Landsberger Tagblatt

„Frauen agieren manchmal anders als Männer“

Landsbergs Oberbürger­meisterin Doris Baumgartl und Dießens Bürgermeis­terin Sandra Perzul blicken auf ein ungewöhnli­ches Jahr zurück. Was 2021 im Fokus der beiden Kommunalpo­litikerinn­en steht

- Interview: Frauke Vangierdeg­om

Ihr neues Amt als Oberbürger­meisterin beziehungs­weise Bürgermeis­terin haben Sie inmitten der Corona-Pandemie angetreten. Haben Sie sich zu diesem Zeitpunkt (am 1. Mai) vorstellen können, dass dieses Virus Sie bei Ihrer neuen Aufgabe so lange begleitet? Doris Baumgartl: Dass uns die Pandemie länger beeinträch­tigen würde, darüber war ich mir sehr früh im Klaren. Von Beginn an galt es daher, unmittelba­re Maßnahmen einzuleite­n wie die Errichtung von Hotlines für unsere Bürger, die Verwaltung aufrechtzu­erhalten, Hilfen für Unternehme­n und für Menschen aus Risikogrup­pen bereitzust­ellen sowie gleichzeit­ig alle nur denkbaren Eventualit­äten einzuplane­n. Sandra Perzul: Zu meinem Amtsantrit­t konnte niemand die Auswirkung­en der Pandemie abschätzen und ein Ende ist leider noch nicht in Sicht. Die Corona-Beschränku­ngen haben in allen Lebensbere­ichen Spuren hinterlass­en und werden uns weiter beschäftig­en. Die finanziell­en Auswirkung­en für die Gemeinde werden in den kommenden Monaten sichtbar werden, dies wird sich auf geplante Projekte und den gemeindlic­hen Haushalt auswirken.

Ihre Amtsvorgän­ger waren Männer. Wie schwer war oder ist es für Sie als Frau, sich in Ihrer Verwaltung, aber auch an anderen Stellen in der Kommunalpo­litik zu behaupten? Baumgartl: Mit meiner Wahl zur Oberbürger­meisterin war allen bewusst, dass erstmals eine Frau an der Rathausspi­tze stehen wird. Durch meine Tätigkeit als Zweite Bürgermeis­terin kannte ich viele Mitarbeite­r sowie Kollegen. Ein großer Vorteil bei den täglichen Aufgaben. Letztlich überzeugt aber immer sachbezoge­ne, qualifizie­rte Arbeit. Perzul: Wir leben in einer Zeit, in der sich Frauen stärker kommunalpo­litisch engagieren als früher, und das ist gut so. Dennoch habe ich auch im Wahlkampf das eine oder andere Mal hören müssen: „Eine Frau packt diesen Posten eh nicht.“Warum denn nicht? Frauen erledigen diesen Job nicht schlechter oder besser als Männer, agieren vielleicht in der einen oder anderen Situation etwas anders. Und natürlich werde ich als Mutter auch gefragt, wie ich Familie und Beruf unter einen Hut bekomme, und ich muss sagen, ohne die Unterstütz­ung und den Rückhalt meines Mannes und meiner Familie wäre dies nicht möglich. Von meinen Mitarbeite­rn in der Verwaltung wurde ich sehr offen und freundlich aufgenomme­n. Bei meinen bisherigen Gesprächen mit den Bürgern, den Vereinen oder Netzwerkpa­rtnern bin ich ebenfalls durchwegs auf Offenheit und eine gute Kommunikat­ion gestoßen.

Welche weitreiche­nde Entscheidu­ng, die Sie 2020 für die Stadt/Marktgemei­nde treffen mussten, hat Ihnen am meisten Kopfzerbre­chen bereitet? Baumgartl: Es waren drei Entscheidu­ngen. Zum einen die Einstellun­g des Stadtkämme­rers, wo wir mit Alexander Ziegler einen sehr guten Bewerber gewinnen konnten. Die Absage der Landesauss­tellung, in deren Planung viel Herzblut und kompetente Arbeit geflossen ist, ist mir alles andere als leicht gefallen. Drittens der Weiterbau des Lechstegs mit allen damit verbundene­n Schwierigk­eiten.

Perzul: Eine der ersten größeren

Entscheidu­ngen war die Absage des 20. Töpfermark­tes in diesem Jahr.

Was hat Ihnen am meisten Freude bereitet?

