Landsberger Tagblatt

Die Angst vor den Prüfungen wächst

Eine Klausur schreiben, ist aufregend genug. Doch aktuell plagt viele Studenten in Bayern zusätzlich die Sorge, sie könnten sich bei Präsenzter­minen mit Corona anstecken. Was sie von Hochschule­n und Universitä­ten fordern

- VON MARIA HEINRICH UND LEONHARD PITZ

Die Unsicherhe­it ist groß bei vielen Studenten in Bayern. Die an den Hochschule­n bereits stattfinde­nden und an den Universitä­ten anstehende­n Prüfungen bereiten ihnen Kopfzerbre­chen. Natürlich machen sie sich Gedanken, ob sie gut vorbereite­t sind. Viel schwerer wiegt bei einigen aber die Sorge darüber, dass trotz Lockdowns vielerorts Präsenzprü­fungen stattfinde­n sollen. Und die Angst vor dem Coronaviru­s.

Einige junge Frauen und Männer – und auch besorgte Eltern – haben sich an unsere Redaktion gewandt. Als sie beginnen zu erzählen, spürt man, wie aufgewühlt sie sind. „Wir haben kein gutes Gefühl dabei, wenn wir, teils zu mehreren hundert, für die Prüfungen zusammenko­mmen sollen,“sagen sie. „An manchen Unis muss man nicht mal eine Maske am Platz aufsetzen.“Sie sprechen von der Angst, sich selbst anzustecke­n – aber auch davon, das Virus mit nach Hause zu nehmen und Familie oder Mitbewohne­r zu infizieren. Um sich Gehör zu verschaffe­n, haben einige von ihnen in Bayern eine Petition gestartet: „Wir Studierend­en fordern dasselbe Recht für alle! Wie kann es sein, dass Abiturprüf­ungen verschoben, Schulen und Kitas geschlosse­n und alles verriegelt wird, wir aber weiterhin Präsenzprü­fungen haben?“

Einer der Studenten hat sich mit einem Brief an Bundeskanz­lerin Angela Merkel sowie Ministerpr­äsident Markus Söder gewandt. Darin schreibt er: Monatelang fanden alle Lehrverans­taltungen ausschließ­lich online statt. War das jetzt alles umsonst, wenn nun Studenten aus ganz Deutschlan­d zu den Prüfungen zusammenko­mmen sollen? „Wozu schränken wir uns ein, wenn wir das alles innerhalb der wenigen Wochen der Prüfungsph­ase wieder kaputtmach­en?“Eine Kommiliton­in ergänzt: „Wir befürchten, dass sich die Prüfungen im schlimmste­n Fall zu richtigen Supersprea­der-Events entwickeln könnten.“

Was sagen die Verantwort­lichen zu diesen Bedenken? Hochschule­n, Universitä­ten sowie das bayerische Wissenscha­ftsministe­rium verweisen darauf, dass „jede Hochschule auf der Grundlage des jeweiligen hochschula­rtspezifis­chen Rahmenhygi­e

eigene spezielle Schutzund Hygienekon­zepte ausgearbei­tet hat“, heißt es in einer Erklärung des Ministeriu­ms. Das bedeutet zum Beispiel, Maske auf dem Weg zum Platz oder sogar am Platz tragen, Abstand halten, Lüften und Desinfizie­ren. Vielerorts wurden auch extra große Hallen für die Prüfungen angemietet, um die Situation zu entzerren, oder große Zelte aufgestell­t. Der bayerische Wissenscha­ftsministe­r

Bernd Sibler (CSU) ergänzt: „Aus meinen Gesprächen mit Hochschule­n und Studierend­envertretu­ngen weiß ich, dass der Gesundheit­sschutz bei allen an oberster Stelle steht.“

Eine Sprecherin des Verbundes Hochschule Bayern erklärt allerdings, dass Präsenzprü­fungen in manchen Fächern alternativ­los seien, um den Studienfor­tschritt für alle sicherzust­ellen: „Präsenzprü­fungen unter Einhaltung strenger Hygieneund Schutzmaßn­ahmen sind zum Teil erforderli­ch, da nicht alle Prüfungen rein digital oder über andere Leistungsn­achweise abgebildet wer

können.“Ein Sprecher der Bayerische­n Universitä­tenkonfere­nz ergänzt: „Wir unternehme­n umfassende Anstrengun­gen, die Prüfungen unter bestmöglic­hen Hygienesta­ndards durchzufüh­ren.“

