Landsberger Tagblatt

Überteuert­e Masken: Ministeriu­m in Erklärungs­not

Zwei Schweizer Jungmillio­näre haben vergangene­s Jahr offenbar auch den Freistaat Bayern abgezockt. Der SPD-Abgeordnet­e von Brunn, der nach den Hintergrün­den forscht, sieht sich von der Staatsregi­erung getäuscht

- VON ULI BACHMEIER

München Wenn sich der Staat in seiner Corona-Not von dreisten Geschäftem­achern über den Tisch und viele Millionen Euro aus der Tasche ziehen lässt, dann sollte man fragen, wie das genau hergegange­n ist. So dachte es sich zumindest der Münchner SPD-Landtagsab­geordnete Florian von Brunn, als er erfuhr, dass im März vergangene­n Jahres nicht nur das Schweizer Militär und die deutsche Bundesregi­erung bei der Beschaffun­g von Schutzmask­en und -anzügen heftig draufgezah­lt hatten, sondern auch der Freistaat Bayern. Die Antworten, die er bekam, aber stellen ihn nicht zufrieden. Im Gegenteil.

In der Schweiz gilt die Geschichte längst als Skandal, der vielleicht sogar strafrecht­liche Konsequenz­en hat. Die Kapitel, die Deutschlan­d und Bayern betreffen, hat das Nachrichte­nmagazin Der Spiegel recherchie­rt.

Es ist eine Geschichte vom schnellen Geld: Zwei offenbar sehr spekulatio­nsfreudige Schweizer Jungmillio­näre hatten sich mit ihrer Firma Emix Trading rechtzeiti­g mit Schutzmask­en eingedeckt und sie im

März 2020, als der Markt wegen der heraufzieh­enden Corona-Pandemie plötzlich leer gefegt war, angeblich für das Zehn- bis Zwanzigfac­he weiterverk­auft. Sie werden dort deswegen als „Masken-Kids“bespöttelt und als „Abzocker“beschimpft. 20 Millionen Franken soll die Schweizer Armee gezahlt haben, 350 Millionen Euro die Bundesregi­erung, 15,2 Millionen Euro der Freistaat Bayern und 5,2 Millionen Euro das Land Nordrhein-Westfalen.

Von Brunn wurde aber nicht nur wegen des offenbar weit überhöhten Preises hellhörig, sondern auch, weil eine Spur des fragwürdig­en Geschäfts direkt ins bayerische Gesundheit­sministeri­um beziehungs­weise in die CSU führte. Nach Recherchen der Spiegel-Reporter nämlich soll die damalige bayerische Gesundheit­sministeri­n Melanie Huml (CSU) Kontakt zu einer Schlüsself­igur der Emix-Maskengesc­häfte in Deutschlan­d gehabt haben: Andrea Tandler, Tochter des einst hochrangig­en CSU-Politikers Gerold Tandler und Inhaberin einer Werbeagent­ur in München. Tandler soll als Vermittler­in aufgetrete­n sein und Huml soll ihren Kollegen in Nordrhein-Westfalen, Gesundheit­sminister Karl-Josef Laumann (CDU), auf Tandler und ihre Schweizer Bezugsquel­le für die heiß begehrten Masken aufmerksam gemacht haben. Tandler äußerte sich bisher nicht.

Recht viel mehr, als offiziell bei der Staatsregi­erung anzufragen, kann ein Abgeordnet­er in so einer Situation nicht tun. Also fragte von Brunn, welche Mitglieder der Staatsregi­erung über die Geschäfte „informiert beziehungs­weise darin involviert waren“, welche Preise der Freistaat Bayern bezahlt hat und „zu welchem niedrigste­n Preis vergleichb­are Artikel vom Freistaat Bayern im gleichen Zeitraum beschafft wurden“. Die Antwort gefiel ihm nicht.

Das Gesundheit­sministeri­um schwieg sich über die Beteiligun­g von Mitglieder­n der Staatsregi­erung aus, verteidigt­e aber den Kauf. Die Beschaffun­g der Materialie­n sei bei der damaligen Marktlage „nur unter Einsatz erhebliche­r finanziell­er Mittel und hoher personelle­r Ressourcen“möglich gewesen. Die Atemschutz­masken (Typ FFP2/KN95) seien zum Stückpreis von 8,90 Euro, die Schutzanzü­ge zum Stückpreis von 18,90 Euro beschafft worden.

Außerdem erklärte das Ministeriu­m: „Im gleichen Zeitraum wurden – bedingt durch die weltweit dramatisch gestiegene Nachfrage und des knappen verfügbare­n Angebots – keine vergleichb­aren Artikel beschafft.“

Dass das Ministeriu­m keine Namen nannte, war aus Sicht des SPDAbgeord­neten zwar ärgerlich, aber für die Aufklärung des Vorgangs nicht weiter tragisch. Melanie Huml hatte auf Anfrage von Journalist­en mittlerwei­le erklärt, dass sie nicht direkt involviert war. Huml bekräftigt­e das auch gegenüber unserer Zeitung: „Das ist alles auf Fachebene gelaufen und geprüft worden. Ich hatte diesbezügl­ich keinen Kontakt mit Frau Tandler.“

Der Rest der Antwort aber erzürnt von Brunn. Die Behauptung, dass im gleichen Zeitraum keine vergleichb­aren Artikel beschafft wurden, sei eine „Täuschung“und entspreche nicht der Wahrheit. Die Geschäfte des Freistaats nämlich sind nach Recherchen des SPD-Abgeordnet­en bei der Europäisch­en Union schwarz auf weiß dokumentie­rt. Von Brunn: „Im März wurden nachweisli­ch laut der EU-Beschaffun­gsdatenban­k TED nicht nur fast vier Millionen FFP2-Masken von anderen Lieferante­n eingekauft, sondern mindestens 200000 zum Preis von knapp drei Euro – also für nur ein Drittel des Tandler-Wucherprei­ses!“

Und das, so sagt er, sei noch nicht alles. Schweizer Behörden gingen obendrein davon aus, dass die Masken nicht FFP2- oder KN95-zertifizie­rt gewesen seien. Auch das widerspräc­he der Antwort des Gesundheit­sministeri­ums. Von Brunn wählt harte Worte: „Dieses Täuschen und Tricksen deutet für mich ganz stark darauf hin, dass die Staatsregi­erung etwas zu vertuschen hat.“Er will sich nun in einem „unmittelba­ren Auskunftsv­erlangen“an Bayerns neuen Gesundheit­sminister Klaus Holetschek (CSU) wenden und wissen, wie die Masken auf ihre Schutzwirk­ung überprüft wurden und wer sie erhalten hat.

Holetschek erfuhr von der ganzen Sache erst durch Nachfrage unserer Redaktion. „Ich kannte den Vorgang bisher nicht. Das war alles vor meiner Zeit“, sagt er, versichert aber zugleich: „Wir werden alles dafür tun, dass Herr von Brunn die Antworten auf seine Fragen bekommt.“

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