Die Liebe in Zeiten der Pandemie
Anton G. Leitner widmet seinen 28. Gedichtband dem schönsten Gefühl der Welt
Weßling Distanzgebot, maskierte Mimik und Flächendesinfektion allüberall. In der Corona-Krise wird selbst eine kleine Romanze zur großen Herausforderung. „Doch wenn das Lächeln unsichtbar wird, schlägt die Stunde der Liebespoesie“, sagt sich der am Weßlinger See beheimatete Lyriker und Verleger Anton G. Leitner. Für seine neueste Ausgabe der buchstarken Zeitschrift Das Gedicht versammelte er aus dem gesamten Bundesgebiet 184 Poetinnen und Poeten aus drei Lyriker-Generationen – die jüngste Poetin ist wiederum die 19-jährige Anna Münkel, die am Nordufer des Ammersees beheimatet ist.
In 235 Gedichten entdecken die Lyriker die verschiedenen Temperamente und Temperaturen der Liebe: vom ersten Blick zum ersten Mal, aus der durchwachten Sternennacht in die zerwühlten Laken, über gebrochene Herzen und schmerzhafte Trennungen hinweg bis zur Goldenen Hochzeit.
„Lust beginnt im Kopf und entfacht Feuer“, ist sich Anton G. Leitner sicher. Der Weßlinger „Lyrikpapst“hat schon diverse erotische Lyrik-Bestseller herausgegeben – zur Jahrtausendwende editierte er das „Erotik-Special“mit dem provokanten Titel „Vom Minnesang zum Cybersex“. In Zeiten der Pandemie stellt er die schönste Sache der Welt nun erneut in den Mittelpunkt seiner editorischen Arbeit. Die Gedichte der vorliegenden 200 Seiten umfassenden Sammlung schwingen sanft zwischen zart und hart. „Jetzt, da ein Virus unseren Alltag dominiert, scheinen mir die Liebe und das Dichten über das schönste Gefühl der Welt so kostbar zu sein wie lange nicht mehr. Dieser Umstand war für mich Auslöser, nach fast 15-jähriger „Enthaltsamkeit“wieder eine opulente Liebesanthologie vorzulegen. Denn es darf nicht sein, dass Abstand die neue Nähe ist“, betont Leitner in seinem Vorwort.
Die Entwicklung des Infektionsgeschehens sieht er nicht nur als viralen Katastrophenfall, sondern auch als existenzielle Bedrohung „unseres soziokulturellen Lebens“. Viele Kreative, Künstler, Veranstalter, Kinobetreiber, Schriftsteller, Musiker und Theaterschaffende hätten schon im Sommer um den Erhalt ihrer Lebenswerke gekämpft und stünden jetzt im zweiten Lockdown vor dem Ruin. Leitner, der zweimal aus gesundheitlichen Gründen – doppelseitige Lungenembolie im Frühjahr 2018 und Herzinfarkt 2019 – nur unter Notfallbedingungen publizieren konnte, hatte ursprünglich gehofft, dass er in diesem Jahr „ein wahres Feuerwerk an Lyrikveranstaltungen“hätte zünden können. Doch die Pandemie zwang ihn, alle Vorhaben abzusagen. Zum „Welttag des Buches“im vergangenen Frühjahr wollte er eigentlich mit 40 Poetinnen und Poeten im Lyrik-Kabinett in München seine Natur-Ausgabe von Das Gedicht feiern. Auch diese Veranstaltung fiel wie so viele Lesungen und Seminare dem Lockdown zum Opfer. In der FünfSeen-Region konnte er zumindest im Spätsommer öffentlich auftreten, als er auf dem Fünf Seen Filmfestival zusammen mit dem Kabarettisten Josef Brustmann „Lyrik im Kino“präsentierte.
Seit 1993 gibt Leitner Das Gedicht heraus. Darüber hinaus editierte der examinierte Jurist mehr als 40 Anthologien. Zuletzt erschien bei Reclam seine Sammlung „Die Bienen halten die Uhren an. Naturgedichte“. Im kommenden Jahr wird dort der Band „Gedichte für alle Liebeslagen“folgen. Außerdem ist pünktlich zu seinem 60. Geburtstag im Juni sein zweiter Mundarttitel „Wadlbeissn. Zupackende Verse“geplant. Zur Pandemie leuchtet er derzeit mit Sabine Schiffner, Alex Dreppec und Fritz Deppert in der „Lockdown-Lyrik 2.0!“die Quarantäne poetisch aus und präsentiert täglich online ein Corona-Gedicht.
Anton G. Leitner (Hrsg.): Die Wiederentdeckung der Liebe; Das Gedicht Band 28, mit einem Special für Kids, zusammengestellt von Uwe-Michael Gutzschhahn, 208 Seiten, ISBN 978-3-929433-86-9.