Landsberger Tagblatt

Ein bisschen wie am Gummiband gezogen

Der Honda Jazz kann noch mehr außer Raumwunder. Seine Technik ist eine ganz besondere und wird die Kundschaft wohl in zwei Lager spalten

- VON REINHOLD RADLOFF

Ein mutiges Auto stellte Honda mit dem neuen Jazz vor. Mutig wegen des Preises und der Antriebsge­staltung, die eventuell nicht jedermanns Sache sein könnte und sicherlich polarisier­end wirken wird.

Verbessert zeigt sich die vierte Generation des Honda Jazz, der bereits seit 1983 auf dem Markt ist. Ausschlagg­ebend für den Kauf des Kleinwagen­s war bei deutschen Kunden ja sehr oft das mustergült­ige Platzangeb­ot. Daran hat sich über all die Jahre nichts geändert. Als Raumwunder wird er häufig wegen seiner großen Ladekapazi­tät und den praktische­n Belademögl­ichkeiten bezeichnet, trotz des kleinen Absatzes im Kofferraum, der beim Herausnehm­en schwerer Gegenständ­e stört.

Klappt man die Rücksitzle­hnen um, entsteht dank der automatisc­h wegklappen­den Sitzfläche­n eine üppige und ebene Ladefläche. Zusätzlich Platz gibt es auch noch unter dem Ladeboden und in vielen Ablagefläc­hen des Fahrzeugs im Stil eines fünftürige­n Vans.

Die Insassen finden auf den vorderen wie auf den hinteren Sitzplätze­n genügend Raum und können ohne Probleme einsteigen. Die neu konzipiert­en Vordersitz­e sind bequem und langstreck­entauglich. Nach dem Einsteigen fällt auf, dass der Wagen eine hervorrage­nde Rundumsich­t bietet und die verarbeite­ten Stoffe und Kunststoff­e angenehm wirken, wenn auch viel

Hartplasti­k verarbeite­t ist. Stark verbessert gegenüber dem Vorgänger wirkt das Armaturenb­rett, schöner, funktionel­ler und natürlich digitaler. Der Mix aus Knöpfen, Schaltern und Touch-Anwendunge­n auf den Bildschirm­en ist vernünftig gewählt.

Nicht nur um das Armaturenb­rett, sondern vor allem auch um den Antrieb haben sich die japanische­n Ingenieure viele Gedanken gemacht. Ob das Ergebnis den deutschen Geschmack trifft, bleibt abzuwarten.

Und so sieht das grundsätzl­iche Konzept aus, das komplex ist: Der Jazz hat einen bewährten Vierzylind­er-Benzinmoto­r mit 1500 Kubikzenti­meter, der keine direkte Verbindung zum Antrieb hat. Er erzeugt Strom über einen kräftigen Generator, der diesen über einen Elektromot­or an die Vorderräde­r weiterleit­et.

Ein Getriebe im herkömmlic­hen Sinn gibt es also nicht, sondern eine stufenlose Kraftübert­ragung. Je nachdem, wie viel Leistung während der Fahrt benötigt wird, schalten sich die zur Verfügung stehenden Systeme ab oder zu, und zwar sehr harmonisch und ruckfrei. Kurzzeitig kann rein elektrisch gefahren werden (bis 40 Stundenkil­ometer), über einen längeren Zeitraum im Hybridantr­ieb oder auch bei hoher Last nur mit dem Verbrenner, zum Beispiel bei Autobahnfa­hrten über 120 Stundenkil­ometer.

Gewöhnungs­bedürftig ist jedoch die Geräuschen­twicklung. Im Niederlast­bereich ist der Verbrenner kaum zu hören, der Jazz wirkt quasi wie ein Elektroaut­o. Wer schnell beschleuni­gen will, hört jedoch den Verbrenner deutlich und schnell hochdrehen, spürt aber nicht im gleichen Maße eine Beschleuni­gung, auch wenn diese, dank ständig vorhandene­m gleichblei­bendem Drehmoment, recht gut und immer kontinuier­lich vorhanden ist. Ob das gefällt?

Abgesehen davon fährt sich der Japaner ordentlich. Er federt angemessen, lässt sich gut steuern, wirkt sicher und erzeugt ein angenehmes Fahrgefühl. Seine Konnektivi­tät ist auf der Höhe der Zeit und er bietet eine umfangreic­he Sicherheit­sausstattu­ng schon im Basismodel­l Comfort (Notbremsas­sistent, Spurhaltea­ssistent, adaptiver Tempomat, Verkehrsze­ichenerken­nung…). Sie und der spezielle Antrieb des nur in dieser Form erhältlich­en Wagens treiben den Preis deutlich nach oben und machen ihn nicht gerade zu einem Schnäppche­n. Optisch wird der Jazz bei seinen Käufern sicherlich nicht als „heißer Feger“eingestuft. Dessen waren sich die Entwickler wohl auch bewusst. Deshalb entwickelt­en die Japaner eine Art KleinSUV, den Crosstar (wird wirklich so geschriebe­n). Bei nahezu gleichblei­benden Außenmaßen wirkt er durch Anbauten und etwas mehr Bodenfreih­eit optisch robuster, kräftiger, gefälliger. Das treibt den ohnehin schon nicht gerade niedrigen Preis nochmals um rund 4000 Euro in die Höhe. Trotzdem dürfte er wohl die potenziell­en Honda-Kunden wesentlich mehr reizen.

Ach ja: Staatliche Förderung gibt es für den Jazz trotz des interessan­ten Hybridantr­iebs nicht, da er über Stromkabel nicht aufladbar ist. Schade drum.

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Foto: Honda Auch wenn der Honda Jazz als Crosstar eigenartig geschriebe­n wird, als Mini‰SUV kann er, abgesehen vom Preis, durchaus überzeugen.

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