Die Sprache des Sports
Von Jungtürken und Spuckattacken – nehmen verbale Fehltritte in der Sportsprache zu?
Ein Ex-Nationalspieler zieht Vergleiche zwischen Herkunft und Disziplin eines Profis, dem Chef des bedeutendsten Fußballvereins des Landes wird die Verharmlosung von Rassismus vorgeworfen – und einer der bekanntesten Kommentatoren verwendet den Begriff „Jungtürken“. Hat der Sport ein Sprachproblem? Hat sich dieses zuletzt verstärkt? Fehlt manchem Protagonisten das Gefühl für das gesprochene Wort? Oder ist das Publikum heute einfach nur sensibler als noch vor Jahren?
„Es geht nicht darum zu sagen, dass Marcel Reif ein Rassist ist, aber er hat eine Redeweise verwendet, die rassistische Stereotype bedient. Und deshalb ist es problematisch und deshalb sind auch die Diskussionen darüber berechtigt“, sagt Simon Meier-Vieracker, Sprachwissenschaftler an der TU Dresden. „Auch wenn es nicht in seiner Absicht lag, so sind es gerade die Formen
von Rassismus, die einem unbewusst und unbeabsichtigt unterlaufen, bei denen wir als Gesellschaft einen Blick drauf haben sollten“, sagt der Professor für Angewandte Linguistik, der auch auf fussballlinguistik.de bloggt. Die Themen Sprache im Sport oder Sprache des Sports sind nicht neu – ganz im Gegenteil.
Und doch häuften sich in der jüngeren Vergangenheit Beispiele, die für Irritationen, Kopfschütteln oder Entsetzen sorgten. Am Sonntag sagte der langjährige Bundesliga-Experte und Moderator Marcel Reif in der Sendung Doppelpass des TVSenders Sport1 über Spieler von Borussia Dortmund: „Nach dem Spiel gegen Stuttgart gab’s ja die Herren Reus und Hummels, nicht etwa irgendwelche Jungtürken, sondern schon die Herren, um die es geht, die gesagt haben: ,Pass auf, wir sind eine Mannschaft, die kann nicht verteidigen‘.“In den sozialen Netzwerken
entwickelte sich eine Debatte um den von Reif verwendeten Begriff „Jungtürken“, der ihm zum Teil als Rassismus ausgelegt wurde.
Tags darauf verteidigte der Sender Reif. „Dieser Begriff war zu keinem Zeitpunkt rassistisch gemeint gewesen. Das hat Marcel Reif in der Sendung auch noch einmal explizit klargestellt“, sagte Sport1-Chefredakteur Pit Gottschalk. „Grundsätzlich distanzieren wir uns wie auch unser Partner Check24 klar und deutlich von allem rassistischen Gedankengut“, betonte er. Der Namenssponsor der Sendung hatte ein Gespräch mit dem Sender angekündigt. „Es tut uns sehr leid, dass es zu diesen Aussagen gekommen ist“, sagte eine Sprecherin des Vergleichsportals.
Reif sagte, er empfinde die Aufregung um seine Aussagen als „absurd“. „Ich bedaure, dass jemand vielleicht in seinen Gefühlen verletzt wurde, aber der sollte bitte genau hinhören und sich erkundigen, was das heißt. Dann müsste es ihm wieder gut gehen“, sagte der 71-Jährige. Der Duden schreibt zum Begriff Jungtürke: „Mitglied einer politischen Bewegung im Osmanischen Reich; auch scherzhaft für junger Reformpolitiker“. Noch während der Sendung hatte Reif gesagt: „Ich gebe zu, dass ich das Wort Jungtürken manchmal im Sprachgebrauch habe. Aber ist da ein rassistischer Unterton? Helft mir mal bitte, falls ich da etwas verpasst habe.“
Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge äußerte sich kurz vor Weihnachten im „Doppelpass“zu der Spuckattacke des Gladbachers Marcus Thuram gegen den Hoffenheimer Stefan Posch. „Ich habe mich gefragt, was wäre eigentlich passiert, wenn es umgekehrt passiert wäre, der Posch den Thuram bespuckt hätte – dann hätten wir wieder eine Rassismus-Debatte, oder was?“, sagte der Vorstandsvorsitzende
des FC Bayern München. Rummenigge wurde vorgeworfen, Rassismus damit zu verharmlosen. Auf die Frage, ob sich die Moderatoren-Ausbildung in den vergangenen Jahren verändert habe und ob es einen stärkeren Fokus darauf gebe, die Moderatoren für homophob, rassistisch oder sexistisch zu interpretierende Bemerkungen zu sensibilisieren, sagt Gottschalk: „Es ist oberste Maxime unserer journalistischen Arbeit, dass wir auf unserer Sportplattform keinen Platz für rassistische oder in irgendeiner Form diskriminierende Aussagen bieten.“Die Moderatorinnen und Moderatoren seien „sensibilisiert, auch auf Äußerungen von Gästen in laufenden Sendungen zu reagieren – auch wenn diese nur einen Interpretationsspielraum zulassen – um diese Äußerungen richtig einzuordnen und Stellung zu beziehen“, sagt Gottschalk. »Randbemerkung