Der Mann, zu dem die Häuser sprechen
Friedrich Altewische gestaltet Wohnräume, Häuser, Restaurants und Hotels. Sein Showroom ist die eigene Wohnung in einer Villa in St. Georgen. Ein zweites Standbein hat der Dießener beim Film
St. Georgen Seine Wohnung im ersten Stock der Villa Salomon in St. Georgen ist zugleich Ausstellung. „So kann ich zeigen, was ich kann“, sagt der kreative Planer Friedrich Altewische. Von „aufgeblasenen Showrooms“hält er nichts. Vom Flur zu seinem Büro im 60 Quadratmeter großen Wintergarten gehen zu beiden Seiten die Türen zu seinen privaten Räumen ab: Küche, Schlafzimmer, Wohnzimmer und ein Zimmer für die erwachsene Tochter, die häufig zu Besuch kommt. Alle Türen stehen weit offen. Kunden und Besucher bekommen so unmittelbar nach der Begrüßung einen Eindruck vom Schaffen des Inhabers des Planungsbüros „Fredericos Manufacture“.
Der weitläufige Wintergarten bietet einen Ausblick über den Dießener Schacky-Park bis zum Ammersee. Hier geht der gebürtige Penzberger, der in München aufwuchs, in Tutzing groß wurde und bis vor drei Jahren in Pähl lebte, in seiner projektfreien Zeit Segeln. Im Winter zieht es ihn zum Skifahren in die Berge – einmal die Woche, wenn nicht gerade Lockdown ist.
Büro und Wohnen unter den hohen Decken des Altbaus vereinen für Altewische viele Vorteile. Bis spät abends könne er so in seinem Büro kreativ sein, sagt er. In dem lichtdurchfluteten Raum erstellt er Mood Boards für seine Kunden – Mustertafeln mit den Farben, Materialien und Texturen, mit denen er deren Räume neugestalten will. Als ausgebildeter Schreiner sei er ein haptischer Mensch – und was die Präsentation seiner Ideen anbelangt, altmodisch. Dementsprechend gibt er den Kunden auch die Materialien, die er für sie auswählt, an die Hand.
Seine Werkstatt hat Friedrich Altewische vor Langem aufgegeben. Er arbeitet jetzt an Projekten. „Ich mache nur noch, worauf ich Bock habe“, sagt er, glücklich, dem Hamsterrad der Firma mit Angestellten entkommen zu sein. Aufträge von Menschen, „die meinen, sich mit Geld alles kaufen zu können“, lehne er ab. Lieber leiste er sich, zwei Wochen keine Arbeit zu haben als hinterher zwei Wochen Ärger. Für die Gestaltung von Lebensräumen schaut er hinter die Fassaden, taucht für ein bis zwei Tage in den Privatbereich seiner Kunden ein.
Die Objekte, um die es geht, schaut er sich vorher eingehend an, lässt die Atmosphäre auf sich wirken. Den Auftrag, ein altes Haus in Ehrwald abzureißen und neu aufzulehnte er aus Gewissensgründen ab. „Das Haus sagte: ‚Fritz, hilf mir’“, erzählt er – überzeugt davon, dass Gebäude eine Seele haben, beseelt sind von den Menschen, die in ihnen lebten. Sein Motto laute „Sicher – ich lebe“, nicht „Ich lebe sicher“. Er verstehe sich als Dienstleister im Sinne von Bereichern, sagt der charismatische 57-Jährige.
Seinen Lehrberuf ergriff er nach dem Hauptschulabschluss dem Vater zuliebe, einem Berufssoldaten, dem die Sicherheit eines Jobs für seinen Sohn über alles ging. „Eigentlich wollte ich DJ werden“, erzählt der 57-Jährige. Als Teenager sei er mit dem Motorroller und einer Kiste voll LPs als Discjockey im
Oberland unterwegs gewesen und habe ein Vorstellungsgespräch bei Thomas Gottschalk ergattert, der zu dieser Zeit „Pop nach 8“in Bayern 3 moderierte. Auch vom Sender wurde er eingeladen, doch dessen Auflage, eine Hörfunkjournalistenausbildung zu machen, passte nicht zu dem Freigeist. Ohnehin hatte der Vater bereits einen Lehrvertrag in einer Schreinerei für ihn unterschrieben – für den Jugendlichen gab es kein Entkommen aus der vorgesehenen Spur.
