Woher die Inspiration kommt, ist doch eigentlich egal
Barbara Manns und Klaus Wingefeld sind, was man ein harmonisches Ehepaar nennen kann. Gemeinsam stiegen sie aus einem erfolgreichen Berufsleben aus und kamen nach Utting. Als Künstlerpersönlichkeiten gehen sie jedoch auf Abstand zueinander
Utting Was tun, wenn’s im Leben gerade so richtig läuft? Schongang einlegen, laufen lassen? Für Barbara Manns und Klaus Wingefeld war das keine Option, ihre Antwort auf diese Frage fiel ganz anders aus: Sie „zogen die Reißleine“, veränderten sich, und das radikal. Im Beruf, Freundeskreis und Eigenheim kaum angekommen, sehnte sich das Paar wieder hinaus aus dem „gemachten Nest“, weg von der Routine des Alltags, dessen Sicherheit – und dem Tribut, den man einer „soliden bürgerlichen Existenz“zu zollen hat.
Als Verleger eines Katalogs für Industriegüter und als Grafikerin in einem Medizinverlag waren beide beruflich stark eingebunden, verdienten entsprechend gut und spürten doch: Je mehr sie hatten, desto mehr fehlte ihnen – allem voran der Kontakt zu sich selbst und ihrer kreativen Ader. Die wenigen Stunden im Atelier waren ihren vielen Verpflichtungen mühsam abgerungen. So, da waren sie sich einig, sollte und konnte es in den nächsten Jahren nicht weitergehen.
Also verabschiedeten sie sich aus ihrem Leben in Baden-Württemberg und orientierten sich in Richtung Bayern, wo Klaus Wingefeld seine Kindheit und Jugend verbracht hatte. Fündig wurde das Ehepaar vor 15 Jahren in Utting. „Die Entscheidung für das Haus hier in Holzhausen haben wir, ohne etwas über die Geschichte der Scholle-Maler an diesem Ort zu wissen, ganz aus dem Bauch heraus getroffen“, erzählen sie. Und Klaus Wingefeld, besser bekannt unter Pseudonym „Claudio“, fügt hinzu: „Ganz so mache ich es auch in der Malerei. Jeden Pinselstrich setzt da das Gefühl.“Es sei, veranschaulicht er es, mit der Fantasie wie mit einer Quelle: Was sie hervorbringe, sei weder vorherseh- noch steuerbar.
Und, bleibt er im Bild, er werde sich hüten, diese Quelle „zu fassen“. Die Festlegung auf einen bestimmten Stil kommt für Claudio nicht infrage. Anleihen dagegen „finden sich ein“und fügen sich als nun
Reiter, als mal liebevoll hingetüpfelte, dann wieder mit raschem Strich skizzierte Selbstporträts, expressive Landschaftsmalerei oder altmeisterliche Stillleben in – überraschenderweise – das immer gleiche Format. „Seit einigen Jahren fasziniert mich das Quadrat“, erklärt Claudio, diese „Form gibt meinen Fantasien Halt und lässt trotzdem so unendlich viel Raum für alle meine Bildideen.“
Fantasie, getragen von einem besonders aufmerksamen und vor alseinem lem liebevollen Blick auf die Welt, beweist Claudio auch in seinen Kinderbüchern. Drei davon, „Dracherl“, „Die Mutkugel“und „Das elektrische Schwein“, hat er im Eigenverlag veröffentlicht, ein viertes ist in Planung. An Ideen fehlt es ihm nicht. Und überhaupt, „Kinderbücher zu schreiben“, sagt der 76-Jährige leichthin, „ist einfach“– wenn man selbst ein Kind geblieben ist.
Das „Kind in sich“ruft Barbara Manns bei ihrer Arbeit nur selten wach. Sie agiert eher aus dem Ver„Gelber“ stand heraus, setzt sich Themen und wählt die künstlerischen Mittel entsprechend absichtsvoll. Wenn sie sich gedanklich intensiv mit einem Stoff befasst und „Feuer fängt“, lässt die Inspiration nicht lange auf sich warten. Oft kommt es vor, dass ihr im Traum eine Bildidee erscheint, die sie dann nur noch auf die Leinwand übertragen muss.
Unter anderem ihr jüngster Werkzyklus zur griechischen Mythologie in einer Auseinandersetzung aus weiblich orientierter Perspektive
verdankt sich solcher „Nachtgesichte“. Es gebe, so ihre Erfahrung, sehr unterschiedliche Quellen, und „woher die Inspiration kommt, ist doch eigentlich egal“, zeigt sich Barbara Manns überzeugt. Bei aller Harmonie im Zusammenleben, immerhin seit 21 Jahren sind die beiden Künstler ein Paar, sei eines für sie jedoch völlig undenkbar: „Ein Atelier für uns beide, das würde nicht funktionieren“, erteilt die Grafikerin und Malerin dem eine klare Absage: „Dafür sind wir in der Kunst zu unterschiedlich.“
Auch ihre Werke präsentieren sie deshalb meist getrennt voneinander und stellen nur ausnahmsweise im größeren Rahmen, etwa bei den Uttinger Ateliertagen, zusammen aus.
Je mehr sie hatten, desto mehr fehlte ihnen
Nur ausnahmsweise wird gemeinsam ausgestellt
Beinahe täglich fährt die 66-Jährige in ihr Atelier in Utting und widmet sich dort ihrer Arbeit, in der sie in konsequent figurativer Darstellungsweise die „menschliche Figur und aktuelle Themen, besonders Frauenthemen“, in den Vordergrund stellt und sich vor allem bei ihren Porträts als sehr einfühlsame und genaue Beobachterin erweist.
Ebenfalls im Eigenverlag hat Barbara Manns den Fotoband „Utting am Ammersee – andersARTig“vorgelegt, den sie 2012 auf Streifzügen durch den Ort gemeinsam mit ihrem Bruder Boris erarbeitet hat. Nur wenige klassische Postkartenmotive finden sich darin und umso mehr mitunter kuriose Details sowie kunstvoll erspähte, dem raschen Blick oft verborgene und doch ortstypische Ansichten – einen Großteil sicherte sich die Gemeinde Utting gleich bei Erscheinen der ersten Auflage.