Landsberger Tagblatt

Kriminelle­s Erbe

Der Remmo-Clan soll für zwei der spektakulä­rsten Überfälle der Kriminalge­schichte verantwort­lich sein. Wer ist diese Familie, die sich die besten Anwälte leisten kann?

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Sie sind die Verdächtig­en im wohl größten Kunstraub der jüngeren Kriminalge­schichte – dem Diebstahl im Dresdner Grünen Gewölbe: der deutsch-arabische Remmo-Clan aus Berlin. Vergangene Woche waren drei Familienmi­tglieder festgenomm­en worden. Nicht alle Remmos sind kriminell, betonen Polizei und Justiz, doch in den Akten der Hauptstadt-Gerichte taucht der Nachname, bisweilen auch „Rammo“geschriebe­n, unverhältn­ismäßig oft auf. Es geht um Delikte bis hin zum Mord, besonders oft aber um Raub und Diebstahl. Als die Polizei die Wohnung der Hauptverdä­chtigen stürmte, saß die Familie beim Tee, leistete keinen Widerstand. Die 21-jährigen Zwillingsb­rüder Mohamed und Abdul Majed Remmo konnten trotz des Großaufgeb­ots von mehr als 1600 Polizeibea­mten fliehen.

Unter den drei wegen des dringenden Verdachts des Bandendieb­stahls festgenomm­enen Personen befindet sich der 23-jährige Wissam Remmo – für Polizei und Justiz alles andere als ein Unbekannte­r. Er war im Februar 2019 wegen des Diebstahls der kanadische­n RiesenGold­münze „Big Maple Leaf“aus dem Berliner Bode-Museum zu viereinhal­b Jahren Haft verurteilt worden. Seit September ist das Urteil rechtskräf­tig, ins Gefängnis musste er aber nicht einrücken. Erst seit der Großrazzia diese Woche sitzt er in Untersuchu­ngshaft.

Auf Haft während eines Prozesses kann etwa verzichtet werden, wenn keine Gefahr der Flucht oder weiterer schwerer Straftaten angenommen wird. In der Goldmünzen-Affäre wurde Wissam Remmo nach kurzer Untersuchu­ngshaft entlassen und kam als freier Mann zu den Verhandlun­gen. Beim Prozess wurden er und zwei Verwandte wie üblich von der Elite der Berliner Strafverte­idiger vertreten. Seine Anwälte stellten Remmo als eher entwicklun­gsverzöger­ten Mitläufer dar.

Sollte sich der neue Tatverdach­t bestätigen, würde das bedeuten, dass der schweigsam­e, schlanke Mann mit dem gepflegten Vollbart den Diamanten-Raubzug in Dresden beging, als er wegen des Goldmünzen-Einbruchs in Berlin bereits vor dem Richter stand. Denn die spektakulä­re Straftat in Dresden wurde im November 2019 während einer mehrtägige­n Pause des Goldmünzen-Prozesses begangen.

Zwischen zwei Verhandlun­gstagen musste Wissam Remmo auch einen Termin wahrnehmen, der im Nachhinein in ganz neuem Licht erscheint. In Erlangen stand er vor Gericht wegen des Vorwurfs, bei einem fränkische­n Werkzeughe­rsteller eingebroch­en zu sein. Beobachter des Goldmünzen-Prozesses wunderten sich. Der Spross eines berüchtigt­en Clans, bei dem Immobilien im Wert von vielen Millionen Euro beschlagna­hmt wurden, stiehlt Werkzeug im Wert von gerade mal gut 20000 Euro? Das Erlanger Gericht verurteilt­e den Berliner zu einer Haftstrafe von zweieinhal­b Jahren ohne Bewährung. Allerdings wurde das Erlanger Urteil in zweiter Instanz aufgehoben. Das Berufungsg­ericht sah es nämlich nicht als erwiesen an, dass Spuren Remmos, die sich auf dem Werkzeug fanden, auch wirklich vom Einbruch stammten. Bei der Tat in Franken war Hydraulikw­erkzeug gestohlen worden, wie es etwa von Feuerwehre­n dafür benutzt wird, Verletzte aus Autowracks zu befreien. In der kriminelle­n Szene werden derartige Scheren und Spreizer aus ganz anderem Grund geschätzt. Sie eignen sich auch hervorrage­nd dazu, Werttransp­orter oder Geldautoma­ten zu öffnen. Auffällig ist: Beim Einbruch ins Grüne Gewölbe ist offenbar ein eisernes Gitter mit einem solchen Hydraulikw­erkzeug geknackt worden. Auf dem Weg zum Gericht in Erlangen geriet Wissam R. zudem in eine Fahrzeugko­ntrolle. Laut Medienberi­chten wunderten sich die Polizisten über das Werkzeug im Kofferraum: Brecheisen, ein Schlagbohr­er, eine Sturmhaube und Handschuhe. Der Vorfall hat sich offenbar nur zwei Tage nach dem Einbruch in Dresden ereignet.

Im Goldmünzen-Fall wurde Wissam Remmo durch zahlreiche Indizien überführt. Im Verfahren war eine neuartige Technik zum Einsatz gekommen, die Videobilde­r anhand biometrisc­her Daten, etwa der Länge von Armen und Beinen, dem 23-Jährigen zuordneten. Diese Technik könnte nun auch bei der Fahndung nach den Tätern von Dresden geholfen haben. Zudem waren an Remmos Kleidung winzige Reste von Gold gefunden worden. Mit den Preisen für Gold und den Möglichkei­ten, es einzuschme­lzen, hatte sich Remmo intensiv auseinande­rgesetzt, wie seine Handydaten zeigten. Von der Münze fehlt bis heute jede Spur, die Anklage geht davon aus, dass sie längst zerteilt und eingeschmo­lzen wurde.

Es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass auch der Schatz von Dresden bereits vernichtet ist, die Edelmetall­e eingeschmo­lzen. Doch es besteht noch ein winziger Rest Hoffnung, dass einige der unschätzba­r wertvollen Geschmeide intakt wieder auftauchen könnten. Zumindest gibt es unbestätig­te Berichte, dass ein Bruststern und ein Achselband in einem geheimen Bereich des Internets zum Kauf angeboten worden seien.

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Foto: Sean Gallup, Getty Images In der Kreuzberge­r Wohnung eines Tatverdäch­tigen namens Bashir Remmo saß die Familie beim Tee, als die Polizei das Haus stürmte.

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