Geimpfte Krapfen
Der Kriminalfall um die entführte Ursula Herrmann ist für viele nicht abgeschlossen. Jetzt sorgte ein Bekennerschreiben für Interesse. Was plant nun Anwalt Walter Rubach? Er vertritt den inhaftieren Werner M.
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Landsberg Der Fall der entführten Ursula Herrmann aus Eching am Ammersee scheint nach 40 Jahren immer noch nicht gelöst zu sein. Zumindest sorgte ein Bekennerschreiben, das der Landsberger Anwalt Joachim Feller bekam, wieder für Unruhe und Zweifel an der Schuld des inhaftierten Werner M.
Das LT sprach mit dem Augsburger Anwalt des Verurteilten, Walter Rubach, wie er das Bekennerschreiben einschätzt und ob er nun versucht, den Fall neu aufzurollen.
Ihr Mandant sitzt im Gefängnis für eine Tat, die er nie gestanden hat. Wie haben Sie damals die Indizien, die für seine Schuld sprachen, beurteilt?
Walter Rubach: Es gab und gibt heute auch noch zwei Säulen, zwei Hauptindizien, auf denen die Beweisführung gegen Werner M. beruht. Das ist zum einen das Tonbandgerät Grundig TK 248 und zum anderen die Aussage und das Geständnis des von mir als Kronzeuge bezeichneten Zeugen Klaus P. Im Schwurgerichtsverfahren war schon der Erwerb des TK 248 durch M. diskussionswürdig, er behauptete nämlich mit guten Gründen, es erst 2007 in Beverungen auf einem Flohmarkt gekauft zu haben. Erst recht fraglich ist aber die Geeignetheit des Geräts, in die Produktion der sogenannten Tätertonfolge eingebaut gewesen zu sein.
Die Geeignetheit wurde nicht nur von Michael Herrmann, dem Bruder des getöteten Mädchens, sondern natürlich auch von mir angezweifelt und angegriffen. Ich habe deshalb wegen der nicht von der Hand zu weisenden Zweifel an den beiden Hauptindizien nach dem Grundsatz „in dubio pro reo“einen Freispruch für Herrn Werner M. beantragt.
Jetzt gibt es ein neues Bekennerschreiben – nicht von Ihrem Mandanten. Werden Sie versuchen, den Fall neu aufzurollen? Kennen Sie es und was halten Sie davon?
Rubach: Ich kenne dieses Schreiben. Es enthält erstaunlich viele Details aus den Akten. Ich bezweifle aber, dass auf dieses Bekennerschreiben allein ein Wiederaufnahmeverfahren gestützt werden könnte. Derzeit liegt der Fokus der Versuche, ein Wiederaufnahmeverfahren einzuleiten, immer noch auf dem Tonbandgerät und der Aussage des Kronzeugen.
Sie haben erneut Akteneinsicht beantragt. Was versprechen Sie sich davon? Gab es damals Unklarheiten?
Rubach: Das Verfahren ist und war geprägt von Unklarheiten, insbesondere Ermittlungspannen. Wie Sie wissen, sprach der damalige leitende Oberstaatsanwalt Ammer von einem „Spurenvernichtungskommando“. Es geht mir also darum, die seinerzeit gesammelten Spuren noch einmal aufzugreifen und zu prüfen, ob die Spuren nicht doch einen brauchbaren Ermittlungsansatz bringen könnten.
Die Autorin Christa von Bernuth schrieb einen Roman zum Fall, ein anderer Fall ( hier wurde der Fall einer verschwundenen Frau erst nach 30 Jahren aufgeklärt) wurde gerade mit Matthias Brandt verfilmt. Auch der Fall Ursula Herrmann weckt 40 Jahre nach der Tat großes Medieninteresse. Denken Sie, das hilft den Fall endgültig zu klären?
Rubach: Dieser Film, in dem es ja um das Schicksal der Schwester eines Kripobeamten geht, bietet ein gutes Beispiel für individuelles und Behördenversagen. Die Sensibilisierung der Öffentlichkeit kann aus meiner Sicht durchaus auch geeignet sein, die Behörden, die den Fall Ursula Herrmann gerne mit der Verurteilung von Werner M. ad acta legen wollten, wieder aufzuscheuchen. Beispiele dafür gibt es genug.
Rechtsanwalt Feller (er vertritt Ursula Herrmanns Bruder) findet die Indizien für eine andere Tätertheorie, mit der eine Gruppe von ehemaligen Schülern aus dem Landheim Schondorf belastet wird, sehr viel schlüssiger als die, die Ihren Mandanten belasten. Sehen Sie das auch so?
Rubach: Man muss in solchen
Verfahrensstadien unterscheiden zwischen dem, was schlüssig erscheint – und da stimme ich Herrn Herrmann und Herrn Feller zu – und dem, was wiederaufnahmerechtlich von Bedeutung sein könnte. Ich befürchte, dass die Landschulheim-Hypothese nicht sehr weit führen wird, weil die Tatsachen im Sinne des Wiederaufnahmerechts nicht wirklich neu sind, denn sie waren zumindest teilweise schon im Schwurgerichtsverfahren abgehandelt worden. Das Bekennerschreiben wäre eine „neue Tatsache“im Sinne von § 359 Strafprozessordnung. Es müsste halt verifiziert werden können.
Im Zweifel für den Angeklagten?
Wie geht es nun weiter? Gibt es noch juristische Möglichkeiten?
Rubach: Rechtlich gesehen gibt es nur ein Wiederaufnahmeverfahren unter der Bedingung, dass man die Voraussetzungen nach der Strafprozessordnung herbeischaffen könnte. Also bei neuen Tatsachen oder Beweisen.
Das Interview führte LT-Redaktionsleiterin Alexandra Lutzenberger.