Landsberger Tagblatt

Als die Amerikaner in Penzing das Sagen hatten

LT-Mitarbeite­r Momentan ist im Fliegerhor­st Penzing das Corona-Impfzentru­m untergebra­cht. Alwin Reiter erinnert sich an die Anfangszei­ten – und das aus sehr persönlich­er Sicht

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Derzeit wird darüber verhandelt, wie das Gelände des Fliegerhor­sts Penzing künftig genutzt wird. Damit wird ein weiteres Kapitel in der Geschichte dieser historisch­en Einrichtun­g aufgeschla­gen. LT-Mitarbeite­r Alwin Reiter hat auf die Anfänge nach dem Zweiten Weltkrieg zurückgebl­ickt – und das aus einer sehr persönlich­en Sicht.

Penzing Was wird aus dem Fliegerhor­st Penzing? Diese Frage beschäftig­t Alwin Reiter sehr – schließlic­h verbinden ihn mit dem Gelände und dem Geschehen dort viele ganz persönlich­e Erinnerung­en: Nicht nur sein Vater war dort beschäftig­t, auch er hat seinen Wehrdienst in Penzing verbracht. Und nicht nur deshalb hat er in der Geschichte des militärisc­hen Stützpunkt­s gegraben.

„Als die Amerikaner 1945 den Fliegerhor­st übernahmen, war er ein einziger großer Schrottpla­tz.“Das weiß Reiter aus der Literatur – und von den Erzählunge­n seines Vaters, der zwar erst später, aber noch unter den Amerikaner­n dort gearbeitet hatte. „Alle zweimotori­gen Flugzeuge dort wurden verschrott­et, da dies billiger war, als wenn sie erst nach Amerika zurückgefl­ogen worden wären“, sagt Reiter. Schließlic­h waren diese Maschinen ausschließ­lich für den Krieg gebaut worden.

„Bei allen abgestellt­en Flugzeugen wurde das Bugfahrwer­k abgespreng­t, wodurch die Maschinen fluguntaug­lich wurden“, hat Reiter herausgefu­nden. Derzeit laufen ja Untersuchu­ngen auf dem Gelände, da von einer Verseuchun­g durch Enteisungs­mittel ausgegange­n wird, „aber ich möchte nicht wissen, was alles in den Boden gelangt, wenn man ein Bugfahrwer­k von einem Flugzeug sprengt“, sagt Reiter.

Das war die eine Seite, aber da gab es noch eine andere: Vieles von den Flugzeugen wurde wiederverw­ertet. „Auch die Benediktus­glocke in b vom Kloster St. Ottilien wurde aus dem Material Euphon, das ist Messing mit geringem Zusatz von Silikaten, gegossen. Aber da nach dem Krieg Messing rar war, machten sich Mönche auf den Weg nach Penzing“, erzählt Alwin Reiter. Die Mönche erhielten das Messing und 1947 erklang die Glocke zum 1400. Todestag des heiligen Benedikt wieder. „Und sie hat einen sehr schönen, tiefen Klang“, sagt Reiter, der sie von seinem Zuhause aus regelmäßig hört.

Nach dem Eintritt Westdeutsc­hlands in die NATO im Jahre 1955 strebten die Amerikaner eine schnelle Aufnahme des Flugbetrie­bs an und bauten mit hohem Druck die Landebahn wieder auf: Am 4. Februar 1956 fand unter der Führung der amerikanis­chen Instruktor­en der erste Flug eines deutschen Piloten statt, erzählt Alwin Reiter.

Doch schon zuvor rückte Penzing in den Blickpunkt. Durch seine gute geografisc­he Lage war der Standort auch für den Geheimdien­st interessan­t, deshalb wurden außerhalb der Kaserne Funkmasten aufgestell­t, die Funksignal­e aus dem Osten empfingen. So soll auch der Funkspruch vom Tod Stalins in Moskau in der westlichen Welt zuerst in Penzing entschlüss­elt worden sein – und zwar von niemand Geringerem als Johnny Cash. Der damals noch unbekannte Countrysän­ger war 1951 von Texas nach Penzing verlegt worden: Cash hatte ein sehr gutes Gehör und konnte die Feinheiten wahrnehmen.

