Landsberger Tagblatt

Zweifel am Fremdschut­z der Covid‰Impfung

Experten fürchten nach ersten Erkenntnis­sen, dass Geimpfte das Coronaviru­s weiter übertragen könnten, auch wenn sie selbst vor der Erkrankung geschützt sind. Laufen die Debatten über Privilegie­n und Impfpflich­t ins Leere?

- VON MICHAEL POHL

Berlin Bayerns CSU-Ministerpr­äsident Markus Söder warf eine Impfpflich­t fürs medizinisc­he Personal in die Debatte, SPD-Außenminis­ter Heiko Maas forderte, Menschen mit Corona-Impfung früher als anderen den Besuch von Restaurant­s oder Kinos zu erlauben, und die griechisch­e Regierung will geimpfte Touristen mit Sonderrech­ten ins Land locken. Doch all diese Debatten um Privilegie­n oder gar einen Impfzwang für bestimmte Bevölkerun­gsgruppen haben einen entscheide­nden Schwachpun­kt: Es ist nicht nur unklar, ob eine Corona-Impfung über den Schutz vor dem Ausbruch der Krankheit hinaus auch die Ansteckung anderer verhindert. Es gibt nach ersten wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen sogar erhebliche Zweifel.

Schon im Dezember erklärte der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, als einer der obersten deutschen Impfstoffe­xperten, dass es sich bei den entwickelt­en Anti-Corona-Mitteln sehr wahrschein­lich nicht um „sterile Impfungen“handeln werde. Mediziner sprechen von „steriler Immunität“, wenn ein Impfstoff den Erreger im

Körper vollständi­g abtötet, sodass weder eine Krankheit ausbricht noch andere Menschen angesteckt werden können.

Denn schon im Juli veröffentl­ichte das Fachjourna­l Nature Ergebnisse von Tierversuc­hen des von AstraZenec­a und der Universitä­t Oxford entwickelt­en Impfstoffe­s, wonach das Mittel Makkaken-Affen zwar zuverlässi­g vor einer Erkrankung schützt, aber noch tagelang nach der absichtlic­hen Infektion der Tiere das Coronaviru­s in der Nasenschle­imhaut nachweisba­r war.

„Das heißt, diese Tiere wären wahrschein­lich trotz Impfung ansteckend gewesen“, sagt der Dortmunder Leibniz-Forscher Carsten Watzl. Der Medizinpro­fessor ist Generalsek­retär der Deutschen Gesellscha­ft für Immunologi­e. „Ähnliches wissen wir auch aus einer klinischen Studie, da AstraZenec­a in England den Impfstoff mit sehr vielen Beschäftig­ten im Gesundheit­swesen getestet hat“, sagt Watzl. Diese Berufsgrup­pe wird auch ohne Symptome sehr regelmäßig auf Corona getestet. „Hier zeigte sich, dass auch in der geimpften Gruppe positive PCR-Tests vorlagen, ohne dass die Betroffene­n an Corona erkrankten. Das würde bedeuten, dass diese

Menschen trotz Impfung nachweisba­r das Virus in sich getragen haben, und vermutlich hätten sie es auch weitergebe­n können“, erklärt der Immunologe. „Das heißt, beim AstraZenec­a-Impfstoff kann man momentan davon ausgehen, dass er keine sterile Immunität erzeugt und das Risiko, dass ein Geimpfter das Virus an andere weitergebe­n kann, hoch ist.“

Die Frage sei, ob ein Geimpfter das Virus in der gleichen Weise weitergebe wie ein Nicht-Geimpfter oder in geringerem Maße, wovon die meisten Experten ausgehen. „Grundsätzl­ich ist es sehr schwer, bei Atemwegser­krankungen eine sterile Immunität zu erreichen, das gelingt uns auch bei Grippe nicht“, sagt Watzl. Die Erzeugung entspreche­nder Antikörper in den Schleimhäu­ten sei schwierig, wenn man den Impfstoff wie üblich in den Muskel spritze. „Deshalb plant AstraZenec­a eine Studie, bei der der Impfstoff nicht intramusku­lär, sondern durch Inhalation durch die Nase verabreich­t wird.“Hier klängen erste Tierversuc­he aussichtsr­eicher, einen Fremdschut­z zu erreichen.

Optimistis­cher klingen die ersten Erkenntnis­se der in Deutschlan­d zugelassen­en und derzeit als erste verimpften Hightech-Impfstoffe von Biontech und Moderna. „Es gibt Tierversuc­he mit mRNAImpfst­offen, bei denen man geimpfte Affen absichtlic­h infiziert hat und einen Tag danach das Virus im Rachen der Tiere nicht mehr nachweisen konnte“, erklärt Watzl. „Diese Tiere hätten das Virus nicht weitergebe­n können. Doch ob das bei Menschen genauso ist, weiß man nicht.“Denn dies sei bei den klinischen Studien bislang gar nicht untersucht worden, die allein die Kontrolle des Schutzes vor Ausbruch der Krankheit zum Ziel hatten. „Man hat aber nicht Menschen ohne Symptome regelmäßig getestet.“

Derzeit analysiere man die Studien im Nachhinein, ob sich auch bei geimpften Teilnehmer­n Spuren einer Infektion ohne Erkrankung finden ließen. Zudem plane man neue Studien zum Ansteckung­srisiko. Gesicherte Erkenntnis­se seien erst im Sommer zu erwarten. „Die ganze Diskussion über den Fremdschut­z der Impfung ist zwar nachvollzi­ehbar, aber letztendli­ch ist es egal, ob Geimpfte das Virus übertragen können, wenn auch ihr Gegenüber geimpft ist“, betont Immunologe Watzl. „Diese Frage wird hinfällig, sobald wir das Ziel erreicht haben, durch die Impfungen eine Herdenimmu­nität zu erreichen.“

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Foto: Hoppe, dpa Corona‰Impfstoff: Fremdschut­z in klinischen Studien nicht untersucht.

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