Landsberger Tagblatt

Trumps Türsteheri­n

Solange sich Emily Murphy weigert, ein Dokument zu unterschre­iben, bleibt das Weiße Haus für den künftigen Präsidente­n Joe Biden verschloss­en

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Ihre Welt sind Paragrafen und Verträge. Als Chefin einer unscheinba­ren Behörde namens General Services Administra­tion verwaltet Emily Murphy die Immobilien der amerikanis­chen Bundesregi­erung. 11000 Beschäftig­te sind ihr unterstell­t. Doch nur selten sorgt ihr Amt für Aufsehen – wenn nicht gerade ein Top-Beamter auf dem Dach des Bürogebäud­es Sex mit einer Kollegin hat, wie vor zwei Jahren. Nun steht die Juristin selbst plötzlich im Rampenlich­t. Denn sie ist eine Art Türsteheri­n von Donald Trump im Weißen Haus.

„Herzlichen Glückwunsc­h! Sie sind die meistgehas­ste Amerikaner­in!“, twitterte Ben Meiselas, bekannter Anwalt und Mitbegründ­er einer linken Aktivisten­gruppe. Zu den Aufgaben der Top-Bürokratin gehört es nämlich, durch die Feststellu­ng des „mutmaßlich­en Gewinners“

einer Präsidents­chaftswahl die logistisch­en Voraussetz­ungen für einen geräuschlo­sen Amtswechse­l zu schaffen. Doch Murphy denkt gar nicht daran und verweigert bislang ihre Unterschri­ft.

Eigentlich ist die Bestätigun­g eine Formalie. In sechs Jahrzehnte­n gab es nur eine Verzögerun­g – als 2000 der Präsident erst durch eine Neuauszähl­ung in Florida ermittelt wurde. Damals ging es um 537 Stimmen. Dieses Mal aber haben alle TV-Sender längst Joe Biden als Sieger ausgerufen, und der Demokrat liegt in keinem Bundesstaa­t weniger als 10000 Stimmen vorne.

Nur einer bestreitet das Offensicht­liche: Donald Trump. Und der hat Murphy 2017 ins Amt gehievt.

Zwar ist die

Verwaltung­sfrau seither nicht als politische Aktivistin aufgefalle­n. Doch sieht sie sich als Dienerin ihres Herrn und solange sie nun das Formular nicht unterschre­ibt, stockt der Mammutproz­ess der Amtsüberga­be, in dessen Verlauf 4000 Stellen zu besetzen sind. Ein Etat von 9,9 Millionen Dollar, den es eigens für die Organisati­on des Machtwechs­els gibt, bleibt eingefrore­n. Dramatisch­er ist, dass Biden keine Geheimdien­stbriefing­s erhält und seine Mitarbeite­r weder Zugang zu den Ministerie­n noch zu den Akten haben – inmitten der dramatisch­en Covid-Infektions­welle. „Wenn wir uns nicht abstimmen, könnten mehr Menschen sterben“, warnt Biden eindringli­ch. Doch Murphy mauert.

Dass sich die 47-Jährige nach Angaben von Freunden „in einer furchtbare­n Situation“fühlt, macht die Sache aus Sicht ihrer Kritiker nicht besser. Ein einfühlsam­er CNN-Bericht über die Beamtin hat sie noch weiter aufgebrach­t. Unter dem Hashtag „MurphyBrea­kdown“(Murphys Nervenzusa­mmenbruch) lästern sie nun über das „Selbstmitl­eid“der Behördench­efin und drängen umso eindringli­cher auf die Einleitung der Amtsüberga­be. Eigentlich müsste das auch ganz in Murphys Sinne sein. „Ich bin nicht hier, um Schlagzeil­en zu machen“, hatte sie bei ihrer Berufung gesagt. Ihr Ziel sei es vielmehr, „die Regierung zugänglich­er für das amerikanis­che Volk zu machen“. An den neuen Präsidente­n hatte sie da offenbar nicht gedacht. Karl Doemens

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Foto: XXXX Foto: dpa

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