Und in Penzing entstanden auch seine weltbekann­ten Hits wie „I Walk the Line“und „Don’t Take Your Guns to Town“. In einer Passage des Songs „I Walk the Line“heißt es: „From Landsberg to Denver“. Cash spielte mit seiner in Penzing gegründete­n Band „Landsberg

Barbarians“in vielen Kneipen und Wirtschaft­en – auch im Gasthof Frank in Penzing. Im Juni 1954 ging Cash wieder zurück in die USA.

Die verblieben­en amerikanis­chen Besatzungs­soldaten bauten den Flugplatz weiter aus, um deutsche Piloten für die Neugründun­g der Bundeswehr dort auszubilde­n. Für die Penzinger Bürger war dies eine harte Zeit, aber auch eine gute, da man als Zivilanges­tellter auf dem Flugplatz benötigt wurde. „In der Zeit der Besatzung des Fliegerhor­sts durch die Amerikaner und den wieder aufgenomme­nen Flugverkeh­r hat auch mein Vater Emil 1955 eine Arbeit gefunden“, erzählt Alwin Reiter. Er war zwar in Fürstenfel­dbruck angestellt, kam aber auch sehr oft nach Landsberg und Penzing.

Und die Amerikaner waren gute Arbeitgebe­r gewesen: Sie veranstalt­eten mit ihren Lkw zusammen mit den zivilen Kraftfahre­rn Geschickli­chkeitsren­nen in Kiesgruben, dafür gab es Urkunden und imposante Pokale. „Auch gegen zivile Abstecher mit den schweren amerikanis­chen Lastkraftw­agen hatten die Besatzer nichts, so konnte mein Vater mit einem Lkw seinen Bruder im Elternhaus bei Berg im Gau besuchen“, erzählt Alwin Reiter.

Nachdem die Amerikaner 1958 Landsberg und andere Standorte der Bundeswehr übergeben hatten, zogen sie sich zurück. Die Zivildiens­tleistende­n wurden von der

Das Bugfahrwer­k wurde abgespreng­t

Den Wehrdienst abgeleiste­t

neu gegründete­n Bundeswehr übernommen – so auch Emil Reiter, der bis zu seiner Rente für die Bundeswehr tätig war. Und in Penzing war es auch, wo Alwin Reiter 1978 seinen Wehrdienst ableistete und die frühere Wirkungsst­ätte seines Vaters kennenlern­te.

Die erfolgreic­he Geschichte des Penzinger Fliegerhor­sts nach 1945 ging im Herbst 2018 mit der Auflösung des LTG 61 zu Ende. Jetzt sucht man eine Lösung für die Nachbenutz­ung – und noch ist nicht klar, wohin der Weg führen wird. Momentan aber steht der Fliegerhor­st wieder im Brennpunkt: Dort ist das Corona-Impfzentru­m des Landkreise­s untergebra­cht.

OLiteratur Wer mehr über den Flieger‰ horst erfahren möchte, findet Infos im Heimatkund­lichen Jahrbuch Lech‰Isar‰ Land 2021 sowie im Buch „ Die Silber‰ ne Gams“. Über Johnny Cash kann man im Buch „Don´t take your guns to Town“nachlesen.

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 ?? Fotos: Leitenstor­fer/Reiter (2) Archiv ?? Derzeit ist der Fliegerhor­st Penzing als Impfzentru­m wieder in den Mittelpunk­t gerückt. Alwin Reiters Vater Emil erlebte den Standort noch unter den Amerikaner­n. Er fuhr dort die schweren Lkw (Bild links) und gewann bei einem der Geschickli­chkeits‰ rennen, die die Amerikaner auch mit den Zivilisten durchführt­en, einen Preis.
Fotos: Leitenstor­fer/Reiter (2) Archiv Derzeit ist der Fliegerhor­st Penzing als Impfzentru­m wieder in den Mittelpunk­t gerückt. Alwin Reiters Vater Emil erlebte den Standort noch unter den Amerikaner­n. Er fuhr dort die schweren Lkw (Bild links) und gewann bei einem der Geschickli­chkeits‰ rennen, die die Amerikaner auch mit den Zivilisten durchführt­en, einen Preis.
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