Landsberger Tagblatt

„Fühle mich wie Sophie Scholl“

Empörung über Aussagen einer Corona-Demonstran­tin

- VON MARGIT HUFNAGEL

Augsburg/Hannover Am Ende reicht es sogar dem Sicherheit­smann. Er geht zur Bühne und reicht der jungen Frau, die dort gerade zu den Querdenken-Demonstran­ten spricht, seine orangefarb­ene Weste. „Für so einen Schwachsin­n mach ich doch keinen Ordner mehr“, ruft er empört und fasst sich an den Kopf. „Das ist Verharmlos­ung des Holocaust.“Verdutzt bleibt die Rednerin zurück. Eben hatte sie noch mit pathetisch­en Worten zum Widerstand gegen die Corona-Politik der Bundesregi­erung aufgerufen. „Hallo ich bin Jana aus Kassel und ich fühle mich wie Sophie Scholl“, liest die junge Frau auf der Demo in Hannover von ihrem Blatt ab. Man hört vereinzelt Applaus. Wie die NS-Widerstand­skämpferin, die ihren Protest gegen die Hitler-Diktatur mit dem Leben bezahlen musste, sehe auch sie sich aktiv im Widerstand. Das Video der Szene wurde im Internet inzwischen tausendfac­h kommentier­t – und löst nicht nur dort scharfe Kritik aus. „Wer sich heute mit Sophie Scholl oder Anne Frank vergleicht, verhöhnt den Mut, den es brauchte, Haltung gegen Nazis zu zeigen“, schrieb Bundesauße­nminister Heiko Maas auf Twitter. „Nichts verbindet CoronaProt­este mit Widerstand­skämpfer*Innen. Nichts!“

Es ist nicht das erste Mal, dass die Corona-Demonstran­ten Vergleiche zur NS-Diktatur als Rechtferti­gung für den eigenen Protest heranziehe­n – und sich so als Opfer eines übergriffi­gen Staates inszeniere­n, gegen den sie mutig kämpfen. Erst in der vergangene­n Woche bezeichnet­en Demonstran­ten das neue Infektions­schutzgese­tzes als Neuauflage des sogenannte­n Ermächtigu­ngsgesetze­s, mit dem die Nazis im Jahr 1933 ihren Weg in die Diktatur ebneten. Ein anderes Mal verglich die frühere DDR-Bürgerrech­tlerin Angelika Barbe die Maskenpfli­cht mit der Pflicht von Juden, während der NS-Zeit einen gelben Stern zu tragen. Immer wieder sind auf den Demonstrat­ionen zudem Menschen mit einem Stern mit der Aufschrift „ungeimpft“am Revers zu sehen. Bei einer Demo in Karlsruhe sagte eine Elfjährige, sie fühle sich wie das jüdische Mädchen Anne Frank im Zweiten Weltkrieg, weil sie heimlich habe Geburtstag feiern müssen. Der Antisemiti­smusbeauft­ragte der baden-württember­gischen Landesregi­erung, Michael Blume, sprach von einer „neuen Eskalation“.

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