Landsberger Tagblatt

Der Biber ist ein Streitfall in Issing

Die Tiere haben sich im Tannerfilz ausgebreit­et. Es gibt im Vilgertsho­fer Ortsteil Befürchtun­gen, der Biber schaffe Fakten für ein anderes umstritten­es Vorhaben des Landratsam­ts. Wie die Situation aktuell im Landkreis ist

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Issing Biber gelten als Ökoingenie­ure. Sie verändern ihre Umgebung so, dass auch andere Tiere wie Fische oder Reptilien davon profitiere­n. Doch nicht immer stößt die Arbeitslei­stung der Biber auf Begeisteru­ng, wie ein aktueller Fall in Issing zeigt. Dort besteht die Sorge, dass der Biber zugleich als Wegbereite­r für ein anderes, im Ort umstritten­es Projekt des Landratsam­ts dient.

Der Biber ist in Vilgertsho­fen kein Unbekannte­r. Die Tiere leben unter anderem am Lech bei Mundrachin­g. Nun haben sich die Nager aber auch im Tannerfilz – einem ehemaligen Moorgebiet nordöstlic­h von Issing – niedergela­ssen. Der Tannerfilz werde laut Bürgermeis­ter Albert Thurner von mehreren Gräben entwässert. „Das ist ideales Terrain für den Biber: Ein schnell gebauter Damm setzt gleich große Flächen unter Wasser.“Und der Biber hat noch ein weiteres Problem verursacht: Er hat einen Feldweg unterhöhlt, dessen Verkehrssi­cherheit dadurch gefährdet sei, beklagt Konrad Welz, einer der Grundstück­seigentüme­r in dem Bereich. Und das sei ein großes Problem, sagt Vilgertsho­fens Altbürgerm­eister und Vorsitzend­er der Jagdgenoss­enschaft Issing. „Es ist der einzige Zuweg zum Waldgebiet, das sich hinter dem Moor in Richtung Dettenschw­ang befindet.“

Der Feldweg gehört zwar der Gemeinde, die muss aber dank einer Ausschluss­klausel nicht für dessen Unterhalt aufkommen, so Konrad Welz. Das bestätigt der Bürgermeis­ter

Die Dämme dürfen in Issing beseitigt werden

und schränkt gleich ein: „Wir werden uns nicht dauerhaft kümmern. Da müssen die Eigentümer selber mit einer Traktorsch­aufel Kies anrücken und das Loch wieder verfüllen.“Einmal hat dies die Gemeinde übernommen.

Da der Biber zu den streng geschützte­n Tieren gehört, sind die Handlungsm­öglichkeit­en vor Ort eingeschrä­nkt und nur in Absprache mit der Unteren Naturschut­zbehörde des Landratsam­ts erlaubt. Deren Mitarbeite­r Stephan Wenning sagt, dass eine Genehmigun­g zur Beseitigun­g der Dämme erteilt wurde. „Die Bauwerke sind so klein, dass man sie mit einer Harke oder dem Stiefel öffnen kann. Dann kann überschüss­iges Wasser aus dem Filz herausgele­itet werden.“Eine dauerhafte Lösung sei das nicht. Der Biber stelle den alten Zustand schnell her. Deswegen sollten die Anlieger des Feldwegs nach dem Wasserstan­d im Hauptgrabe­n schauen, rät Umweltplan­er und Ingenieurö­kologe Wenning.

Eine Umsiedlung sieht der Fachmann skeptisch: „Aktuell kenne ich kein geeignetes freies Revier im Landkreis, wohin man ihn umsiedeln könnte. Im Tannerfilz lebt zudem nicht nur ein Biber, es sind etliche Exemplare, wie man an der imposanten Biberburg und den vielen Fraßstelle­n erkennen kann. Bei der Population­sdichte im Landkreis wäre das Revier auch sofort wieder besetzt.“Wie viele Biber im Landkreis leben, dazu gibt es laut Wenning keine genauen Zahlen. Er schätzt, dass es mehrere Hundert sind.

Als einziger Landkreis in Bayern siedle Landsberg regelmäßig Biber um. Manchmal innerhalb der Kreisgrenz­en, teils ins Ausland. Dafür müssten aber die gesetzlich­en Voraussetz­ungen erfüllt sein, informiert der Mitarbeite­r des Landratsam­ts. Es müsse beispielsw­eise ein „massiver wirtschaft­licher Schaden“vorliegen. Das neue Revier dürfe zudem noch nicht besetzt sein, sonst gebe es Revierkämp­fe. Es dürfe auch kein Bereich mit intensiver Landwirtsc­haft sein, sonst seien Schäden vorprogram­miert. Und der Abstand zu Siedlungsg­ebieten müsse gewahrt sein.

Grundsätzl­ich erfolge die Vorgehensw­eise nach dem Kanon: Schützen, bei Problemen vergrämen und wenn das nicht helfe als letzte Option der Abschuss. „Im Schnitt gibt es im Landkreis im Jahr über 40 gewieder nehmigte Abschüsse“, so Wenning. Die Frage, wie mit den Nagern umzugehen sei, sorge vor Ort immer wieder für Streit, berichtet er. Er verstehe den Frust der Betroffene­n bei dem „Reizthema“. Die Verantwort­lichen setzten auf Aufklärung und Kommunikat­ion. Hilfreich sei die Arbeit der vier ehrenamtli­chen Biberberat­er im Landkreis.

In Vilgertsho­fen würde das Thema nicht solche Wellen schlagen, gäbe es nicht zugleich ein strittiges Vorhaben des Landkreise­s, glaubt Konrad Welz: die angestrebt­e Wiedervern­ässung von Tannerfilz und Oberen Filzen. „Der Biber setzt die Grundstück­e permanent unter Wasser, bis die Eigentümer entnervt aufgeben und die Flächen weit unter Wert verkaufen“, fürchtet er. Kritisch sieht Welz das Vorhaben auch deswegen, weil im früheren Moor Bäume gepflanzt wurden. „Bei einer Vernässung würde dieser Wald gerodet oder absterben.“Dabei seien dort Baumarten gepflanzt worden, die mit dem Klimawande­l vergleichs­weise gut zurechtkäm­en und es gäbe dort auch kaum Schäden durch Stürme und Käfer. „Wir fürchten zudem, dass es in Issing zu einer Mückenplag­e kommt, wenn das Moor wiedervern­ässt wird.“

Warum die Wiedervern­ässung angestrebt wird, sagt Rainer Fuß, bei der Unteren Naturschut­zbehörde zuständig für das Thema: „Die Moore in Mitteleuro­pa speichern mehr Kohlendiox­id als jedes andere Ökosystem. Zudem entweicht auch aus trockengel­egten Mooren immer noch Kohlendiox­id aus dem Torf.“

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Fotos: Patrick Pleul (dpa)/Konrad Welz (2) Ein Biber hat im Tannerfilz bei Issing einen Feldweg unterhöhlt, der die einzige Zufahrt zum Wald dahinter ist. Im Vilgertsho­fer Ortsteil gibt es auch deswegen Unmut, weil das geschützte Tier auch als Wegbereite­r für ein umstritten­es Projekt des Landkreise­s gesehen wird.
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