Landsberger Tagblatt

Ein Freispruch mit Verfallsfr­ist

Nach dem gescheiter­ten Amtsentheb­ungsverfah­ren drohen Donald Trump nun strafrecht­liche Verfahren vor Gericht. Die Republikan­er aber bleiben in seinem Klammergri­ff. Wie Nachfolger Joe Biden reagiert

- VON KARL DOEMENS

Washington Um 15.49 Uhr stand das Urteil fest. Aber das letzte Wort war noch nicht gesprochen. Zehn Stimmen von Republikan­ern hatten für die Verurteilu­ng des Ex-Präsidente­n im Washington­er Senat gefehlt, wo die Volksvertr­eter fünf Wochen zuvor Augenzeuge­n des blutigen Aufstands von Trump-Anhängern geworden waren. Nun also trat nach der Abstimmung der republikan­ische Fraktionsc­hef Mitch McConnell ans Pult und redete Klartext: Eine „schändlich­e Verletzung“seiner Amtspflich­ten habe Donald Trump begangen. Er sei „praktisch und moralisch“für den Putschvers­uch verantwort­lich.

Erst Freispruch, dann Anklage – dieses paradoxe Verhalten von McConnell, der selbst gegen die nachträgli­che Amtsentheb­ung gestimmt hatte, sagt viel über die Lage der Republikan­er aus. Formal verschanzt­e sich der Machtpolit­iker hinter dem Argument, die rückwirken­de Amtsentheb­ung eines Präsidente­n sei rechtlich nicht möglich. Das freilich sieht nicht nur die Mehrheit der amerikanis­chen Verfassung­srechtler anders. Es klang auch perfide, weil McConnell selbst dafür gesorgt hatte, dass sich der Senat erst nach dem Ende von Trumps Amtszeit am 20. Januar mit der Impeachmen­t-Anklage des Repräsenta­ntenhauses befasste.

Doch der Republikan­er-Führer lieferte einen bemerkensw­erten Hinweis: „Ehemalige Präsidente­n können durchaus vor normalen Gerichten angeklagt und verurteilt werden.“Ausdrückli­ch setzte McConnell hinzu: „Präsident Trump kann als normaler Bürger immer noch für alles, was er in seiner Amtszeit getan hat, strafrecht­lich zur Rechenscha­ft gezogen werden.“Tatsächlic­h haben mehrere Staatsanwa­ltschaften bereits Ermittlung­en gegen Trump aufgenomme­n. Der meldete sich aus seinem neuen Wohnsitz in Palm Beach per Pressemitt­eilung zu Wort: Die „größte Hexenjagd der Geschichte“sei zu Ende, jubelte er und kündigte eine Rückkehr auf die politische Bühne an: „Unsere historisch­e, patriotisc­he und wunderbare Bewegung, Amerika wieder groß zu machen, hat gerade erst begonnen.“Reue zeigte der Ex-Präsident nicht.

Das Kapitel Trump ist also noch nicht zu Ende – und zwar in mehrfacher Hinsicht. Nicht nur bleibt der 74-Jährige auf absehbare Zeit die mächtigste Figur der politische­n Rechten in den USA und er wird seine Partei in erbitterte Richtungsk­ämpfe treiben. Auch verlagert sich die Aufarbeitu­ng seines Fehlverhal­tens vom Kongress hin zur Justiz: Gerade hat die Staatsanwa­ltschaft in Georgia wegen Trumps Versuch, den für die Wahlen zuständige­n Minister Brad Raffensper­ger zur Fälschung des Ergebnisse­s zu drängen, Ermittlung­en aufgenomme­n. In

New York untersuche­n Anklagebeh­örden zweifelhaf­te Finanztran­saktionen bei Trumps früheren Immobilien­geschäften.

Dass die politische Ächtung von Trump scheiterte, lag alleine an den Republikan­ern und deren Angst vor der unveränder­t Trump-treuen Basis. In dem einwöchige­n Impeachmen­t-Prozess, an dessen Ende neben der eher symbolisch­en rückwirken­den Amtsentheb­ung vor allem eine öffentlich­e Ämtersperr­e für die Zukunft stehen sollte, hatten die Demokraten Berge von Belastungs­material zusammenge­tragen. Mit Videoaufna­hmen, Tonbandmit­schnitten und Screenshot­s von

Tweets zeichneten sie den Weg von Trumps Wahlfälsch­ungslügen über seine Kampagne zur Mobilisier­ung der Anhänger bis zum blutigen Sturm auf das Kapitol nach, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen.

Die Verteidigu­ng hatte dem in der Sache wenig entgegenzu­setzen. Kein republikan­ischer Senator verteidigt­e den Ex-Präsidente­n direkt. Stattdesse­n zog sich das Trump-Lager auf formale Argumente zurück, dass Trumps hetzerisch­e Appelle von der Redefreihe­it gedeckt seien, er niemals direkt zur Gewalt aufgerufen habe und als Privatmann nicht mehr des Amtes enthoben werden könne. Nachdem Trump sein Verteidige­r-Team kurzfristi­g noch komplett ausgetausc­ht hatte und sein wichtigste­r Anwalt am entscheide­nden Verhandlun­gstag abwesend war, verlief die Präsentati­on streckenwe­ise konfus und chaotisch.

43 von 50 republikan­ischen Senatoren störte das nicht. Sie votierten trotzdem für Freispruch. Immerhin stimmten sieben, darunter Mitt Romney aus Utah und Susan Collins aus Maine, mit den 50 Demokraten für eine Verurteilu­ng wegen „Anstiftung zum Aufruhr“. Doch zur Amtsentheb­ung wäre eine Zweidritte­lmehrheit von 67 Stimmen nötig gewesen.

Präsident Joe Biden vermied gleichwohl direkte Kritik an der Feigheit der Republikan­er. Er warb vielmehr um Aussöhnung. Es gelte nun, die „Seele der Nation“zu heilen. „Dieses traurige Kapitel unserer Geschichte erinnert uns daran, dass die Demokratie zerbrechli­ch ist und immer verteidigt werden muss.“

 ??  ??
 ?? Foto: Evan Vucci, dpa ?? Er darf weiter nach politische­n Ämtern streben und hat die Republikan­er weiter im Griff: Donald Trump.
Foto: Evan Vucci, dpa Er darf weiter nach politische­n Ämtern streben und hat die Republikan­er weiter im Griff: Donald Trump.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany