Fahrt an einen grausamen Ort
Lernen geht nicht nur in der Schule oder zu Hause. Immer wieder besuchen Schulklassen dafür auch andere Orte. Manche davon erinnern an schlimme Ereignisse aus der Vergangenheit
Mit der Schule einen Ort besuchen, an dem früher Verbrechen passiert sind? Macht das nicht traurig und vielleicht sogar Angst? Der Forscher Christian Kuchler hat sich Schul-Besuche an solchen Gedenkstätten genauer angeschaut und darüber ein Buch geschrieben. Dabei ging es um Orte, die an die Verbrechen der Nationalsozialisten (abgekürzt: Nazis) erinnern. Vor allem ging es um das ehemalige deutsche Konzentrationslager Auschwitz im heutigen Land Polen. Dort brachten die Nazis vor etwa 80 Jahren über eine Million Menschen um.
Was ist in Auschwitz passiert? Christian Kuchler: Das Lager Auschwitz wurde von den Nazis errichtet. Es ist ein Ort, an dem brutale Verbrechen passiert sind. Menschen wurden dort ermordet oder zu schwerer Arbeit gezwungen. Und das nur, weil sie anders dachten oder einen anderen Glauben hatten als die Nazis.
Warum sollten Schulklassen einen so grausamen Ort wie Auschwitz besuchen?
Christian Kuchler: Weil man vieles von dem, was man weiß oder gehört hat, beim persönlichen Besuch besser verstehen kann. Man merkt: Da ist noch etwas, was damals auch da war. Die Gebäude, die Betten darin – das alles ist anfassbar. So schreiben es die Schüler später auch in ihren Berichten.
Sie haben sich sehr viele dieser Berichte von Schülerinnen und Schülern für Ihr Buch „Lernort Auschwitz“angeschaut. Angst vor dem, was sie erwartet – vor dem Ort und vor den Informationen dazu. Aber sie waren gleichzeitig auch neugierig. Hinterher schrieben die meisten, sie seien zufrieden, sich dem gestellt zu haben. Sie wollten das, was sie erlebt haben, unbedingt weitergeben. Viele schrieben: Sie wollen ihren Geschwistern und jüngeren Kindern den Rat geben, auch zu fahren, wenn so eine Fahrt für sie ansteht.
Die Besuche solcher Gedenkstätten wie Auschwitz haben mehrere Ziele. Es geht etwa darum, sich zu erinnern, was damals passiert ist – damit solche Verbrechen nicht wieder passieren. Wie gut tragen die Besuche denn tatsächlich zu den Zielen bei?
Christian Kuchler: Es bringt viel, weil man die Menschenverachtung begreift, mit der die Nazis handelten. Es ist wichtig, sich gründlich im Unterricht auf den Besuch vorzubereiten. Aber man braucht auch danach die Zeit und die Möglichkeit, über das zu sprechen, was man erlebt hat. Was aber auch klar ist: Eine solche Fahrt allein reicht nicht aus. Das ist eine Aufgabe, die über Jahre stattfindet. In den Familien, aber auch im Unterricht.