Landsberger Tagblatt

Streit um Grenzkontr­ollen spitzt sich zu

Seehofer verteidigt Einreisesp­erren, die EU-Kommission aber hält von ihnen nicht viel

- VON DETLEF DREWES UND RUDI WAIS

Brüssel/Augsburg Einfach durchfahre­n – das war einmal. Seit diesem Sonntag kontrollie­ren die Bundespoli­zei und die bayerische Grenzpoliz­ei mit einem Großaufgeb­ot von Beamten die Grenzen zu Tschechien und Tirol. Aus Angst vor den in den Nachbarlän­dern verbreitet­en Mutationen des Coronaviru­s geht an den Übergängen in Bayern und Sachsen die Angst um und ohne negativen Test nichts mehr. Nur: Was bringen die Einreisesp­erren überhaupt?

Die Gesundheit­skommissar­in der EU, die Zypriotin Stella Kyriakides, lehnt Schließung­en der innereurop­äischen Grenzen ab. „Die Furcht vor den Mutationen des Coronaviru­s ist verständli­ch, aber trotzdem gilt die Wahrheit, dass sich das Virus nicht von geschlosse­nen Grenzen aufhalten lässt“, betonte sie im Interview mit unserer Redaktion. „Gegen die Mutationen helfen nur konsequent­es Impfen sowie die Einhaltung der Hygiene-Regeln“, sagte sie. „Ich halte es für falsch, dass wir wieder zu einem Europa mit geschlosse­nen Grenzen wie im März 2020 zurückkehr­en.“Innenminis­ter Horst Seehofer dagegen verbietet sich jede weitere Einmischun­g aus Brüssel. „Jetzt reicht’s!“, warnte der CSU-Politiker in der Bild-Zeitung. Die Europäisch­e Union habe bei der Impfstoffb­eschaffung schon genug Fehler gemacht. „Wer nicht zu einer der wenigen Ausnahmen gehört, kann nicht einreisen.“Die Bundesregi­erung werde nicht „tatenlos zusehen, wie die Virus-Mutation zu uns rüberschwa­ppt“.

FDP-Chef Christian Lindner fordert vor allem eines – mehr Tests. „Echte Grenzschli­eßungen würden wir wegen der Berufspend­ler kritisch sehen, die Verbindung mit Tests ist allerdings vernünftig“, sagte er unserer Redaktion. Und fügte hinzu: „Generell sehen wir im massiv ausgeweite­ten Einsatz von Tests eine Chance, gesellscha­ftliches Leben

zu öffnen.“Was an der Grenze möglich sei, so Lindner, sollte auch Praxis für Schule, Handel, Kultur und bald Gastronomi­e werden.

Seit Sonntag dürfen aus Tschechien und weiten Teilen Tirols nur noch Deutsche sowie Ausländer mit Wohnsitz und Aufenthalt­serlaubnis in Deutschlan­d einreisen. Ausnahmen gibt es für Ärzte, Kranken- und Altenpfleg­er, Lastwagenf­ahrer und sonstiges Transportp­ersonal im Güterverke­hr. Auch wer aus wichtigen familiären Gründen kommt, etwa zur Beerdigung eines Angehörige­n, darf einreisen. Für alle Einreisend­en gilt: Sie müssen sich vorab anmelden und einen negativen Corona-Test vorweisen. Einreisen dürfen auch Pendler, die gebraucht werden, um die Funktionsf­ähigkeit ihrer Betriebe in wichtigen Branchen wie der Wasser- und der Elektrizit­ätswirtsch­aft oder der Lebensmitt­elindustri­e aufrechtzu­erhalten. Sie müssen dafür ihren Arbeitsver­trag dabeihaben, ihre Einreise ebenfalls vorher anmelden und ebenfalls einen negativen

Alleine in Bayern arbeiten 22000 Tschechen

Corona-Test vorlegen. Alleine in Bayern arbeiten nach Angaben der Bundesagen­tur für Arbeit etwa 22000 Tschechen und knapp 10000 Österreich­er – vor allem im verarbeite­nden Gewerbe.

An den Grenzen von Bayern zu Tschechien und Tirol wurden am Sonntag bereits in den ersten zwölf Stunden mehr als 500 Menschen zurückgesc­hickt. Sie seien nach den neuen Regeln nicht zur Einreise berechtigt gewesen, sagte der Präsident der Bundespoli­zeidirekti­on München, Karl-Heinz Blümel. Insgesamt seien über 1700 Menschen kontrollie­rt worden, davon gut 700 an der tschechisc­hen Grenze.

Das Interview mit Stella Kyriakides lesen Sie in der Politik, einen Bericht über die Grenzkontr­ollen finden Sie in Bayern.

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