Landsberger Tagblatt

Wolff greift weiter an

Vor dem Abflug der deutschen Mannschaft nach Ägypten erneuert der Torhüter seine Kritik an den Kollegen, die wegen der Corona-Pandemie absagten

- VON MARC STEVERMÜER

Köln Nicht selten kommt es darauf an, wie jemand etwas sagt. In diesen Augenblick­en sind die Feinheiten, die Nuancen entscheide­nd. Das kann ein einzelnes Wort sein. Oder ein Satz, der nicht zwangsläuf­ig direkt, aber eben zwischen den Zeilen als kleine und klug formuliert­e Stichelei verstanden werden kann. Vielleicht auch verstanden werden soll. Das ist Interpreta­tionssache. Der deutsche Handball-Nationalto­rwart Andreas Wolff feierte am Sonntag nach dem 34:20-Sieg in der EM-Qualifikat­ion über Österreich die Defensivle­istung des Teams. Und zwar derart überschwän­glich, dass man zwischenze­itlich meinen musste, die DHB-Auswahl hätte zu Null gewonnen.

Der selbst überragend spielende Keeper sprach nicht von „der Ab

sondern „meiner Abwehr“. Und der Schlussman­n sagte auch nicht „die Jungs“, sondern „meine Jungs“, was keinesfall­s daran liegt, dass er irgendjema­nden aus dem Team adoptiert hat. Vielmehr hat der Torwart seine „Jungs“ganz fest in sein Herz geschlosse­n, weil sie so sehr in der Deckung ackern.

Das gilt im Speziellen für Johannes Golla und Sebastian Firnhaber, die den neuen Innenblock bilden, weil das ansonsten gesetzte Weltklasse-Duo mit Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek freiwillig auf das Turnier verzichtet. Was Wolff übrigens ziemlich ärgert. Anders lässt sich ja kaum erklären, dass er die beiden Profis des THW Kiel und deren Klub-Kollegen Steffen Weinhold in der vergangene­n Woche bemerkensw­ert scharf für ihre WMAbsagen abkanzelte.

Das Trio hatte familiäre Gründe in der Corona-Pandemie als Begründung angeführt, was Wolff am Montag im Kicker erneut kritisiert­e. Wenn auch deutlich gemäßigter: „Der Deutsche Handballbu­nd hat immer gesagt, dass man die Entscheidu­ngen akzeptiert, und so handhabe ich es auch. Aber wenn man sieht, dass andere Nationen mit voller Kapelle anreisen und keine derartigen Absagen haben, könnte man etwas sarkastisc­h schon behaupten, dass andere Spieler wohl besser in der Lage sind, ihre kurzzeitig­e Abwesenhei­t zu organisier­en.“Direkt nach dem Abpfiff in Köln wollte der Torwart das Thema nicht weiter vertiefen. Er lobte stattdesse­n ganz einfach die Neuen, was an eine Szene aus dem WM-Hotel im französisc­hen Rouen im Januar 2017 erinnerte. Damals wurde der 29-Jährige nach seiner Beziehung zu Torwart-Rivale Silvio Heiwehr“, nevetter, bekannterm­aßen ebenfalls Typ Alfa-Tier mit ausgeprägt­em Ego, gefragt. In seiner Antwort ließ Wolff dann wissen, wie sehr er mit Carsten Lichtlein seinen Kollegen von der EM 2016 vermisse. Womit alles gesagt war.

Genauso wie am Sonntag, als die Leistung seiner neuen „Jungs fantastisc­h und außergewöh­nlich“gewesen sei. Allerdings gegen Österreich, den 19. der WM 2019, was bei all den Superlativ­en zur Einordnung doch besser erwähnt werden sollte. Wolff war sich trotzdem sicher, dass „meine Jungs“mit dieser DefensivLe­istung „jede Mannschaft der Welt vor Probleme gestellt hätten“.

Nun konnte gegen die AustriaAus­wahl nicht das Gegenteil bewiesen werden. Ziemlich sicher wird Wolffs steile These in den nächsten Wochen bei der WM aber auf ihren Wahrheitsg­ehalt überprüft. einmal den Ball aufpumpen, aber für die Handballer bedeutet der Vertrag einen Quantenspr­ung.

Die am Mittwoch beginnende WM sollte der prunkvolle Höhepunkt seiner fast 21 Jahre währenden IHF-Regentscha­ft sein. Ein wenig vom Glanz des Tutanchamu­n sollte auf die Handballer fallen, die den Matchplan jedoch änderten. Moustafa wollte eine 20-prozentige Hallen-Auslastung retten, um dem Fernsehen schönere Bilder zu liefern. Wahnsinn – ein Turnier mit 32 Mannschaft­en aus aller Herren Länder auf dem Höhepunkt der Pandemie, noch dazu mit Zuschauern.

Da schrien selbst die schmerzres­istenten Handballer auf. Kapitäne von 14 europäisch­en Mannschaft­en, darunter Johannes Bitter und Uwe Gensheimer aus Deutschlan­d, hatten einen Brief an den IHF-Chef formuliert. Sie wollten keine schlechten Vorbilder sein oder schiefe Bilder liefern. Der Pharao lenkte zähneknirs­chend ein. Dennoch bleiben sie seltsam – die Spiele des Re im Schatten der Pyramiden von Gizeh.

 ?? Foto: Christina Pahnke, Sampics ?? Gelungene WM‰Generalpro­be: Torhüter Andreas Wolff und die deutsche Mannschaft besiegten Österreich mit 34:20 und reisen mit Selbstvert­rauen zum Turnier nach Nord‰ afrika.
Foto: Christina Pahnke, Sampics Gelungene WM‰Generalpro­be: Torhüter Andreas Wolff und die deutsche Mannschaft besiegten Österreich mit 34:20 und reisen mit Selbstvert­rauen zum Turnier nach Nord‰ afrika.

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