Ein Dorf wird reich
Wie eine hessische Kommune plötzlich ein Vermögen erbte
Allen, die noch an das Märchen von Leistungsgerechtigkeit glauben sollten, seien vorab gewarnt: Wer in Deutschland reich oder sehr reich ist, muss dafür selten selbst einen Finger krümmen. Denn häufig sind es Erbschaften oder Schenkungen, die den Vermögen zugrunde liegen.
Eine derart vorgezogene Weihnachtsbescherung erlebt jetzt auch die im mittelhessischen Lahn-DillKreis liegende Gemeinde Waldsolms. 4377 Einwohner leben in diesem Zusammenschluss mehrerer kleiner Dörfer im hinteren Taunus, nahezu schuldenfrei und weitgehend unbeobachtet vom Rest der Republik – bis, ja bis ein reiches
Ehepaar Waldsolms sein komplettes Vermögen von mehr als 6,2 Millionen Euro vererbte. „Wenn ein Dorf plötzlich reich wird“, staunte sogar die Frankfurter Allgemeine Zeitung.
So ein unvermutetes Erbe kann einen Bürgermeister schon mal in euphorische Stimmung versetzen. Und so scherzte Bernd Heine im Waldsolmser Rathaus: „Wir bauen eine U-BahnStation, mit Direktverbindung nach Frankfurt.“
Seit gut einer Woche wissen Heine und die Einwohner von Waldsolms, dass sie neureich sind. Oder zumindest, dass ihre Gemeinde Multimillionärin
ist, als Erbin eines großen, breit gestreuten Aktiendepots samt Haus und 4000 Quadratmeter großem Grundstück. Vererbt haben es ihr ein ehemaliger Börsenmakler und seine Gattin, die zurückgezogen und bescheiden in einem Haus am Waldrand gelebt haben. Der Gemeindehaushalt, das nur nebenbei, beträgt im laufenden Jahr rund zehn Millionen Euro.
Dass Kommunen oder die Kirchen von Menschen als Erben eingesetzt werden, kommt übrigens gar nicht so selten vor: Auch die Gemeinde Friesenried im Ostallgäu hat im vergangenen Sommer fast eine Million Euro geerbt.