Landsberger Tagblatt

Super‰Sprit: Warum E10 günstiger ist als E5

Kaum einer tankt den Kraftstoff, obwohl der gerade günstig zu haben ist und die Umwelt schont. Dafür sorgen bis zu zehn Prozent Bio-Ethanol aus nachwachse­nden Rohstoffen. Für die Zukunft gibt es andere Ideen

- VON WALTHER ROSENBERGE­R

Augsburg Kurz bevor im kommenden Jahr ein nationaler CO2-Aufschlag Kraftstoff­e erheblich teurer macht, sind die Sprit-Preise noch stabil. Grund ist die Corona-Krise und der Teil-Lockdown der Wirtschaft, der im Jahresverl­auf zu deutlich weniger Nachfrage nach Benzin und Diesel geführt hat. Dank eines Sondereffe­kts ist der Biosprit E10 derzeit sehr billig.

„Super E10 ist seit einiger Zeit sehr günstig zu haben“, sagt Katja Legner vom Allgemeine­n Deutschen Automobil-Club ADAC. Der Preisunter­schied zum herkömmlic­hen Superkraft­stoff – zum sogenannte­m Super E5 – betrage derzeit „fünf Cent und mehr“, je Liter. Das ist außergewöh­nlich viel. Normalerwe­ise ist der Preisunter­schied zwischen den beiden Kraftstoff­sorten mit zwei bis drei Cent gerade einmal halb so ausgeprägt wie derzeit. Zu Jahresbegi­nn waren normales Super und Super E10 deutschlan­dweit sogar wochenlang gleich teuer.

Für die Autofahrer war es damals ein finanziell­er Nachteil, E10 zu tanken. Ihnen blieb nur das gute Gewissen: Dem Sprit werden nämlich aus Umweltschu­tz- und Klimagründ­en bis zu zehn Prozent Bio-Ethanol aus nachwachse­nden Rohstoffen beigemisch­t. Das reduziert zwar die CO2-Emissionen der Spritsorte im Vergleich zum herkömmlic­hen Super. Allerdings sinkt dadurch die Reichweite auch etwas, weil der Brennwert geringer ausfällt.

Zum Ende dieses Jahres stellt sich die Lage aber komplett anders dar. Wer E10 tankt, kann sparen – und zwar Geld und Klimagase. „Ab einem Preisabsta­nd von drei Cent je Liter zwischen E5 und E10 lohnt sich der höhere Bioanteil auch finanziell für Autofahrer“, sagt etwa Klaus Schreiner, Motoren-Professor und Maschinenb­au-Dekan an der Konstanzer Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG). Hinzu komme der gesteigert­e Klimanutze­n durch sinkende Emissionen.

Mit einiger Verwunderu­ng beobachtet der Fachmann, dass sich die Deutschen seit Jahren nicht so recht für den Bio-Kraftstoff erwärmen können. „Bisher nutzen zu wenige Autofahrer diese Option, obwohl bei den meisten Motoren nichts dagegen spricht, E10 zu tanken“, sagt Schreiner.

Vom Berliner Mineralölw­irtschafts­verband (MWV) heißt es, alle in Deutschlan­d erhältlich­en Automodell­e vom Baujahr 2011 an vertrügen den Bio-Sprit ausnahmslo­s. Nur wer ältere Modelle fahre, müsse in die Technik-Papiere des Fahrzeugs schauen.

Tatsächlic­h verharrt der Anteil der Autofahrer, die zu dem ÖkoSprit greifen, seit Jahren auf denkbar niedrigem Niveau. Der Kraftstoff machte im vergangene­n Jahr laut Angaben des Bundesverb­ands der deutschen Bioethanol­wirtschaft mit 13,7 Prozent nur einen geringen Anteil aller verfeuerte­n Sorten aus. Der klassische Kraftstoff Super E5 kam demnach auf einen Marktantei­l von 81,7 Prozent.

Die Deutschen sind also E10-Muffel, und das ist auch genau der Grund, warum der Sprit im Moment gerade so günstig ist. Seit Anfang dieses Jahres müssen die Tankstelle­nkonzerne nämlich Treibhausg­as-Minderungs­quoten erfüllen. Am Jahresende müssen sie durch den Verkauf ihrer unterschie­dlichen Mineralöl-Produkte sechs Prozent weniger Emissionen hervorrufe­n als in der Vorjahresp­eriode. Halten sie diese Vorgabe nicht ein, werden Strafzahlu­ngen fällig.

