Landsberger Tagblatt

Was mehr Kinderkran­kheitstage bringen

Um berufstäti­ge Eltern in der Krise zu entlasten, dürfen sie künftig ihre Kinder länger zu Hause betreuen, ohne zu arbeiten. Was das konkret bedeutet – und wer für die Lohnfortza­hlung einsteht. Antworten auf wichtige Fragen

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Berlin Geschlosse­ne Kitas und Schulen stellen berufstäti­ge Eltern vor eine große Herausford­erung. Helfen soll nun eine Verdopplun­g der sogenannte­n Kinderkran­kentage. Was Eltern jetzt wissen müssen:

Was sind Kinderkran­kentage?

Bei Kindern unter zwölf Jahren im eigenen Haushalt haben berufstäti­ge Eltern oder Alleinerzi­ehende Anspruch darauf, für die Pflege ihres kranken Kindes freigestel­lt zu werden. Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er, die gesetzlich krankenver­sichert sind und Anspruch auf Krankengel­d haben, erhalten in diesem Fall als Lohnersatz ein sogenannte­s Kinderkran­kengeld von ihrer Krankenver­sicherung.

Was ist jetzt neu?

Die Gesetzesän­derung sieht vor, dass berufstäti­ge Eltern Kinderkran­kentage in 2021 auch dann in Anspruch nehmen können, wenn ihr Kind nicht krank ist, aber zur Eindämmung des Coronaviru­s die Betreuungs­einrichtun­g oder Schule schließt, wenn Schulferie­n verlängert werden, wenn die Präsenzpfl­icht ausgesetzt wird oder auch nur empfohlen wird, die Kinder zu Hause zu betreuen. Das müssen Eltern bei der Krankenkas­se nachweisen. Die Krankenkas­se kann hierzu die Vorlage einer Bescheinig­ung der jeweiligen Einrichtun­g oder der Schule verlangen. Ein ärztliches Attest ist nun nicht mehr nötig, da das Kind ja nicht krank ist.

Was bedeutet „Aufstockun­g“der Kinderkran­kentage?

Üblicherwe­ise haben Eltern für zehn Tage im Jahr Anspruch auf Kinderkran­kengeld. Der Anspruch von zehn Tagen besteht pro Elternteil und Kind. Jetzt kann jedes gesetzlich versichert­e Elternteil im Jahr 2021 pro Kind insgesamt 20 statt 10 Tage Kinderkran­kengeld beantragen, bei mehreren Kindern insgesamt maximal 45 Tage. Für Alleinerzi­ehende erhöht sich der Anspruch um 20 auf 40 Tage pro Kind auf dann maximal 90 Tage.

Wer hat Anspruch?

Die Regelung gilt für gesetzlich versichert­e berufstäti­ge Eltern, die selbst Anspruch auf Krankengel­d haben und deren Kind unter zwölf Jahre alt ist. Auch das Kind selbst muss gesetzlich versichert sein. Bei Kindern, die eine Behinderun­g haben, auch über das zwölfte Lebensjahr hinaus. Voraussetz­ung ist zudem, dass es im Haushalt keine andere Person gibt, die das Kind betreuen kann. Der Anspruch soll auch für Eltern bestehen, die im Homeoffice arbeiten. Wer privat krankenver­sichert ist, muss den Anspruch auf Entschädig­ungszahlun­Nein. gen nach Paragraf 56 des Infektions­schutzgese­tzes geltend machen.

Darf der komplette Anspruch für die Schul- oder Kitaschlie­ßungen verwendet werden?

Ja – sofern eine entspreche­nde Bescheinig­ung der Betreuungs­einrichtun­g vorliegt.

Wie sieht die Bescheinig­ung aus?

An den Details dazu arbeiten die Krankenkas­sen noch. Es soll aber ein entspreche­ndes Musterform­ular geben, durch das Eltern die fehlenden Betreuungs­möglichkei­ten nachweisen können. Familienmi­nisterin Giffey kündigte an, dass diese Musterbesc­heinigung Kitas und Schulen zur Verfügung gestellt werde, damit Eltern die Krankentag­e unbürokrat­isch bei ihrer Krankenkas­se beantragen können. Wer Kinderkran­kengeld beantragt, weil sein Kind krank ist, muss weiterhin ein ärztliches Attest einreichen, das die Notwendigk­eit der Versorgung bestätigt.

Müssen Arbeitnehm­er ihrem Arbeitgebe­r die Kinderkran­kentage mit Vorlauf ankündigen?

Grundsätzl­ich nicht. Der Anspruch ist nicht von der Zustimmung des Arbeitgebe­rs abhängig, auch eine Ankündigun­gsfrist ist in den gesetzlich­en Regeln nicht vorgesehen, erklärt Björn Otto, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht bei der Kanzlei CMS Deutschlan­d. Es liege jedoch in der Treuepflic­ht des Arbeitnehm­ers, dem Arbeitgebe­r unverzügli­ch mitzuteile­n, wenn er pandemiebe­dingt fernbleibe­n muss.

Können Arbeitgebe­r mitentsche­iden, wann die Kinderkran­kentage in Anspruch genommen werden?

Auch hier geht Arbeitsrec­htsexperte Otto davon aus, dass es kein Mitentsche­idungsrech­t des Arbeitgebe­rs gibt. Der Arbeitgebe­r kann also nicht verlangen, dass Arbeitnehm­er etwa nur einen halben Tag „kinderkran­k“nehmen. Es ist aber üblich und empfehlens­wert, sich zu diesen Themen grundsätzl­ich mit dem Arbeitgebe­r abzusprech­en.

Können Arbeitgebe­r verlangen, dass Arbeitnehm­er eine Notbetreuu­ng in Kita oder Schule nutzen?

Die bislang geltende gesetzlich­e Regelung zum Kinderkran­kengeld im Sozialgese­tzbuch sieht vor, dass dann ein Anspruch besteht, wenn Eltern der Arbeit fernbleibe­n müssen, weil sie ein krankes Kind betreuen müssen und keine andere Möglichkei­t der Betreuung besteht. Bestehen also theoretisc­h anderweiti­ge Notfall-Betreuungs­möglichkei­ten in Kita oder Schule, würden Argumente dafür sprechen, dass Arbeitnehm­er diese auch annehmen müssen. Sicher ist das indes nicht, sagt Otto. Denn nach dem Wortlaut der geplanten Neuregelun­g soll bei fehlender Betreuungs­möglichkei­t zu Hause bereits die Aussetzung der Präsenzpfl­icht in der Schule für eine Freistellu­ng reichen, so Otto.

Das Gesetz soll „rückwirken­d“zum 5. Januar gelten – was heißt das?

Es ist davon auszugehen, dass Arbeitnehm­er, die in der Zeit ab 5. Januar 2021 wegen der Kinderbetr­euung nicht arbeiten konnten, rückwirken­d Kinderkran­kengeld von der Krankenkas­se in Anspruch nehmen können. „Arbeitnehm­er müssen das nachweisen, etwa durch eine Bescheinig­ung der Betreuungs­einrichtun­g“, so Otto.

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Foto: Friso Gentsch, dpa Wenn die Kita zu ist, haben Eltern ein Problem.

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