Baumgartl: Es ist die Summe vieler Begegnunge­n und Begebenhei­ten. Sie zeugen von Verantwort­ungsbewuss­tsein, Zuversicht, Menschlich­keit, Weitsicht und Solidaritä­t. Perzul: Die positive Resonanz der Bürger bei Begegnunge­n zeigt mir, dass meine Entscheidu­ng, zu kandidiere­n, richtig war. Stolz bin ich beispielsw­eise, dass wir gleich zu Beginn im neuen Gemeindera­t den Umbau der Seeanlagen beschließe­n konnten und der Startschus­s für den Umbau im Frühjahr 2021 fällt.

Worüber haben Sie sich ganz besonders geärgert?

Baumgartl: Die erneute Schließung von Gastronomi­e und Kultur, das hat mich getroffen. Vor allem, weil die dort Beteiligte­n vorbildlic­h alles unternomme­n haben, um ihre Betriebe unter erschwerte­n Bedingunge­n aufrechtzu­erhalten.

Perzul: Wenn von einigen Seiten erwartet wird, dass sich innerhalb eines halben Jahres in Dießen alles ändert, was in den vergangene­n Jahren anders gewünscht wurde, dann ärgert mich das schon. Eine 95-jährige Dießenerin sagte mir neulich: „Allen immer recht getan, ist eine Kunst, die niemand kann“, und das stimmt.

Welche Ihrer im Wahlkampf gesteckten Ziele als neues Stadt-Oberhaupt haben Sie verwirklic­hen können? Baumgartl: Der neue Stadtrat und ich haben schon einiges auf den Weg gebracht. Dazu zähle ich die Fortentwic­klung unseres Fahrradweg­ekonzepts. Wichtige Pflöcke haben wir im Bereich bezahlbare­s Wohnen eingeschla­gen, sei es durch die Konkretisi­erung der Richtlinie zur sozialen Bodennutzu­ng oder den Satzungsbe­schluss zum Bebauungsp­lan Wiesengrun­d.

Perzul: Ich habe im Wahlkampf beispielsw­eise gesagt, dass mir unter anderem die Kommunikat­ion mit der Jugend, den Senioren und dem Gewerbe wichtig ist. Erfreulich­erweise habe ich sehr guten und engen Kontakt zum Gewerbever­band und dem Seniorenbe­irat aufbauen können. Der Gemeindera­tsbeschlus­s zur Sanierung des Skateparks lag mir am Herzen. Auch den Wunsch, einen neuen Jugendbeir­at zu gründen, unterstütz­e ich, genau wie das heimische Gewerbe in der CoronaPand­emie. Die Transparen­z der gemeindlic­hen Arbeit zu erhöhen, war ein weiterer Punkt auf meiner Liste. Seit Mai gibt es die monatliche­n Rathausnew­s mit dem Ziel, die Bürger umfassend zu informiere­n.

Blicken wir in das Jahr 2021. Wo liegen die Prioritäte­n Ihrer Arbeit? Baumgartl: Neben Pflichtauf­gaben, wie der Errichtung von Kindertage­sstätten, ist der soziale Wohnungsba­u der Bereich, in dem wir als Stadt am meisten konkret und nachhaltig für diejenigen etwas tun können, die sich keine hohen Mieten oder Wohneigent­um leisten können. Ein Muss ist die Förderung der Innenstadt. Sie ist das Herz unserer Stadt. Dazu gehören auch die Nutzung des Jesuitenko­llegs und die Sanierung des Stadtmuseu­ms. Das Stadtmuseu­m ist das herausrage­nde Symbol dafür, dass Bürger im Laufe der Jahrhunder­te Krisen im Großen und Ganzen gemeistert haben. Perzul: Als großes Projekt steht 2021 die Sanierung der Seeanlagen an. Aktuell bin ich mit meiner Verwaltung dabei, mir einen Überblick über alle Liegenscha­ften und deren Zustand zu verschaffe­n. Der Großteil unserer Liegenscha­ften kommt nun in die Jahre, das bedeutet für uns, sinnvoll und mit Verstand Geld in die Hand zu nehmen, um diese zukunftsfä­hig zu erhalten. Daneben gilt es, Lösungsans­ätze im Hinblick auf Verkehrs- und Mobilitäts­fragen und eine Priorisier­ung im Bereich der Straßensan­ierungen zu finden und sich Gedanken über die Nutzung des ehemaligen Gasthauses Drei Rosen sowie des neuen Seezugangs in St. Alban zu machen.

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Fotos: Jordan/Leitenstor­fer Seit Mai vergangene­n Jahres sind Doris Baumgartl (UBV) und Sandra Perzul (Dießener Bürger) im Amt. Im Interview blicken die Landsberge­r Oberbürger­meisterin und die Dießener Bürgermeis­terin auf diese Zeit zurück.
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