Sie fliegen wieder
Ein Winter voller Highlights beginnt an diesem Wochenende in Wisla. Da Corona alle Sommer-Wettbewerbe verhinderte, weiß niemand, wie gut die Konkurrenz gerade ist
Augsburg Skispringer gehen einem Sport nach, der besonders störungsanfällig ist. Turbulenzen aller Art können die Flugkurven empfindlich stören. Umso erstaunlicher, dass die Skispringer die heftigen CoronaTurbulenzen bislang nahezu schadlos überstanden haben. Bis auf den Weltcup in Japan wurde (noch) kein Wettkampf abgesagt. Dem Saisonauftakt an diesem Wochenende im polnischen Wisla steht also nichts im Wege (Samstag, 16 Uhr, Team – Sonntag, 16 Uhr, Einzel/ARD und Eurosport)
Und doch gibt es natürlich auch jede Menge Parallelen zum Rest der Sportwelt. Eine davon ist das Leben in der Blase. Nach Wisla geht es per Charterflug weiter nach Finnland und von dort aus nach Russland. „Da sind wir in der eigenen Sportler-Blase unterwegs mit vielen Tests“, sagt Bundestrainer Stefan Horngacher. Berührungen mit der Außenwelt sollen möglichst vermieden werden, feste Gruppen sollen auch nicht untereinander in Kontakt treten. „Dadurch sind immer die gleichen Leute im Flieger und im Hotel zusammen. Da ist die Chance sehr, sehr groß, dass das funktioniert“, hofft Horngacher.
Zudem werden die Skispringer ihre Flugkünste vor weitgehend leeren Rängen zeigen müssen. Speziell an den traditionsreichen Schanzen wird das wahrscheinlich eher triste Bilder produzieren. Dafür bietet der Winter sportlich jede Menge Hochkarätiges. Angefangen von der Skiflug-WM, die vom vergangenen März auf Mitte Dezember verschoben wurde, über die Vierschanzentournee rund um den Jahreswechsel
hin zur Weltmeisterschaft in Oberstdorf (23. Februar bis 7. März) jagt ein Highlight das nächste. Dabei sind die Prioritäten klar: „Die Heim-WM hat den höchsten Stellenwert“, sagt der Bundestrainer. Erklärend fügt der Tiroler an: „Wir versuchen, immer so zu trainieren, dass wir den ganzen Winter 90 Prozent fahren und dann zu den speziellen Anlässen auf 100 Prozent zulegen können.“Für dieses Vorhaben hat Horngacher eine illustre Mannschaft beisammen, in der sich jede Menge Olympiasieger und Weltmeister tummeln. Doch wie es um deren Leistungsstand tatsächlich bestellt ist, lässt sich schwer beurteilen. Im Sommer fanden keine internationalen Vergleiche statt. Wettbewerbe gab es nur intern. Da das alle Nationen gleich handhabten, weiß keiner über den anderen Bescheid. „Stefan Kraft und Ryoyu Kobayashi habe ich das ganze Jahr gar nicht mehr gesehen, seitdem in Trondheim alle in den Flieger geflüchtet sind“, sagt zum Beispiel der Allgäuer Karl Geiger über den österreichischen Gesamtweltcupsieger und den Japaner, der 2018/19 die Vierschanzentournee gewonnen hatte. In Trondheim war Mitte März die vergangene Saison abgebrochen worden. Also kreiste auch das deutsche Team vor allem um sich selbst – und hatte damit alle Hände voll zu tun. Denn die Rückkehr des langzeitverletzten Olympiasiegers Andreas Wellinger bescherte dem Bundestrainer ein Luxusproblem. Es entbrannte ein teaminterner Kampf um die sieben Plätze im Weltcupkader. Neben Wellinger wurden Geibis ger, Markus Eisenbichler, Severin Freund, Martin Hamann, Pius Paschke und Constantin Schmid für den Auftakt in Wisla nominiert.
Wellinger hatte nach einem Kreuzbandriss 20 Monate gefehlt und sich knapp gegen Richard Freitag und David Siegel durchgesetzt. „Das heißt nicht, dass er jetzt immer dabei ist“, sagt Horngacher dazu. „Er muss die Leistung im Weltcup bringen. Die anderen beiden werden auch ihre Chancen bekommen.“
Einen Wechsel gab es am Rande der Schanze. Sven Hannawald ist ab sofort als Experte für die ARD im Einsatz. Der 46-Jährige hatte zuletzt in ähnlicher Funktion für Eurosport gearbeitet. Vorgänger Dieter Thoma hatte im Oktober nach zwei Jahrzehnten das Ende seiner TVTätigkeit bekannt gegeben.