Landsberger Tagblatt

Sind wir nicht alle ein bisschen Mark Uth?

- VON TILMANN MEHL time@augsburger‰allgemeine.de

Es gibt diese Tage. Der erste Griff unter der Dusche misslingt, statt Duschgel tropft Hämorrhoid­en-Salbe von der Wange. Dass die Milch mehrere Tage abgelaufen war, macht sich erst beim Biss ins Müsli bemerkbar und natürlich bleibt der Außenspieg­el an der Garagenaus­fahrt hängen. Zwei Möglichkei­ten: Krank melden, mit Schokolade unter die Bettdecke flüchten oder der Gefahren trotzen, die der weitere Tag noch mit sich bringt (unliebsame Vorgesetzt­e, unvorherge­sehene Meteoriten­abstürze etc.). Mark Uth hatte diese Wahl nicht. Der Schalker Stürmer wäre laut Eigenausku­nft zwar am liebsten in die Kabine gegangen, „um zu weinen“, doch so leicht wird es einem Profifußba­ller nicht gemacht. Vor den Tränen steht das Interview. So ließ Uth einen Blick auf sein empfindsam­es Innenleben zu. Er wisse ja auch nicht, wie man generell ein Spiel gewinnen könne, wenn man so auftritt wie die Schalker in den vergangene­n Monaten. Wenn sich Frust mit Trauer und Wut mischen, liefert der Sport erhellende Momente.

Uth aber sei zumindest gesagt, dass er nicht alleine ist. Dass jede schwarze Serie einmal an ihr Ende stößt. So gesehen sind die 24 Partien,

in denen die Schalker in Folge sieglos blieben, ein lächerlich kurzer Zeitraum. Die Bremer beispielsw­eise verloren über zehn Jahre hinweg jedes Duell mit dem FC Bayern. Nach 19 Partien und einigen atemberaub­enden Klatschen holten die Werderaner nun tatsächlic­h einen Punkt beim Triplesieg­er. Selbst die gerne als Referenzwe­rt verwendete­n Dauerverli­erer von Tasmania Berlin gewannen nach 31 Spielen mal wieder in der Bundesliga. Kurz darauf stiegen sie ab, als Spätfolge folgte der Konkurs, aber das müssen die Schalker ja nicht wissen.

Es kann also immer noch ein bisschen schlimmer kommen und irgendwann gelingen dann aber auch wieder Sachen, die derzeit vollkommen realitätsf­remd scheinen. Ballannahm­e. Zweikampf ohne Gefahr der Selbstvers­tümmelung. Auch hier wieder die Analogie zum Alltagsleb­en. Erst mal die einfachen Sachen konzentrie­rt regeln. Wer unter der Dusche die Augen öffnet, dem steht die Welt offen.

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Foto: Witters Mark Uth ließ in sein Innerstes blicken. Armer Kerl.
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