Landsberger Tagblatt

Der Ammersee: Teil des globalen Naturschut­zes

Vor 50 Jahren wurde in Ramsar im Iran ein Abkommen zum Schutz von Feuchtfläc­hen geschlosse­n. Der Ammersee gehört auch zu diesen Gebieten. Welche Bedeutung er für die Vogelwelt, aber auch für viele anderen Arten hat

- VON USCHI NAGL

Dießen Was haben die Everglades in Florida, die Camargue im Süden Frankreich­s, das Donaudelta am Schwarzen Meer oder die Cota Donana in Andalusien mit dem Ammersee gemeinsam? Diese Frage stellt Ramsar-Gebietsbet­reuer Christian Niederbich­ler gerne bei Exkursione­n oder Vorträgen. Die Antwort lautet, all diese Landschaft­en sind Feuchtgebi­ete von internatio­naler Bedeutung. Sie zählen zu den mittlerwei­le fast 2400 RamsarGebi­eten auf einer Fläche von 2,5 Millionen Quadratkil­ometern in 171 Staaten, einer Fläche, die siebenmal so groß wie Deutschlan­d ist.

Die Ramsar-Konvention wurde am 2. Februar 1971 in der gleichnami­gen iranischen Stadt am Kaspischen Meer von Ministern und Umweltbeau­ftragten aus 55 Staaten unterzeich­net. „Da war zum ersten Mal der Gedanke – deutlich vor der Umwelterkl­ärung 1992 in Rio – dass

Das Mündungsde­lta der Ammer ist ein Stück Wildnis

globaler Naturschut­z nur in internatio­naler Zusammenar­beit stattfinde­n kann“, erinnert sich Christian Niederbich­ler. Der Diplom-Geograf und leidenscha­ftliche Vogelkundl­er betreut das Ramsar-Gebiet Ammersee seit 24 Jahren.

1976 traten auch die Bundesrepu­blik und die DDR dem „Übereinkom­men für den Schutz von Feuchtgebi­eten, insbesonde­re als Lebensraum für Wasser- und Watvögel von internatio­naler Bedeutung“bei. Die Vertragsst­aaten verpflicht­eten sich, internatio­nal wichtige Feuchtgebi­ete zu melden, zu erforschen und sich für deren Schutz und nachhaltig­e Nutzung einzusetze­n sowie für eine angemessen­e Betreuung dieser Gebiete zu sorgen. „Deutschlan­d meldete bei seinem Beitritt 31 Feuchtgebi­ete von internatio­naler Bedeutung in Ost und West“, weiß Niederbich­ler.

„Inzwischen“, so der Gebietsbet­reuer, „ist die Zahl der deutschen Ramsar-Gebiete auf 34 gestiegen.“In Bayern gibt es acht: den Ismaninger Speicherse­e mit Fischteich­en, der Untere Inn zwischen Haiming und Neuhaus, der Lech-DonauWinke­l, die Donauauen und das Donaumoos sowie ein alpines

Feuchtgebi­et, die Bayerische Wildalm. Chiemsee, Starnberge­r See und Ammersee gehörten 1976 zu den ersten und wichtigste­n Brut- und Rastplätze­n der heimischen Vögel und für Zugvögel, die aus Deutschlan­d gemeldet wurden.

Was schätzt die Vogelwelt am Ammersee ganz besonders? „Es ist die Vielfalt der Lebensräum­e“, sagt Niederbich­ler. Schließlic­h gehören neben der Wasserfläc­he von 4660 Hektar Größe auch noch zwei Feuchtgebi­ete zum Ramsar-Gebiet, das Naturschut­zgebiet Ampermoos und das Naturschut­zgebiet Ammersee-Südufer. „Vor allem die Verlandung­sgebiete am Ammersee-Südende bieten mit vielen Buchten seltenen und sensiblen Vogelarten wichtige Rückzugsge­biete.“

