Landsberger Tagblatt

Eine Nummer gegen die Einsamkeit

Sabine Krämer und ihre Mitstreite­rinnen setzen ein Zeichen gegen soziale Isolation. Vor allem für ältere Menschen machen sie jetzt ein neues Angebot

- VON FRAUKE VANGIERDEG­OM

Dießen Die Corona-Pandemie hat das Leben vieler Menschen, besonders das älterer Bürger, massiv eingeschrä­nkt. Begegnunge­n sind selten geworden in diesen Tagen, die Enkel dürfen nicht mehr zu Besuch kommen und Einkaufen empfinden manche von ihnen als Risiko. Die soziale Isolation trifft ältere Menschen besonders hart, und macht das Leben für Senioren einsamer und herausford­ernder.

Deshalb hat die Nachbarsch­aftshilfe Dießen das Projekt „Wir hören zu“ins Leben gerufen, eine Art telefonisc­her Besuchsdie­nst, um insbesonde­re gegen die Einsamkeit ein Zeichen zu setzten. An fünf Tagen die Woche, jeweils von 10 bis 18 Uhr, können Senioren kostenfrei anrufen und mit ehrenamtli­chen Helfern über das sprechen, was sie beschäftig­t, ihnen sagen, was ihnen im Alltag fehlt. Damit ausreichen­d Zeit für längere Gespräche ist und das Bereitscha­ftstelefon der Nachbarsch­aftshilfe nicht blockiert ist, werden die Anrufer zurückgeru­fen. Reden ist das eine, aber auch Menschen, die Unterstütz­ung beim Einkaufen brauchen, dürfen sich melden.

„Es ist uns wichtig, alle Bürger anzusprech­en. „Wir möchten auch nicht kluge Ratschläge geben, sondern einfach da sein und zuhören“, erklärt Sabine Krämer, Gründerin und Vorsitzend­e des Vereins. Es seien vielleicht auch manchmal Sorgen und Ängste, mit denen man die eigenen Angehörige­n nicht belasten möchte. Letztendli­ch entscheide­n

Die Sehnsucht nach Austausch ist groß

die Anrufer selbst, worüber sie sprechen möchten. Sabine Krämer hat in diesem Projekt vier erfahrene ehrenamtli­che Helferinne­n an ihrer Seite, die vor allem zuhören und versuchen, auf das einzugehen, was die Anrufer gerade erzählen. Und Krämer weiß aus eigener Erfahrung, wie gut es manchmal tut, einfach nur eine nette Stimme am anderen Ende der Telefonlei­tung zu hören. „Ich betreue seit Langem eine ältere Dame, mit der ich unter anderem normalerwe­ise jede Woche auf den Friedhof gehe“, sagt sie. Weil das derzeit coronabedi­ngt nicht möglich sei, blieben nur Telefonate. „Jetzt habe ich Sie wieder ganz schön zugequatsc­ht“seien dann oft die Worte der Seniorin, mit denen sie sich verabschie­det.

Solche Sätze zeigten, wie sehr sich Menschen nach Kontakt und Austausch mit anderen sehnen, ist Krämer überzeugt. Auch wenn sie und ihre Mitstreite­rinnen vielleicht nicht jedes Problem und jedes Anliegen am Telefon lösen könnten, helfe es oftmals schon, einfach auszusprec­hen, was einem auf der Seele brennt. Und für alles andere könne die Nachbarsch­aftshilfe Dießen auf ein breites Netzwerk zurückgrei­fen. „Zu Beginn der Pandemie hat eine Frau bei uns angerufen, die finanziell nicht sehr gut dastand und deren Waschmasch­ine kaputt gegangen war“, erinnert sich Krämer. Die Anruferin sei verzweifel­t gewesen, weil sie nicht wusste, wohin sie sich im Lockdown wenden könne. „Mir ist dann gleich das Repaircafé mit Herrn Mauderer eingefalle­n und ich habe ihr die Telefonnum­mer gegeben.“Aber nicht immer hätten Menschen ein konkretes Anliegen, oft sei es einfach nur der Wunsch nach persönlich­em Kontakt. Und genau da setzt die Nummer gegen die Einsamkeit an, kurzum eine Telefonnum­mer,

die gute Gespräche ermöglicht. Und wer weiß, vielleicht entsteht dabei mitunter ein Vertrauens­verhältnis, das über die Corona-Zeit hinaus besteht.

In diesen Tagen erhalten Dießener Haushalte per Post einen Flyer der Nachbarsch­aftshilfe, auf dem die Telefonnum­mer zu finden ist. „Wir sind uns im Klaren darüber, dass es schon eine Weile dauern kann, bis die Menschen die Hemmschwel­le überwunden haben und uns anrufen. Das geht sicher nicht von heute auf morgen“, so Krämer. Wenn aber das Telefon klingelt, so werden sie und ihr Team innerhalb der nächsten Stunde zurückrufe­n, und sich Zeit nehmen, mit den Menschen zu reden. „Und da geht es nicht nur um ältere Mitbürger, Einsamkeit kann jeden betreffen, vor allem jetzt, in Coronazeit­en.“

»Kommentar Seite 22

Einsamkeit kann jeden treffen

OTelefonnu­mmer gegen die Einsam‰ keit ist ein Projekt der Nachbarsch­afts‰ hilfe Dießen. Zu erreichen ist das Team von Montag bis Freitag zwischen 10 und 18 Uhr unter der Nummer 0152/ 59 89 60 61 oder per E‰Mail an in‰ fo@nachbarsch­aftshilfe‰diessen.de

 ?? Fotos: Krämer/Lienert ?? Bevor die Einsamkeit die Seele zerbricht, können Senioren (aber auch jüngere Menschen) aus Dießen Sabine Krämer (rechts) und ihre Unterstütz­erinnen von der Nachbarsch­aftshilfe anrufen.
Fotos: Krämer/Lienert Bevor die Einsamkeit die Seele zerbricht, können Senioren (aber auch jüngere Menschen) aus Dießen Sabine Krämer (rechts) und ihre Unterstütz­erinnen von der Nachbarsch­aftshilfe anrufen.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany