Bestatter blicken zurück
Die Corona-Pandemie verändert den Ablauf bei Beerdigungen und Trauerfeiern. Die Bestatter Wolfgang Engelmann aus Landsberg und Johann Böck aus Dießen blicken auf ein besonderes Jahr zurück
Die Corona-Pandemie hat auch Trauerfeiern und Beerdigungen verändert. Ein Bestatter aus Landsberg und ein Kollege aus Dießen blicken zurück.
Landkreis Trauernde unterstützen, ihnen die Hand geben, bei Tränen ein Taschentuch reichen, das gehört normalerweise zum Beruf des Bestatters. In Zeiten der Corona-Pandemie steht eine Scheibe zwischen Bestatter und Angehörigen. Doch das ist nicht alles. „Es geht schon damit los, dass wir den Angehörigen, wenn sie ins Büro kommen, nicht die Hand geben können. Man muss Distanz halten. Das war auch am Anfang schwierig: dass die Leute die Nähe suchen, aber man darf nicht“, sagt Wolfgang Engelmann aus Landsberg. Er ist seit dem Jahr 1992 Bestatter und berichtet wie sein Berufskollege Johann Böck aus Dießen von einem außergewöhnlichen Jahr.
Strenge Vorschriften musste Wolfgang Engelmann zunächst selbst beachten, da er einige Verstorbene betreute, die an oder mit Covid-19 verstorben waren. „Es fühlt sich an wie in einem Endzeitfilm.“So beschreibt der 53-Jährige den Schutzanzug für solche Fälle. Für die Angehörigen seien Beerdigungen dieses Jahr ebenfalls anders gewesen. Mit Weihwasser das Grab besprengen oder eine Schaufel reihum in die Hand nehmen, um Erde auf den Sarg zu werfen – diese Bestattungsrituale entfielen teilweise, zu hoch war die Infektionsgefahr. In kleineren Aussegnungshallen sollten wegen der Luftzirkulation die Türen offen bleiben. Alternativ hätten einige Trauernde Blütenblätter oder Blumen ins Grab gegeben, sagt Wolfgang Engelmann. Des Öfteren wurde am Grab ein Lied abgespielt.
Schlimmer als entfallene Rituale sei für viele Angehörige gewesen, dass sie wegen der Corona-Regeln die Beerdigung im kleinen Kreis abhalten mussten. Teilweise wird immer noch in Traueranzeigen auf den begrenzten Teilnehmerkreis verwiesen. „Das ist ja für die Angehörigen das Wichtigste: viel Anteilnahme von Bekannten und Freunden. Und wenn das wegfällt, fühlen sie sich alleingelassen“, sagt Wolfgang Engelmann. Gerade bei älteren Verstorbenen konnten zudem Bekannte
zur Beerdigung kommen, da sie selbst gefährdet sind, schwer an Covid-19 zu erkranken. Auch für entfernte Bekannte sei die Situation schwierig, sagt der 53-Jährige: „Die nächsten Bekannten rufen an, aber die entfernten Bekannten fallen alle durchs Raster, wenn sie nicht ’erwünscht’ sind und die Andacht ausfällt.“Sich richtig zu verabschieden sei für viele wichtig, um mit einem Todesfall abschließen zu können.
An einen Fall erinnert sich WolfEngelmann noch besonders. Eine ältere Dame war im Seniorenstift aufgebahrt, nur ihre Kinder durften sie sehen. Die Enkel durften nicht hinein, weil das Heim strenge Hygienevorschriften hatte. Welche Spätfolgen es hat, nicht richtig trauern zu können, könne er nicht sagen, so der Bestatter. Er erlebe immer nur eine Momentaufnahme.
Auch bei Johann Böck in Dießen hat sich der Ablauf der Bestattung den Gegebenheiten angepasst: Annicht gehörige werfen Rosenblätter ins Grab, eine Schaufel wandert nicht von Hand zu Hand. Nur der Pfarrer verteilt Erde und Weihwasser auf dem Grab. Böck machte auch die Erfahrung, dass die Angehörigen gut damit umgingen, im kleinen Kreis Abschied zu nehmen, ohne zahlreiche Beileidsbekundungen am Grab. Manche Angehörigen hätten deshalb erst nach der Beerdigung die entsprechende Todesanzeige veröffentlicht. Was aber viele vergang missen und entsprechend schieben würden, seien die Zusammenkünfte in der Gaststätte nach der Bestattung. Deshalb seien manche Angehörige nach der Bestattung noch auf dem Friedhof geblieben und hätten sich unterhalten.
Während des ersten Lockdowns rechneten viele seiner Kollegen mit einem hohen Anstieg der Todesfälle, sagt der 53-Jährige, der seit 2014 als Bestatter arbeitet. Sie hätten sich mit Särgen eingedeckt. Die Folge: „Die Preise für Särge stiegen um zehn Prozent.“Auch Johann Böck machte sich angesichts der Bilder aus Italien, wo Konvois Leichen aus Kliniken abtransportieren, Gedanken. Wo sollte man die Toten noch hinbringen, wenn Krematorien und Kühlung überlastet sind? Letzten Endes hatte er aber nicht mehr Sterbefälle als 2019 zu betreuen.
Während des ersten Lockdowns durften maximal zwölf Personen auf den Friedhof, ein Gottesdienst fand nicht statt. Jetzt dürfen die Besucher einer Beerdigung wieder ohne begrenzte
„Wenn das wegfällt, fühlen sie sich alleingelassen.“
Für Angehörige sei die Zeit vor der Beerdigung schwer
Teilnehmerzahl mit Mindestabstand auf den Friedhof, auch ein Gottesdienst findet wieder statt. Generell seien die Menschen aber sehr zurückhaltend, sagt Johann Böck. Die Bestimmungen tun ihr Übriges: „Schon wieder der Schmarrn, i geh bald nimmer hin“, so reagierte eine ältere Frau auf die Liste mit Namen, Sitzplatz und Kontaktdaten, die die Besucher beim Requiem ausfüllen mussten.
Der Bestatter trifft auch Angehörige einige Monate nach der Beerdigung. „Einige sind tieftraurig und nicht darüber hinweggekommen, andere haben schon einen neuen Lebenspartner.“Manche Angehörige würden sich ärgern, wenn der Großvater wegen einer anderen Krankheit in die Klinik kam und dann an Covid-19 verstarb. Generell reagierten die Angehörigen aber eher „gefasst“, sagt Johann Böck. Für die Angehörigen sei die Zeit vor der Beerdigung am schwersten: „Wenn sie nicht ins Heim dürfen.“Sich nicht vom Verstorbenen verabschieden zu können, sei das Schlimmste, erzählen ihm seine Kunden.