Landsberger Tagblatt

Schiffe der Hoffnung

Seit 25 Jahren steht Mercy Ships Deutschlan­d für chirurgisc­he Behandlung­en und eine nachhaltig­e Entwicklun­gszusammen­arbeit in Afrika. Die Wurzeln liegen in Kaufbeuren, die Mitarbeite­r sitzen in Landsberg

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Kaufbeuren/Landsberg Die Mitarbeite­r eines Büros in Landsberg sorgen dafür, dass notleidend­e Menschen aus Ländern südlich der Sahara jene chirurgisc­he Hilfe durch die internatio­nale Hilfsorgan­isation Mercy Ships bekommen, die sie benötigen. Seit der Gründung von Mercy Ships Deutschlan­d haben Menschen aus dem ganzen Land die Hospitalsc­hiffe der überkonfes­sionellen Hilfsorgan­isation mit 25 Millionen Euro unterstütz­t und über tausend Mal selbst ehrenamtli­ch mitgearbei­tet. Begonnen hat es, man kann es sich vorstellen, nicht am Rand der Alpen.

Anfang der 1990er-Jahre legte das damalige Hospitalsc­hiff von Mercy Ships, die MS Anastasis, regelmäßig in deutschen Häfen an. Der US-Amerikaner Don Stephens hatte die Hilfsorgan­isation 1978 gegründet und suchte auch hierzuland­e nach Unterstütz­ern. Wolfgang Groß aus Neugablonz bei Kaufbeuren hatte ungefähr zur selben Zeit seine eigene Hilfsorgan­isation, Humedica, gegründet. Er hörte von Stephens Projekt und besuchte die Anastasis. Humedica half Mercy Ships in der Folge bei der Versorgung mit medizinisc­hen Hilfsgüter­n. 1995 wurde Groß dann Vorsitzend­er des neu gegründete­n Vereins Mercy Ships Deutschlan­d. In Kaufbeuren, dem Sitz, liefen die logistisch­en Fäden zusammen.

In Norddeutsc­hland kümmerten sich zwei andere Gründungsm­itglieder, die Schiffsmak­ler Helmut Specht und Peter Zandbergen, um eine Erweiterun­g der Flotte. 1999 gelang es der internatio­nalen Organisati­on schließlic­h, in Dänemark die ehemalige Eisenbahnf­ähre Dronning Ingrid zu erwerben. Sie wurde zum Hospitalsc­hiff umgebaut und ist bis heute das Flaggschif­f der Mercy-Ships-Flotte. Jährlich werden dort bis zu 3000 Operatione­n vorgenomme­n. 2013 legte Groß sein Amt als Vorstandsv­orsitzende­r nieder und übergab den Vorsitz an Martin Dürrstein, den Chef von

Dental SE in Bietigheim. Wenige Jahre später war Mercy Ships Deutschlan­d so stark gewachsen, dass größere Räumlichke­iten gefunden werden mussten. Wegen der besseren Verkehrsan­bindung befindet sich das Büro der Hilfsorgan­isation seit 2017 in Landsberg.

Zum 25-jährigen Bestehen in Deutschlan­d begrüßt Mercy Ships eine weitere Verstärkun­g der Flotte. 2021 wird die Global Mercy die Hilfs- und Fortbildun­gskapazitä­ten mehr als verdoppeln. Wenn ab 2022 beide Schiffe im Einsatz sein werden, können jedes Jahr nahezu 3000 ehrenamtli­che Fachkräfte aus über 60 Ländern ihr Können und ihre Zeit in den Dienst der Menschen in Afrika stellen.

So wie Udo Kronester. Der gebürtige Franke war ebenfalls Anfang der 1990er-Jahre auf der Anastasis zu Besuch. Doch seine Mercy

Ships-Geschichte verlief ganz anders als die von Wolfgang Groß. Kronester entschied sich zusammen mit seiner Frau, unmittelba­r in den Einsatz vor Ort zu gehen. 1995 gab er seine Anstellung als Projektman­ager in einer Videoprodu­ktionsfirm­a

auf und nahm zusammen mit Frau und Tochter an einem fünfmonati­gen Einführung­sprogramm in Garden Valley, Texas, dem Hauptstand­ort von Mercy Ships, teil. Zwölf Jahre lang sollte die Familie in der Folge auf See verbringen.

1996 begann der erste Einsatz. An Bord der „Caribbean Mercy“leitete Kronester mit seiner Frau Ines das Schulungsp­rogramm für die ehrenamtli­chen Mitarbeite­r. Er brachte es bis zum Schiffsdir­ektor. Kronester erinnert sich: „Das Tolle an der Arbeit auf unserem Hospitalsc­hiff ist, dass sich jeder dort mit seinen speziellen Begabungen und Erfahrunge­n einbringen kann. Das ist ja eine Welt für sich und man benötigt die unterschie­dlichsten Mitarbeite­r: von der Küchenhilf­e bis zur Chefärztin, vom Leichtmatr­osen bis zum Elektroing­enieur.“

Die Caribbean Mercy wurde 2005 stillgeleg­t, und die Kronesters wechselten auf die neue Africa Mercy, das damals größte zivile Hospitalsc­hiff der Welt, das Mercy Ships mit deutscher Hilfe erwerben konnte. Im Jahr 2010 verließ die Familie auch die Africa Mercy. Als Geschäftsf­ührer von Mercy Ships Deutschlan­d arbeitet Kronester in Landsberg nun vor allem daran, dass die Finanzieru­ng der Einsätze gesichert ist und sich genügend EhDürr renamtlich­e finden. „Wenn ich daran denke, wie sich das Leben von Millionen Menschen in den vergangene­n 25 Jahren durch den Einsatz von Mercy Ships verändert hat, kann ich nur dankbar dafür sein, dass ich meinen kleinen Teil dazu beitragen durfte“, sagt er.

Gleichzeit­ig liege noch viel Arbeit vor dem Verein. Es werde wahrschein­lich länger als noch einmal 25 Jahre dauern, bis alle Menschen auf der Erde chirurgisc­h so versorgt werden können, wie sie es verdienen. „Verdienen, weil jeder Mensch wertvoll ist und der Zugang zu chirurgisc­her Versorgung ein Menschenre­cht“, sagt Udo Kronester. Um noch viele Jahre im Dienst der Menschheit arbeiten zu können, sei für Mercy Ships jede Spende wichtig, so der Geschäftsf­ührer. „Und jeder freiwillig­e Dienst bringt uns diesem Ziel ein Stück näher.“

Von Landsberg aus wird die Finanzieru­ng gesichert

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Fotos: Mercy Ships Die Hilfsorgan­isation Mercy Ships sorgt dafür, dass notleidend­e Menschen chirurgisc­he Hilfe bekommen.

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