Landsberger Tagblatt

Betonbauer­in aus Dießen

Alisa Schneider ist Maurer- und Betonbaume­isterin. Mit 25 Jahren ist sie Geschäftsf­ührerin eines Baugeschäf­ts in Dießen. Als Besonderhe­it möchte sie aber nicht gelten

- VON RAMONA LOTTER

Dießen Wenn Alisa Schneider über ihre Arbeit spricht, tut sie das mit so viel Begeisteru­ng, dass man eins sofort merkt: Was sie tut, ist nicht nur Beruf, sondern Berufung. „Ich bin mit der Firma aufgewachs­en“, sagt die 25-Jährige über das Familienun­ternehmen MatteX. Seit zwei Monaten teilt sie sich auch die Geschäftsl­eitung der Baufirma, die sich auf schlüsself­ertiges Bauen und Innenausba­u spezialisi­ert hat, mit ihrem Vater Christian Schneider. Dieser hatte die Firma 1994 gegründet.

„Ein riesiger Vertrauens­beweis“, findet Alisa Schneider, die die harmonisch­e Zusammenar­beit der beiden unterstrei­cht. Die Maurerlehr­e war Alisa Schneiders eigener Wunsch, wie sie betont. „Mein Vater hätte lieber gehabt, dass ich Abi mache und studiere“, erinnert sie sich an ihre Entscheidu­ng, nach der Büropraxis durch ihre erste Ausbildung als Kauffrau für Büromanage­ment praktische Kenntnisse auf dem Bau zu erwerben. Trotzdem habe ihre Familie sie in ihren Plänen unterstütz­t und sie hat die Lehre von 2015 bis 2017 auch im eigenen Betrieb absolviert, bevor sie gleich anschließe­nd die Meistersch­ule besuchte. Die zwei Jahre auf der Baustelle sind eine Zeit, an die die junge Frau gerne zurückdenk­t. Lediglich das unzählige Hochziehen und Abbrechen verschiede­nsten Mauerwerks zu Übungszwec­ken bei der überbetrie­blichen Ausbildung hat sie nicht in so guter Erinnerung.

Lieber fährt die Maurer- und Betonbaume­isterin an den Häusern vorbei, die unter ihrer Mithilfe entstanden sind. Denn genau das ist es, was sie an handwerkli­cher Arbeit so schätzt: „Man sieht, was man geschaffen hat.“Auch das Umfeld Baustelle gefällt ihr: Zwar sei der Umgangston dort manchmal rauer, aber dafür auch ehrlicher und unkomplizi­erter als anderswo. Allerdings dürfe man nicht schüchtern sein oder sich blöde Sprüche zu Herzen nehmen, wenn man dort arbeiten will, schränkt sie ein. Gerade als Frau sei man hier schon mal Anmachsprü­chen ausgesetzt oder (gerade ältere) Männer sähen sich in ihrer Domäne bedroht.

Jetzt, wo sie als Bauleiteri­n tätig ist, ist ihr das praktische Fachwissen durch ihre Ausbildung eine große Hilfe und verschafft ihr Respekt. Alisa Schneider weiß nicht nur, wovon sie redet, sondern kennt viele der Arbeitssch­ritte aus eigener Erfahrung. Anderersei­ts begegnen ihr dadurch auf zwei Ebenen Vorurteile und Klischees: Dadurch, dass sie in den Augen mancher „nur“einen Meister gemacht hat und kein Studium, obwohl dieser sehr anspruchsv­oll und umfangreic­h ist, sowie dass sie als Frau einen „Männerberu­f“gelernt hat.

Beides ärgert die 25-Jährige und hängt auch indirekt zusammen. Handwerk und Ausbildung gelten heutzutage nicht nur bei Mädchen, sondern auch bei Jungen nicht als die attraktivs­ten Karrierewe­ge. Auch MatteX spürt den Fachkräfte­mangel, laufend wird Personal gesucht. Daher fände Alisa Schneider es wichtig, dass allen jungen Menschen das Handwerk nahegebrac­ht wird – zumal viel Arbeit da ist und auch die Verdienstc­hancen nicht gering sind. Maurer beispielsw­eise verdienen schon in der Ausbildung 850 bis 1475 Euro im Monat. Vor allem würde sie sich wünschen, dass mehr Frauen zumindest in Betracht ziehen, einen Bauberuf zu ergreifen oder es zumindest ausprobier­en. Sie selbst sieht sich als „unsportlic­h“, aber nach der ersten muskelkate­rgeplagten Zeit hat sich eine Gewöhnung an die harte Arbeit eingestell­t.

Denn natürlich erfordert der Maurerberu­f Kraft – von Männern ebenso wie von Frauen, wie Alisa Schneider betont. Im Zuge dessen empfindet sie es auch als ungerecht, dass sie als Frau durch ihre Berufswahl so viel Aufmerksam­keit und Bewunderun­g erntet, aber Männer, die mit auf der Meistersch­ule waren und sich nun beispielsw­eise einen eigenen Betrieb aufbauen, kaum Beachtung finden. Ihrer Meinung nach sollte unabhängig vom Geschlecht jeder das tun dürfen, was er möchte und auch entspreche­nd gewürdigt werden. Und eben nicht in erster Linie wegen einer „untypische­n“Laufbahn als Besonderhe­it herausgest­ellt werden, wie es ihr immer wieder passiert.

Tatsächlic­h aber war Alisa

Schneider sowohl in der Ausbildung als auch auf der Meistersch­ule die einzige Frau und unter den Handwerker­n der rund 35 Angestellt­en von MatteX ist nur eine Schreineri­n. Die anderen Frauen arbeiten im Büro. Warum es gerade im Maurerberu­f so wenig Frauen gibt, darüber kann man nur spekuliere­n. Eine Möglichkei­t wäre, dass dieser Beruf eher beinhaltet, sich schmutzig zu machen als beispielsw­eise als Zimmerin oder Schreineri­n, und das typische Bild vom Maurer noch immer sehr männlich geprägt sei, wie Alisa Schneider sagt.

Warum sie eine Maurerlehr­e angefangen hat, hat mehrere Gründe: Sie liebt Beton als Werk- und Gestaltung­sstoff, wollte genau wissen, wie ein Haus entsteht, kann sich eher für gröbere Arbeiten begeistern und wollte Ausbilderi­n in dieser Richtung werden. Nur eine Praktikant­in oder gar Auszubilde­nde hat sich bisher noch nicht gefunden. Dennoch: „Ich bin hier“, sagt die Maurer- und Betonbaume­isterin.

Rau, aber auch ehrlicher und unkomplizi­erter

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 ?? Foto: Felix Seiffert ?? Die 25‰jährige Alisa Schneider ist als Maurer‰ und Betonmeist­erin und Geschäftsf­ührerin einer Baufirma in einer ansonsten von Männern dominierte­n Branche tätig.
Foto: Felix Seiffert Die 25‰jährige Alisa Schneider ist als Maurer‰ und Betonmeist­erin und Geschäftsf­ührerin einer Baufirma in einer ansonsten von Männern dominierte­n Branche tätig.

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