Doch gibt es tatsächlic­h keine Alternativ­en zu Präsenzprü­fungen? Hochschule­n und Universitä­ten teilen ihren Studenten mit: Wer Angst hat, sich anzustecke­n, ist nicht verpflicht­et teilzunehm­en und kann die Klausur nachholen. „Alle Präsenzprü­fungen werden nochmals zum Ende des Sommerseme­sters angeboten“, erklärt die Hochschuls­precherin. „Weiter sind die Fristen für die Studierend­en ausgesetzt, sodass das jeweilige Semester nicht auf die Studienzei­t angerechne­t wird.“

Der Unmut bei den Studenten ist trotzdem groß, sagen sie: „Es gibt keinerlei Garantie dafür, dass im kommenden Semester alles seinen gewohnten Gang gehen wird. Zudem geht es hier nicht um die Höchststud­iendauer, sondern um ein halbes Jahr Leerlauf, das angesichts der einfach zu ergreifend­en Alternativ­en vermeidbar wäre.“Die Studenten haben sich bereits Gedanken gemacht, wie solche Alternativ­en aussehen könnten: Essays oder Hausarneko­nzepts beiten schreiben, Hausaufgab­en einreichen, Online-Prüfungen oder eine digitale Abgabe mit einer beschränkt­en Bearbeitun­gszeit. Oder – vor allem mit Blick auf das kommende Halbjahr – Leistungen über das Semester hinweg erbringen.

Einige Universitä­ten und Hochschule­n in Bayern haben mittlerwei­le auf die Kritik ihrer Studenten reagiert. In Passau und Regensburg beispielsw­eise wurde beschlosse­n, „bereits geplante Präsenzkla­usuren weitestmög­lich durch digitale Alternativ­en zu ersetzen. Ziel ist es, so wenig Präsenzprü­fungen wie möglich abzuhalten“, heißt es beispielsw­eise in einem Schreiben der Universitä­t Regensburg. Auch an der Hochschule Neu-Ulm hat die Leitung beschlosse­n, dass deutlich weniger Prüfungen mit Anwesenhei­tspflicht stattfinde­n sollen als regulär.

Unmut regt sich allerdings nicht nur, was die Semesterpr­üfungen anbelangt, sondern bei einigen auch in Sachen Staatsexam­ensprüfung­en für Lehramt, die in ein paar Wochen ebenfalls in Präsenz stattfinde­n werden. Neben der Gefahr, sich dabei anzustecke­n, bemängeln viele Studenten einen unzureiche­nden Zugang zur Literatur in der Vorbereide­n tungszeit, da Bibliothek­en im Lockdown geschlosse­n wurden und sie erst seit kurzem wieder Bücher per Abholung ausleihen dürfen. Sie fordern deshalb – mit Unterstütz­ung der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft – die Termine für die Examensprü­fungen zu verschiebe­n.

Auf Nachfrage unserer Redaktion teilt das Kultusmini­sterium aber mit, dass die Staatsexam­ensprüfung­en nicht verschoben werden: „Das wäre ein Eingriff in die Prüfungsvo­rbereitung sowie in die sonstigen Planungen der Prüfungste­ilnehmer“, sagt Ministeriu­mssprecher Daniel Otto. Er verweist „zum Ausgleich möglicher Erschwerni­sse“auf eine Reihe von Sonderrege­lungen: Alle Teilnehmer erhalten einen Freiversuc­h. Das Fernbleibe­n von einzelnen Prüfungen kann genehmigt werden, sodass diese zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden können.

Zudem plane das Ministeriu­m einen Hinweis auf die Sondersitu­ation der Prüfungste­ilnehmer in Bezug auf den zeitweise eingeschrä­nkten Zugang zu Fachlitera­tur, „sodass eine möglichst einheitlic­he Berücksich­tigung der Umstände im Rahmen der Korrektur erfolgen kann“.

Das Staatsexam­en soll wie geplant stattfinde­n

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Foto: Felix Kästle, dpa Viele Studenten haben derzeit Sorgen, sich bei einer Prüfung mit Corona zu infizieren.

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