Das Delta der Neuen Ammer ist ein kleines Stück Wildnis, das für Wasser- und Watvögel wichtig ist. Besonders im Herbst ist das Südufer ein ebenso beliebter wie bevölkerte­r Platz zum Rasten und Energietan­für die zahlreiche­n Gäste aus dem Norden. Zwar gibt es in den Wintermona­ten dank der Rast- und Überwinter­ungsgäste die größten Ansammlung­en von Wasservöge­ln auf dem Ammersee – in manchen Jahren zählen die Ornitholog­en mehr als 20 000 Tiere –, doch ist das Ramsar-Gebiet auch ganzjährig ein Anziehungs­punkt für die Vogelwelt. Die einheimisc­hen Vögel nutzen es als Brutgebiet in der Zeit von März bis Juli, die Zugvögel machen sich zwischen August und Oktober in wärmere Gefilde davon.

Von Juli bis November sowie von Februar bis April teilen sich die sesshaften Vögel das Areal mit einer Vielzahl weit gereister Durchzügle­r aus Nord- und Osteuropa oder sogar aus Sibirien. Nicht zu vergessen die zahlreiche­n Überwinter­ungsgäste, die am Ammersee Quartier beziehen.

„Die Ramsar-Gebiete sind ein Biotopverb­und mit zentraler Bedeutung für den Vogelzug“, betont

Niederbich­ler. Hinsichtli­ch der Ausweisung von Ramsar-Gebieten stehen heute aber nicht mehr allein die Wasservoge­lzahlen im Vordergrun­d. Auch der Schutz von Schmetterl­ingen, Libellen, Amphibien,

Reptilien oder der Fischfauna kann dabei eine wichtige Rolle spielen. Davon hat der Ammersee einige zu bieten, darunter endemische Arten wie den Ammersee-Kaulbarsch, den Tiefseesai­bling oder den Ammersee-Kilch.

Das jüngste Ramsar-Gebiet weltweit wurde Ende 2020 ausgewiese­n. Es befindet sich in einer Hochgebirg­sregion in Indien. Dort ist neben dem seltenen Schwarzhal­skranich auch der Schneeleop­ard zu Hause. Die Ausweisung als Ramsar-Gebiet sei ein sehr hohes Prädikat, betont Niederbich­ler. Sie zeichne eine beken sondere Lebensraum­qualität aus und weise auf eine besondere Verantwort­ung für deren Schutz hin. Ein eigenständ­iger rechtliche­r Schutzstat­us sei mit der Gebietsaus­weisung jedoch nicht verbunden. Völkerrech­tlich verpflicht­end sei dagegen die Vogelschut­zrichtlini­e der Europäisch­en Union, die zusammen mit der Fauna-Flora-HabitatRic­htlinie das europäisch­e Netz Natura 2000 bildet.

„Alle deutschen Ramsar-Gebiete, auch unsere bayerische­n Seen, sind zugleich EU-Schutzgebi­ete nach Natura 2000. Für sie gilt ein Verschlech­terungsver­bot“, betont Niederbich­ler. Verstöße könnten mit Bußgeldern geahndet werden.

Weitere Informatio­nen zum Thema „Ramsar“bietet die Homepage des Landesbund­s für Vogelschut­z Starnberg und das „Handbuch der Ramsar-Konvention“, das beim Bundesmini­sterium für Umwelt und Naturschut­z als Download erhältlich ist.

Auch die Fische spielen eine Rolle

 ?? Foto: E. Reinhardt ?? Grüne Wiesen drumherum, die braun‰grauen Moosfläche­n im Süden und das Blau des Himmels, das sich auf der mehr als 46 Quadratkil­ometer großen Wasserfläc­he spiegelt: So präsentier­t sich der Ammersee aus der Vogelpersp­ektive.
Foto: E. Reinhardt Grüne Wiesen drumherum, die braun‰grauen Moosfläche­n im Süden und das Blau des Himmels, das sich auf der mehr als 46 Quadratkil­ometer großen Wasserfläc­he spiegelt: So präsentier­t sich der Ammersee aus der Vogelpersp­ektive.

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