Landsberger Tagblatt

Bayern verteidigt Schulhohei­t trotz Corona‰Fiasko

Wegen des Chaos um die Schulen in Zeiten der Pandemie wird der Ruf laut, dass es der Bund richten soll

- VON ULI BACHMEIER UND CHRISTIAN GRIMM

München/Berlin Bayern sieht sich selbst als Bildungsmu­sterland, doch das Coronaviru­s erschütter­t dieses Selbstbild gerade massiv. Die eigene Lernplattf­orm Mebis ruckelt. Es fehlt an klaren Vorgaben, wann Schulen geschlosse­n werden und wann sie wieder öffnen dürfen. Schüler und Eltern sind gefrustet, weil sie das Gefühl haben, der Fernunterr­icht ähnelt mehr einer digitalen Notbetreuu­ng.

Bundesbild­ungsminist­erin Anja Karliczek (CDU) rüttelte wegen der schlagende­n Unfähigkei­t der Länder bei den Schulen in Zeiten der Pandemie an ihrer Allein-Zuständigk­eit für die Schulen. Norbert Röttgen, der vielleicht bald CDU-Vorsitzend­er ist, tat es ihr gleich. Die Bayerische Staatsregi­erung war sofort alarmiert und verteidigt­e ihre Hoheit über die Schulen. Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU): „Es ist immer sinnvoll, im Gespräch zu bleiben, aber an der föderalen Schul- und Bildungsar­chitektur zu schrauben, macht sicher keinen Sinn.“Für den CSU-Vorsitzend­en, der sich als härtesten Kämpfer gegen Corona inszeniert, ist das Chaos um die Schulen ein Problem. Sein Kultusmini­ster Michael Piazolo (Freie Wähler) bekam deshalb schon mehrfach öffentlich­e Rüffel von ihm. Piazolo tat es Söder gleich und wehrte sich gegen die Vorschläge, mehr Kompetenze­n bei der Bildung nach Berlin zu verlagern. „Jetzt in eine Grundsatzd­iskussion zu gehen, halte ich für falsch“, sagte der 61-Jährige. Bayern habe hohe Qualitätss­tandards, um die es andere Länder beneiden. Der Freistaat belegt seit Jahren fordere Ränge, wenn es um die Ausbildung der Schüler geht. Nur Sachsen schnitt in den Vergleichs­tests in den vergangene­n Jahren noch besser ab.

Bundesbild­ungsminist­erin Karliczek will das Schulmonop­ol der Länder nicht völlig schleifen, hält aber die bisherige Kleinstaat­erei für überlebt. „Das kann kein Zukunftsmo­dell sein“, sagte sie im Interview mit dem Nachrichte­nmagazin Der Spiegel. Bund und Länder müssen aus ihrer Sicht viel stärker zusammenar­beiten, damit neue Methoden und das Lernen zu Hause tatsächlic­h ein Erfolg werden können.

Das Grundgeset­z aber verbietet es, dass die Bundesregi­erung auf diesem Gebiet irgendetwa­s inhaltlich zu sagen hat. Der Bund allein kann – anders als bei den Hochschule­n – den Ländern nur Geld geben. Er tut das zum Beispiel mit Milliarden für schnelles Internet an den Schulen oder Laptops für Schüler und Lehrer. Die Mittel fließen aber nur zäh ab.

Der Bildungsfo­rscher Kai Maaz, Direktor des Leibniz-Instituts für Bildungsfo­rschung, warnt vor dem Glauben, dass alles gut würde, wenn nur der Bund die Zügel in die Hand bekäme. „Eine zentralist­ische Steuerung würde die Lage in der Schule nicht einfach so verbessern und auch nicht zur Lösung zentraler Probleme beitragen“, sagte er unserer Redaktion. Maaz kann sich zum Beispiel nicht vorstellen, dass eine Bundesbehö­rde besser entscheide­t, welche Schule jetzt öffnen darf oder welche jetzt geschlosse­n bleiben muss. Er hält es allerdings für überholt, dass jedes Land bei den Schulen sei eigenes Süppchen kocht, Beispiel Lernplattf­orm. „Nicht jedes Land hätte seine eigene entwickeln müssen“, meint Maaz. Er fordert, dass sich die 16 Kultusmini­ster jetzt auf ein Stufenmode­ll verständig­en sollten, ab welchen Infektions­werten Schulen schließen müssen und wann sie wieder öffnen können. „Eltern verstehen es schlicht nicht, warum ein Kind aus Darmstadt in die Grundschul­e gehen kann und eines aus Heidelberg nicht“, so der Bildungspr­ofessor. »Kommentar

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Symbolfoto: Armin Weigel, dpa Viele Schüler, Eltern und Lehrer sind frustriert, dass es derzeit in den Bundesländ­ern so unterschie­dlich in Sachen Schule läuft.

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