und brachte Kindern und Jugendlichen das Klavierspielen und Singen bei. Zudem begleitete sie als Organistin in der Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt 35 Jahre die Gottesdienste. Von 1975 bis zu ihrer Pensionierung
Erinnerungen an eine spontane Chorprobe im Bus
im Jahre 1983 übernahm sie die Leitung der städtischen Sing- und Musikschule. In dieser Zeit weitete sie den Instrumentalunterricht aus.
Karl Zepnik folgte ihr. Mit 23 Jahren war der begnadete Geiger und Sänger damals der jüngste Direktor einer Musikschule in Deutschland.