Wie beim Strom: Anbieter wechseln und sparen
Viele Krankenkassen sind teurer geworden. Dafür ist der Umstieg jetzt einfacher und die Versorgung womöglich besser
Augsburg Für etwa 48 Millionen gesetzlich Krankenversicherte hat das Jahr mit einer kräftigen Beitragserhöhung begonnen. Doch in CoronaZeiten ist eine Verteuerung oft nicht leicht zu verkraften. Anlass genug, nach einer günstigeren Kasse Ausschau zu halten. Wer jetzt wechselt, kann bis zu 438 Euro im Jahr sparen. Das haben die Experten des Vergleichsportals Verivox berechnet. Dazu kommt: Umsatteln ist seit Jahresbeginn so leicht wie nie zuvor. Der Gesetzgeber hat das Prozedere vereinfacht. Gesetzlich Krankenversicherte können ihre Kasse jetzt ähnlich einfach wechseln wie ihren Stromvertrag. Aber: Was zählt, ist nicht allein die Ersparnis, sondern auch eine optimale, bestenfalls bessere Versorgung, betont Stefan Schemm von der Verbraucherzentrale Bayern. Vergleichen ist wichtig. Denn: Viele Kassen bieten schlicht mehr Extras fürs Geld.
● Wechseln statt ärgern 31 der 76 gesetzlichen Kassen haben zum 1. Januar ihren Zusatzbeitrag zum Teil deutlich erhöht. Die Spanne der Steigerung liegt zwischen 0,1 und 0,8 Prozentpunkten. Das Branchenschwergewicht
Techniker Krankenkasse etwa verlangt von ihren knapp acht Millionen Mitgliedern jetzt 0,5 Prozentpunkte mehr, die Barmer verlangt 0,4 Prozentpunkte mehr. Auch AOK Plus und AOK Nordost haben an der Preisschraube gedreht: plus 0,6. Wer also deutlich mehr zahlen soll, dem empfiehlt Schemm über einen Wechsel nachzudenken. Das Sparpotenzial sei momentan groß, betont auch Daniela Hubloher von der Verbraucherzentrale Hessen: der Zusatzbeitrag variiert zwischen 0,35 und 1,9 Prozent.
● So viel Ersparnis ist drin Wer monatlich 3000 Euro brutto verdient und von einer teuren Kasse zur bundesweit günstigsten wechselt, spart laut Hubloher rund 200 Euro im Jahr. Bei Gutverdienern kann das Plus über 300 Euro ausmachen, wie Stiftung Warentest vorrechnet. Ein Arbeitnehmer, dessen Jahreseinkommen 58 050 Euro überschreitet, wird laut Verivox durch den Umstieg vom teuersten zum günstigsten Anbieter 438 Euro weniger zahlen. Je höher das Einkommen, desto mehr wird sich ein Wechsel lohnen. Aber: „Wegen drei Euro weniger wechseln macht keinen Sinn.“
● Auch die Leistung zählt Etwa 95 Prozent des Leistungskatalogs sind bei allen Kassen identisch. Große Unterschiede gibt es aber beim Rest, den freiwilligen Extras. Sie können einige hundert Euro wert sein. Denn die eine Kasse zahlt 300 Euro für Reiseimpfungen oder 75 Euro für die professionelle Zahnreinigung – eine andere übernimmt nichts davon. „Der Beitrag ist nicht das einzige Argument für einen Wechsel“, betont Experte Schemm. Viele Versicherer bieten schlicht mehr als andere. Angefangen mit Hotline-Beratung, Geschäftsstellen vor Ort bis hin zu Geld für Osteopathie. Manche Kassen spendieren mehr Ultraschalluntersuchungen für Schwangere oder mehr Früherkennungschecks für Kinder. Andere bieten Extras wie Kurse zur Ernährungsberatung, für Yoga, Sport oder Ausgaben rund um Kinderwunsch und Geburt. Oder sie zahlen die Haushaltshilfe bei Krankheit oder Kosten für alternative Medizin. Aber: Es gibt keine Kasse, die alle Extras auf einmal abdeckt.
● Ab April weniger zahlen Etwa 90 Prozent der Deutschen sind gesetzlich krankenversichert – und meist seit Jahr und Tag in der gleichen Kasse. Das könnte sich ändern. Ähnlich wie beim StromversorgerWechsel ist der Aufwand jetzt minimal. Umsteigen geht so: Eine neue Kasse aussuchen und ihr mitteilen, dass man gern hinein möchte. Viele Kassen bieten Online-Anträge auf ihrer Website. Die neue übernimmt dann automatisch die Kündigung bei der alten. Wer berufstätig ist, muss seinem Arbeitgeber nur noch formlos mitteilen, wo er oder sie künftig krankenversichert ist. Die formale Bescheinigung schickt die neue Krankenkasse dem Arbeitgeber elektronisch zu. Das bedeutet: Wer jetzt im Januar den Umstieg in Angriff nimmt, ist nach zwei Monaten, also zum 1. April, in der neuen Kasse. Selbst kündigen wie bisher fällt weg. Noch schneller geht es nur bei einem Jobwechsel. Dann gibt es gar keine Wartezeit. Das Sonderkündigungsrecht von zwei Monaten bleibt für den Fall von Beitragserhöhungen bestehen. Neu ist seit Januar auch, dass Versicherte nur noch 12 Monate an eine Kasse gebunden sind. Bislang waren es 18 Monate.
● Können auch Senioren und Kranke wechseln? Ja. Gesetzliche Versicherer müssen jeden Wechselwilligen aufnehmen, ohne Gesundheitsprüfung. Auch Greise oder chronisch kranke Menschen können jederzeit ihrer bisherigen Kasse den Rücken kehren. Eine Altersbeschränkung gibt es nicht. „Keine Kasse darf Interessenten ablehnen, sie abwimmeln oder hinhalten“, betont Hubloher. Aber: Wer gerade erst eine Leistung genehmigt bekam, wie etwa Psychotherapie oder Reha, sollte nicht ausgerechnet kurz vor Behandlungsbeginn den Versicherer wechseln. Die nächste Kasse ist nicht an die alte Genehmigung gebunden. Hat die Behandlung beim Wechselprozess schon begonnen, ist ein Abbruch dagegen unwahrscheinlich. Wichtig: Wer wechseln möchte, muss keine Lücke bei der Absicherung befürchten. „Niemand kann aus dem gesetzlichen System fallen und plötzlich ganz ohne Krankenversicherung dastehen“, versichert Schemm.
● So findet man eine neue Kasse Wer keinen Internet-Anschluss zu Hause hat, kann bei einer Verbraucherzentrale einen telefonischen Beratungstermin ausmachen und sich beim Wechsel helfen lassen. Auf eigene Faust ist ein Leistungsvergleich zwischen den vielen bundesweit geöffneten Anbietern kaum machbar. Unterstützung bei der Kassensuche bietet auch die Marktübersicht von Stiftung Warentest unter www.test.de/krankenkassen (gegen 3,50 Euro Gebühr). Die Datenbank enthält Beitragssätze, Extraleistungen und Serviceangebote fast aller frei wählbaren gesetzlichen Krankenkassen. Auch kostenfreie Rechner von Online-Vermittlungsportalen wie etwa gesetzlichekrankenkassen.de, verivox.de oder check24.de helfen bei der Suche. Ähnlich wie beim Versicherungsoder Strompreis lässt sich so ein Wunschtarif herausfiltern.