Die Lehre zog er durch, obwohl ihn die gestellten Aufgaben nicht erfüllten. Von seinem ursprünglichen Berufswunsch hatte er sich bis zum Abschluss seiner Ausbildung verabbauen, schiedet. „Mit der Musik hatte ich danach nichts mehr am Hut“, erzählt er. Vielmehr hatte er sich mit dem Schreinerberuf arrangiert und probierte als Disponent eines großen Möbelhauses für mehrere Jahre das Angestelltendasein – um festzustellen: „Das bin ich nicht.“
Früh erhielt Altewische erste Aufträge als Filmbühnenbauer. Mit 27 Jahren lebte er für ein halbes Jahr in Los Angeles, baute die Bühne für einen Film in den Universal Studios. „Das hätte eigentlich in Deutschland gebaut werden sollen, wurde aber dann verlegt“, erzählt er.
Als er einen Abschluss zum Handelsfachwirt erworben hatte, gelangte er zur Postproduction beim
Film, der Nachbearbeitung nach dem Drehen. Als Art Director arbeitete er unter anderem für den Landsberger Regisseur Tom Bohn.
Heute gestaltet Altewische Lebensräume – Wohnungen, Häuser, Gastronomiebetriebe und Hotels. Sein Arbeitsfeld ist die Planung und Projektleitung bei Ausstattung, Umbau und Neubau. Zu seinen Auftraggebern gehören Personen, die diskretes Stillschweigen über seine Arbeit und ihre Privatsphäre verlangen – wie der im Januar 2020 verstorbene Sultan Qabus bin Said, Herrscher des Oman. Dessen private Gemächer in Garmisch stattete Altewische mit aus. Beteiligt war der 57-Jährige zudem an der Umgestaltung von Wohnungen im SisiSchloss Possenhofen, der ThomasMüller-Bar im Vereinsheim des TSV Pähl oder vor zehn Jahren in „Deutschlands höchstem Restaurant“auf der Zugspitze. Fast ein halbes Jahr lang habe er als Projektleiter auf dem Gipfel übernachtet, erzählt er. „Es war ein eindrucksvolles Erlebnis, dort über allem zu sein und auf unser Land herunter zu schauen“, schwärmt er. „Da friert’s mich heute noch.“
Wer sehen möchte, wie Friedrich Altewische privat lebt, darf auf den Film „Losgelassen“gespannt sein, für den er als begleitender Producer
Nach der Hauptschule in die Schreinerlehre
Seine Auftraggeber mögen es gerne diskret
neben Hans-Joachim „Bulle“Berndt fungierte. Gedreht wurde das Thriller-Drama um eine Frauen-WG in Altewisches Altbauwohnung, die er erst im August bezogen hat. Der Filmstart ist allerdings noch nicht terminiert. Auch steht nicht fest, ob das ursprünglich fürs Kino gedrehte Werk nicht doch fürs Fernsehen angepasst wird. Mit diesem Projekt schließe sich der Kreis zu seinem Beruf, sagt der 57-Jährige. Die Arbeit für die Filmbranche wolle er weiter ausbauen – neben dem Schreiben an einem Buch zum Thema Achtsamkeit. Mit diesem möchte er aufrufen zu einem neuen Bewusstsein für das Leben und die Welt. „Ich sehe die derzeitige Krise als Chance“, sagt er.
Ins Ausland zieht es ihn beruflich immer wieder, doch nicht dauerhaft. „Heimat“, findet Friedrich Altewische, „ist eine wichtige Geschichte.“Nach seiner Scheidung und dem Verkauf seines Hauses in Pähl reiste Friedrich Altewische, der heute in einer Fernbeziehung glücklich ist, viel: Kuba, Mauritius, Türkei. „Ich hab mir alles angeschaut, früher konnte ich mir das nie leisten“, sagt er. „Früher“– das war das Hamsterrad mit eigener Firma und zwei Angestellten.