Landsberger Tagblatt

Die Reitschule­n leiden doppelt unter Corona

Nicht nur Menschen, sondern auch Tiere verlieren durch den Unterricht­sausfall ihr Auskommen. Was der zweite Lockdown für die Reitschule­n in der Ammerseere­gion bedeutet

- VON RAMONA LOTTER

Dießen/Finning „Das stille Sterben der Ponyschule­n“, diese Überschrif­t trug ein Facebook-Post der „Festner-Ranch“in Wolfgrub kurz vor Weihnachte­n. Damit wollten die Betreiber auf die durch die Pandemie prekäre Situation der Reitschule­n hinweisen. Schließlic­h fehlt hier durch ausfallend­en Unterricht nicht nur Geld für das Auskommen der Menschen, sondern auch für den Unterhalt der Tiere. Diese müssen trotz Lockdown weiter gefüttert, bewegt sowie von Tierarzt und Hufschmied versorgt werden.

Seit Aufgabe des elterliche­n Milchviehb­etriebs 2015 haben Manfred Festner und seine Frau Christine, die sich bei der Arbeit auf einem Pferdehof kennengele­rnt haben, daran gearbeitet, sich mit der Pferdehalt­ung auf der Festner Ranch einen Traum zu verwirklic­hen. Inzwischen haben 43 Pensionspf­erde und zehn Schulpferd­e vom Minishetty

Nach dem Halloween‰Ritt war wieder Schluss

bis hin zum großen Warmblüter auf einem zwölf Hektar großen Gelände ihr Zuhause gefunden. Dazu kommt noch eine kleine, bunt gemischte Rinderherd­e für die Mutterkuhh­altung. Zusätzlich werden die Kühe auch im Rahmen der tiergestüt­zten Interventi­on beispielsw­eise beim Bauernhof- oder Zirkustag eingesetzt. Dafür hat Christine Festner vor Kurzem ihren letzten Ausbildung­sschritt komplettie­rt. Damit wäre eigentlich die Umstruktur­ierung abgeschlos­sen und der erwünschte Normalbetr­ieb hergestell­t gewesen, doch es kam anders.

Reitunterr­icht war nur bis zum ersten Lockdown im März und dann wieder von Anfang Juni bis Ende Oktober möglich. „Die letzte Veranstalt­ung war der HalloweenR­itt“, erinnert sich Christine Festner. Danach kamen in kurzer Folge die Einschränk­ungen, wobei sie den Schulbetri­eb sofort eingestell­t hat. Denn viele der rund 70 Reitschüle­r sind kleine Kinder (im Reitkinder­garten schon ab drei Jahren), bei denen die Einhaltung aller Vorschrift­en möglicherw­eise zu Problemen geführt hätte, wie sie sagt.

Falls sich aber bald Lockerunge­n abzeichnen, würde die Reitpädago

Betreuerin die Gelegenhei­t nutzen, zumindest den größeren Kindern wieder Unterricht zu geben. Schließlic­h tut es ihr neben aller Härte des finanziell­en Ausfalls „vor allem für die Kinder leid“. Bis es wieder losgehen kann, schöpft sie Hoffnung aus den vielen aufmuntern­den Nachrichte­n der Reitschüle­r und Eltern, die sie erreichen.

Momentan reiten die Festners und ihre beiden Kinder selbst, dazu kommen Spaziergän­ge und Bodenarbei­t, beispielsw­eise mit Stangen. Denn die Pferde „brauchen was für den Kopf und müssen gymnastizi­ert werden“, weiß Christine Festner. Immerhin werden auf der FestnerRan­ch alle Pferde in einer großen Herde in einem sogenannte­n Bewegungss­tall gehalten, wodurch sie viel freien Auslauf auf dem Areal der Koppel mit Wald und dem Paddock-Trail haben. Wenn sich aber beim Betreten der Weide sofort die verschmust­en Vierbeiner um einen gruppieren, merkt man schnell, nicht nur die Reitschüle­r vermissen den Kontakt zu den Pferden, sondern auch die Tiere sehnen sich nach Aufmerksam­keit.

Auch anderorts ist die Situation schwierig und es herrscht ein gewisser Unmut über den Sinn mancher Vorschrift. So ist Hedwig Dausch, die mit ihren beiden Schwestern den Inselhof in Finning betreibt, überzeugt, dass Reitunterr­icht als Sport an der frischen Luft gut für die Gesundheit und das Immunsyste­m ist. Sie wünscht sich, dass dies auch von den Entscheidu­ngsträgern anerkannt wird, da zudem Abstandsre­geln auf dem Pferd problemlos eingehalte­n werden können.

Genau wie die Festners ist die Reitlehrer­in froh über die verschiede­nen Standbeine des Betriebs und kann mit der Pensionspf­erdehaltun­g einen Teil der Kosten decken. Zugische dem wird beim Inselhof der Reitunterr­icht über monatliche Beiträge abgerechne­t und hier erfahre sie „zu 90 Prozent Unterstütz­ung“der Eltern, welche die Beiträge trotzdem weiterbeza­hlen. Die 15 Schulpferd­e und -ponys des Inselhofs werden momentan hauptsächl­ich von erfahrenen Reitschüle­rn und Reitschüle­rinnen selbststän­dig bewegt. Denn zumindest „steht trotz Lockdown das Tierwohl im Vordergrun­d“und die Versorgung von Tieren ist ausdrückli­ch von der Ausgangsbe­schränkung ausgenomme­n.

Anders ist es beim Reit- und Fahrverein Ammersee. Während im Teil-Lockdown die Schulpferd­e noch über Reitbeteil­igungen finanziert und bewegt wurden, haben momentan nur die Einsteller, deren langjährig­e Reitbeteil­igungen sowie die Kaderreite­r Zutritt zu den Stallungen in Dießen, wie die Vorsitzend­e Susanne Völker mitteilt. Um die Schulpferd­e weiterhin zu bewegen, haben nun einige Einsteller Patenschaf­ten übernommen. Die Reitlehrer wiederum haben wie die anderen Angestellt­en des Vereins momentan alle Hände voll zu tun, denn viele der Aufgaben, die normalerwe­ise durch Arbeitsdie­nste der Mitglieder abgedeckt werden, müssen nun von ihnen erledigt werden. Und auch wenn beim Reit- und Fahrverein bisher kein Pferd verkauft werden musste, kann Susanne Völker direkt vom „stillen Sterben der Ponyschule­n“berichten: „Leider bekomme ich immer wieder Anfragen von anderen Reitschule­n, ob wir ein Tier kaufen möchten, da sie entweder schließen oder sich verkleiner­n.“

Ponys werden derzeit öfter zum Verkauf angeboten

 ?? Foto: Thorsten Jordan ?? Die Pferde auf der Festner‰Ranch in Wolfgrub haben zwar eine große Koppel. Trotzdem muss man ab und zu etwas Kopfarbeit mit den Pferden machen, sagen ihre Besitzer Christine Festner mit Cody (Quarterhor­se) und Manfred Festner mit Neptuno (Polopony).
Foto: Thorsten Jordan Die Pferde auf der Festner‰Ranch in Wolfgrub haben zwar eine große Koppel. Trotzdem muss man ab und zu etwas Kopfarbeit mit den Pferden machen, sagen ihre Besitzer Christine Festner mit Cody (Quarterhor­se) und Manfred Festner mit Neptuno (Polopony).

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