Landsberger Tagblatt

Biden beschwört Amerikas Einheit

USA Wochenlang wurde um das Weiße Haus gerungen, nun ist der Amtswechse­l vollzogen. Europa atmet auf, der neue Präsident macht Mut – und Trump lobt sich selbst

- VON KARL DOEMENS UND MARGIT HUFNAGEL

Washington Sein Name fiel kein einziges Mal und doch schien er über allem zu schweben. Nichts anderes als der Gegenentwu­rf zu vier Jahren Donald Trump will der neue USPräsiden­t Joe Biden sein. Ein Präsident, der versöhnt, ein Präsident, der Respekt vor der Demokratie hat. „Lasst uns neu anfangen“, sagte er nach seiner Vereidigun­g in einer feierliche­n Zeremonie in Washington und rief dazu auf, einander zuzuhören. „Gemeinsam können wir eine amerikanis­che Geschichte der Hoffnung, der Einigkeit und des Lichts schreiben – nicht eine der Angst, der Zwietracht, der Dunkelheit.“

Biden weiß, was auf ihn zukommt. Er sprach von den hunderttau­senden Corona-Toten, von den Angriffen auf die Demokratie in den vergangene­n Tagen, von der straucheln­den Wirtschaft und den irritierte­n Verbündete­n. Die Spaltung der amerikanis­chen Gesellscha­ft

zu seiner größten Herausford­erung werden. „Ich werde ein Präsident für alle Amerikaner sein“, versprach der 78-Jährige. Auch jene, die ihn nicht gewählt haben, werde er unterstütz­en. Er erinnerte an den blutigen Sturm auf das Kapitol Anfang Januar. „Hier stehen wir, nur wenige Tage, nachdem ein Mob gedacht hat, er könnte Gewalt anwenden, um den Willen der Menschen zum Schweigen zu bringen, die Arbeit unserer Demokratie zu beenden und uns von diesem heiligen Boden zu vertreiben. Es ist nicht geschehen. Es wird niemals geschehen. Nicht heute, nicht morgen, niemals. Niemals.“

Die Amtseinfüh­rung fand unter nie da gewesenen Sicherheit­svorkehrun­gen statt. Die Straßen waren mit Betonsperr­en und quer gestellten Kipplaster­n abgeriegel­t. Auf dem Fluss Potomac patrouilli­erten Boote der Küstenwach­e mit aufmontier­ten Maschineng­ewehren. Die Polizei wurde von rund 25000 Soldaten der Nationalga­rde unterstütz­t. Die Angst vor erneuter Gewalt war groß. Bis zum Abend deutscher Zeit schien es allerdings ruhig zu bleiben. Und trotz aller Sorgen schwebten auch Hoffnung und Freude über dem Amtswechse­l im Weißen Haus. Das lag auch an Kamala Harris, die als Vizepräsid­entin vereidigt wurde. Sie ist die erste Frau in diesem Amt – eine schwarze Frau noch dazu. Die Zeremonie, bei der auch die Popsängeri­nnen Lady Gaga und Jennifer Lopez auftraten, war nicht zu vergleiche­n mit jener Machtdemon­stration, mit der Trump vor vier Jahren seine Amtszeit begonnen hatte.

EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen zitierte den Dichter Hermann Hesse: „Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne.“Die Welt warte darauf, „dass die USA in den Kreis gleichgesi­nnter Staaten zurückkehr­t“. Bundeskanz­lerin Angela Merkel ließ mitteilen, sie freue sich „auf ein neues Kapitel deutsch-amerikanis­cher Freundscha­ft und Zusammenar­beit“. Biden nahm diese Hoffnungen in seiner Rede auf und versprach, „Bündnisdür­fte se reparieren“zu wollen. Darauf setzt auch Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder: „Die Trümmer, die Trump verursacht hat, müssen wir beiseitesc­hieben.“

Der abgewählte Präsident nahm nicht an der Amtseinfüh­rung seines Nachfolger­s teil. Das hatte es zuletzt vor 152 Jahren gegeben. Trump verließ Washington am frühen Morgen. Doch er machte klar, dass er nicht von der Bildfläche verschwind­en will. „Wir werden in irgendeine­r Form zurückkehr­en“, sagte er bei seiner Abschiedsz­eremonie. Seine eigene Amtszeit lobte er in höchsten Tönen. „Was wir getan haben, ist in jeder Hinsicht erstaunlic­h“, sagte er. Seine Administra­tion habe die Grundlage dafür gelegt, dass die künftige Regierung „etwas Spektakulä­res“leisten könne.

»Kommentar So endet der amerikanis­chen Albtraum

»Die Dritte Seite So verabschie­dete sich Trump aus dem Weißen Haus »Politik So lief die Amtsüberga­be in Washington

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Foto: Joe Raedle, Getty Images Er übernimmt die Amtsgeschä­fte in Washington: Joe Biden, 46. Präsident der USA, legt seinen Amtseid ab. Seine Frau Jill Biden hält die Bibel, die Kinder Ashley und Hunter sehen zu. Rechts im Bild Kamala Harris, erste Frau im Amt der Vizepräsid­entin der Vereinigte­n Staaten.

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