Ammersee
Wie das Ramsar-Abkommen bis heute wirkt
Dießen Nach 24 Dienstjahren als Gebietsbetreuer kennt Christian Niederbichler den Ammersee und die Feuchtgebiete Ampermoos und Ammersee-Süd wie seine Westentasche. Doch auch für ihn gibt es immer wieder großartige Momente: Der Artenreichtum, die Ursprünglichkeit der Landschaft, die Stimmungen im Wechsel der Jahreszeiten, all dies sei immer wieder aufs Neue überwältigend, sagt er. Während seiner Tätigkeit begleitete Niederbichler auch pragmatische Entscheidungen der Behörden, sein Gebiet betreffend, die in der Region durchaus kontrovers diskutiert wurden. Dazu gehören der Bau der Sohlschwelle in der Amper bei Grafrath und die Diskussion um einen Radweg an der Birkenallee zwischen Dießen und Fischen.
Aus Sicht des Gebietsbetreuers ist die Sohlschwelle ein Segen für das Ampermoos. Erbaut wurde sie 2013 als Bestandteil eines Pflege- und Entwicklungsprogramms, das bereits 1986 aufgelegt wurde und die Sohlschwelle bei Grafrath als wichtigste Maßnahme zur Wiedervernässung des Ampermooses empfahl.
Niederbichler erinnert sich an lebhafte Diskussionen in Gemeinderatssitzungen oder bei Bürgerversammlungen. Schließlich gab es auch Bürger, die Nachteile für die Landwirtschaft oder eine Zunahme der Mückenpopulation befürchteten.
Erfolg der Wiedervernässung ist sichtbar
„Aber die meisten waren interessiert an sachlichen Informationen über das Naturschutz- und FFHGebiet.“
Ziel der Wiedervernässung war und ist der Erhalt des Ampermooses mit einer artenreichen und moortypischen Tier- und Pflanzenwelt, die aufgrund menschlicher Eingriffe in eine Schieflage gekommen war, weil dem Niedermoor mehr und mehr das Wasser abgegraben worden war. In den 1980er-Jahren wiesen die moortypischen Pflanzengesellschaften auf etwa der Hälfte der Fläche des Mooses Schädigungen auf und Allerweltsarten wie Brennnessel, Landreitgras, Goldrute und Landschilf verdrängten die hoch spezialisierte Niedermoorflora.
Seit acht Jahren steigt der Wasserstand der Amper dank der Sohlschwelle bei Mittelwasser nun um 40 Zentimeter. Der Aufstau macht sich umso stärker bemerkbar, je niedriger die Wasserführung in der Amper ist, und führt in den Bächen und Entwässerungsgräben im Moos zu einer Erhöhung der Wasserstände, vor allem entlang der geschädigten Uferbereiche. Schon nach wenigen Jahren sei ablesbar gewesen, so Niederbichler, dass die noch vorhandenen typischen Pflanzenarten und Vegetationsgesellschaften gesichert sind. „Verschwunden geglaubte oder stark zurückgedrängte Tier- und Pflanzenarten siedeln sich wieder an und entwickeln sich“, freut sich der Gebietsbetreuer.
„Reaktionen des Ökosystems nach dem Bau der Sohlschwelle werden auch durch ein Monitoringprogramm dokumentiert“, erklärt Niederbichler. Für ihn ist die Wiedervernässung eine Erfolgsgeschichte. „Profitiert haben alle Arten, die auf hoch anstehendes Moorund Grundwasser angewiesen sind, wie das Torf-Glanzkraut – eine seltene Moororchidee – oder die Skorpionsmoos-Wasserschlauch-Schlenken. Bei den Tieren gehört die Bekassine zu den Gewinnern, die mit ihrem nur rund sieben Zentimeter langen Schnabel einen feuchten Oberboden zur Nahrungssuche braucht, ebenso wie die Wasserralle oder das seltene Tüpfelsumpfhuhn. Auch die Große Sumpfschrecke, eine Art der Roten Liste, hat einen hohen Anspruch an die Feuchte ihres Lebensraumes und ist nun wieder im Ampermoos anzutreffen.“
Ein weiteres Projekt im RamsarGebiet, das Dießen, Raisting und Pähl bereits seit den 1980er-Jahren beschäftigt, ist die Frage nach einer Radwegeverbindung durch das FFH-Gebiet am Südufer. 2008 wurde der Bau eines Radwegs entlang der Birkenallee offiziell zu den Akten gelegt. Das Planfeststellungsverfahren wurde mit der Begründung eingestellt, dass aus naturschutzrechtlicher Sicht keine Aussicht auf Genehmigung des Radwegs zwischen Dießen und Fischen bestehe. Mittlerweile hätten sich zudem das Naturschutzgesetz, die FFHRichtlinie und die EU-Vogelschutzrichtlinien weiter verschärft, wie Niederbichler weiß.
Doch die Gemeinden beschäftigt das Thema nach wie vor. Im Januar 2015 fand im Rathaus in Dießen eine Diskussion mit Vertretern der öffentlichen Belange statt, deren Stellungnahmen in einer Broschüre, an der Niederbichler beratend mitwirkte, dokumentiert wurden. Zu finden ist sie unter dem Titel „Radweg Ammersee-Süd“zum Beispiel auf der Homepage der Gemeinde Raisting.
Die kritischen Bereiche liegen demnach im Schutzgebiet westlich der Alten Ammer, insbesondere entlang der Birkenallee. Dort würde ein Radweg zu erheblichen Beeinträchtigungen für die Lebensraumtypen Pfeifengraswiese und artenreiche Mähwiese führen, wo unter anderem auch der Große Brachvogel zu Hause ist.
„Ausnahmen, die zu einer Zulassung eines Radwegs von Fischen nach Dießen führen würden, müssten im Wesentlichen zwei Voraussetzungen erfüllen: Das Projekt müsste aus Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses notwendig und alternativlos sein“, erklärt Niederbichler. Diese Ausnahmetatbestände greifen für eine Errichtung eines Radwegs entlang der Birkenallee allerdings nicht, da mit der Raistinger Schleife eine Alternative für Radfahrer besteht und diese unter Berücksichtigung der Schwere des Eingriffs in das Vogelschutzgebiet durch den Bau und Betrieb einer Radstrecke entlang der Staatsstraße auch zumutbar sei.
Um eine sichere Anbindung zu gewährleisten, so die Empfehlung der Regierung, müsste diese allerdings von Dießen her besser erschlossen werden. Die Umsetzung dieses Vorhabens würde sich auch Christian Niederbichler als Radler und Naturschützer sehr wünschen. Bei den Pfeifengraswiesen und den artenreichen Mähwiesen, so Niederbichler, würde schon die kleinste Wegnahme zu erheblichen Beeinträchtigungen für viele seltene Arten führen. Bei beiden Lebensraumtypen liege die Verlustrate bayernweit in den letzten 50 Jahren bei über 90 Prozent, und im FFH-Gebiet Ammersee-Süd entlang der Birkenallee sei der Bestand nur gering. „Deshalb spielen hier kleinste Veränderungen eine extrem große Rolle. Da zählt jeder Quadratmeter.“
Am AmmerseeSüdufer zählt jeder Quadratmeter