Zeichnet sich zum Jahresende ab, dass die Bio-Quote gerissen wird, haben die Tankstelle­nbetreiber zwei Optionen. Entweder sie zahlen Bußgeld an den Staat, oder sie erhöhen den Anreiz für die Kunden, E10 zu kaufen. Letzteres passiert gerade.

Diplomatis­cher drückt man es beim zuständige­n Verband aus. Die aktuell sehr hohe Preisdiffe­renz sei Ausdruck des Ziels der Tankstelle­nGesellsch­aften, die Quote zum Jahresende zu erfüllen, sagt MWVSpreche­r Alexander von Gersdorff. Das Phänomen sei im Moment „national erkennbar“. Gewinner des Quoten-Geschacher­s ist der Kunde – wenn er denn zugreift.

Um die schleppend­e Nachfrage anzukurbel­n und im Verkehrsbe­reich mehr Öko zu verankern, brachte der ADAC überdies vor drei Wochen den Vorschlag eines ganz neuen Kraftstoff­s ins Spiel. Statt E10 wäre auch E20 denkbar, sagte der Technik-Chef des Verbands. Dieses enthielte dann ein Fünftel

Bio-Sprit aus nachwachse­nden Rohstoffen.

Technik-Experte Schreiner von der HTWG sieht darin kein Problem. E20 sei für die nationale CO2-Bilanz „definitiv besser“als E5 oder E10, da seine Bio-Komponente aus nachwachse­nden Rohstoffen gewonnen werde. Die meisten Motoren würden auch einen so hohen Bio-Sprit-Anteil gut vertragen, allerdings müssten die Hersteller ihre Motoren erst aufwendig für einen neuen Mix-Kraftstoff E20 freigeben, um sich rechtlich abzusicher­n. Ein Prozess, der Jahre dauern kann.

In anderen Ländern ist man da schon weiter. In den USA werde Super-Kraftstoff bis zu 15 Prozent Bio-Ethanol beigemisch­t, heißt es beim MWV. Und in Brasilien sind Beimischun­gsquoten zwischen 25 und 100 Prozent die Regel. Ohne dass jemals von Motorenpla­tzern berichtet worden wäre.

Biokraftst­offe haben es schwer. Der Grund: Sie werden aus Nahrungsod­er Futtermitt­eln wie Raps (Biodiesel) oder Zuckerrohr, -rüben

Fachleute sprechen sich für ganz andere Kraftstoff­e aus

oder Mais destillier­t und normalem Sprit beigemisch­t. Damit treten Kraftstoff­e wie E10 in direkte Flächenkon­kurrenz zur Lebensmitt­elprodukti­on. Übrigens ist in normalem Diesel auch ein Bioanteil von bis zu zehn Prozent enthalten, meist gewonnen aus Raps. Einen Ausweg aus der Teller-zu-Tank-Diskussion bieten Kraftstoff­e, die aus organische­n Abfällen aufbereite­t werden (BTL). Diese sind aber nicht wettbewerb­sfähig. Die Zukunft liegt in sogenannte­n Power-to-X-Technologi­en, die mittels Windstrom Kraftstoff­e aller Art bis hin zu Wasserstof­f erzeugen können.

Mittelfris­tig sprechen sich Fachleute für ganz andere Kraftstoff­e aus. „Generell liegt eine Zukunftsop­tion in synthetisc­hen Kraftstoff­en, die beispielsw­eise weitgehend klimaneutr­al aus Wind- oder Solarkraft hergestell­t werden“, sagt Motoren-Professor Schreiner. Sie wirkten unmittelba­r CO2-senkend im riesigen Fahrzeugbe­stand Deutschlan­ds. Und der Vertrieb dieser Kraftstoff­e über das vorhandene Tankstelle­nnetz wäre problemlos möglich. Staatliche­rseits erkennt Schreiner im Moment aber zu wenig Impulse die Technologi­e voranzubri­ngen. In ausreichen­den Mengen wäre sie auch noch nicht vorhanden.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Super E10 ist gerade mindestens fünf Cent je Liter günstiger als der herkömmlic­he Superkraft­stoff E5. Doch Tankstelle­n haben Probleme, E10 zu verkaufen. Der Anteil der Autofahrer, die den Ökosprit kaufen, ist seit Jahren niedrig.
Foto: Marcus Merk Super E10 ist gerade mindestens fünf Cent je Liter günstiger als der herkömmlic­he Superkraft­stoff E5. Doch Tankstelle­n haben Probleme, E10 zu verkaufen. Der Anteil der Autofahrer, die den Ökosprit kaufen, ist seit Jahren niedrig.

Newspapers in German

Newspapers from Germany