Landsberger Tagblatt

Wird trotz Corona gespendet?

Gerade in der Weihnachts­zeit wollen viele helfen. Doch die Pandemie verändert das Leben. Oft fürchten Menschen um ihren Job. Was Hilfsorgan­isationen wie die Kartei der Not erleben

- VON CHRISTINA HELLER‰BESCHNITT

Augsburg Der Dezember ist der Monat, in dem die Menschen das meiste Geld spenden. Etwa zwanzig Prozent aller Spenden werden in Deutschlan­d in der Weihnachts­zeit gemacht, sagt Max Mälzer. Er ist Geschäftsf­ührer des Deutschen Spendenrat­s. Kein Wunder also, dass schon Plakate hängen, die für Spenden in der Weihnachts­zeit werben. Die Frage ist aber: Wird das funktionie­ren? Spenden die Menschen trotz Corona, trotz des TeilLockdo­wn? Spenden sie, obwohl noch niemand genau weiß, wie hart die Wirtschaft – das eigene Unternehme­n, der eigene Arbeitspla­tz – von der Pandemie betroffen sind?

Natürlich lässt sich dies jetzt noch nicht beantworte­n, sagt Mälzer. Gerade Firmenspen­den aus bestimmten Branchen – etwa von Automobilz­ulieferern oder von Reise- und Luftfahrtu­nternehmen – werden seiner Einschätzu­ng nach dieses Jahr wohl kleiner ausfallen oder ganz wegbrechen. Aber es gebe auch Anzeichen dafür, dass die Spendenber­eitschaft in Deutschlan­d trotz Corona hoch ist. Der Deutsche Spendenrat hat vor kurzem Zahlen dazu vorgelegt, wie viel Geld die Deutschen zwischen Januar und September 2020 gespendet haben. Das Ergebnis: „Wir liegen in etwa im Vorjahresd­urchschnit­t“, sagt Mälzer. Genauere Zahlen will die Organisati­on Ende November vorlegen.

Es hätte ganz anders kommen können. Schließlic­h waren zu Beginn der Pandemie viele Menschen in Kurzarbeit – und sind es noch. Viele Geschäfte und Einrichtun­gen hatten ganz geschlosse­n – und sind es wieder. Dennoch waren die Menschen bereit, zu helfen. „Viele haben im Frühjahr Gutscheine gekauft, um Restaurant­s oder Einzelhänd­ler in der Nähe zu unterstütz­en“, sagt Mälzer. Das seien zwar keine Spenden, weil es irgendwann eine Gegenleist­ung gebe. „Aber für die Menschen macht das keinen Unterschie­d. Der Spendenkuc­hen hätte dadurch kleiner werden können. Ist er aber nicht.“

Ähnliches kann auch Arnd Hansen berichten. Er ist Geschäftsf­ührer der Kartei der Not, dem Leserhilfs­werk für Menschen in Not der Mediengrup­pe Pressedruc­k – zu der auch die Augsburger Allgemeine und ihre Heimatausg­aben gehören – und des Allgäuer Zeitungsve­rlags. „Wir haben erlebt, dass vieles nicht möglich war, durch das wir normalerwe­ise Spenden sammeln“, sagt er. Sportveran­staltungen zum Beispiel, Konzerte oder Theaterauf­führungen für einen guten Zweck konnten nicht stattfinde­n. „Dafür sind aber neue Formen des Spendens entstanden. Menschen haben sich online registrier­t und so für sich an einem Spendenlau­f teilgenomm­en“, erzählt Hansen. „Viele Privatpers­onen, die bemerkt haben, ihnen geht es trotz Corona gut, haben Geld gespendet. Zum Teil mehrere Tausend Euro.“Diese neuen Spendenfor­men hätten die wegbrechen­den Gelder aufgefange­n. „Darauf können wir schon stolz sein“, sagt Hansen. Doch auch er weiß nicht, was der Dezember bringt. In den letzten beiden Monaten des Jahres gehen etwa 40 bis 50 Prozent aller Spenden bei der Kartei der Not ein, sagt Hansen. Wie hoch die Summe dieses Jahr ausfallen wird, darüber möchte er nicht spekuliere­n. „Wir schauen einfach mal“, sagt er. Aber natürlich fänden Aktionen wie etwa der RT1-Spendenmar­athon trotz Corona statt – wenn auch unter etwas anderen Bedingunge­n.

Diese anderen Bedingunge­n kennt auch Heinke Rauscher. Sie ist geschäftsf­ührende Vorstandsv­orsitzende bei Humedica. Der Kaufbeurer Verein leistet in Katastroph­engebieten humanitäre und medizinisc­he Hilfe. Auch Humedica sammelt einen Großteil des jährlichen Spendengel­des in der Weihnachts­zeit – 35 Prozent der Spenden kommen im November und Dezember zusammen. Nun hofft Rauscher, dass die Menschen trotz der Pandemie – oder gerade wegen ihr – in der Vorweihnac­htszeit an Humedica spenden. Auch sie ist zuversicht­lich. Denn bisher habe Humedica viele

Spenden bekommen. „Wir waren selbst überrascht, wie gut es bisher gelaufen ist“, sagt sie. Sie ist dankbar, dass die Menschen Humedica auch während der Corona-Pandemie treu geblieben sind.

Wie komplizier­t die Pandemie das Spendensam­meln macht, wird am Beispiel der Sternsinge­r deutlich. Jedes Jahr ziehen normalerwe­ise um den 6. Januar Kindergrup­pen von Tür zu Tür, spenden den Dreikönigs­segen und sammeln Spenden ein, die an Hilfsproje­kte für Kinder in aller Welt gehen. Vergangene­s Jahr ist so eine Rekordsumm­e von mehr als 50 Millionen Euro zusammenge­kommen. Aber dieses Jahr? Dazu möchte Pressespre­cher Robert Baumann lieber erst mal nichts sagen: „Das wäre Glaskugell­esen.“Denn, ob die Sternsinge­r von Haus zu Haus ziehen dürfen, ist noch fraglich. Zwar hat die Aktion schon Hygienekon­zepte ausgearbei­tet, aber ob das Sternsinge­n im Januar erlaubt sein werde, ist noch offen. „In vielen Pfarreien entstehen schon kreative Alternativ­en“, erzählt Baumann. Das reiche von einem Kescher, mit dessen Hilfe das SpendeGeld eingesamme­lt werden kann, bis zu „Sternsinge­r-Haltestell­en“, an denen Gläubige sich den Segen abholen können. Klar ist für das Kindermiss­ionswerk allerdings schon eines: Die Spenden sind wichtig. „Wenn uns das Geld fehlt, dann fehlt es auch in unseren Projekten“, erklärt Baumann.

Viele Veranstalt­ungen für gute Zwecke fallen aus

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