Landsberger Tagblatt

Der noch immer bewegte Mann

Ralf König ist ein Star in der daran nicht gerade reichen deutschen Comic-Szene. 40 Jahre im Geschäft, oft aneckend und jetzt auch mit Corona-Späßen. Is’ ja Karneval

- Foto, dpa

Hihi, hoho und alaaf – könnte man jetzt ja meinen. Wenn schon der Fasching oder vielmehr der Karneval ausfällt, dann wenigstens ein berühmter Quatschmac­her an dieser Stelle? Denn Ralf König kennen spätestens seit der Verfilmung seines Comics „Der bewegte Mann“alle – und leidenscha­ftlicher Kölner ist der ja auch noch! Und ein bisschen wie bei den Umzügen dort samt politisch kommentier­ender Motivwagen ist es bei ihm ja auch: beliebt, wenn auch nicht jedermanns Sache, bunt, lustbetont, dabei mitunter gewagt, und immer wieder auch umstritten.

Und kann es denn Zufall sein, dass der Zeichner auch just heute ein neues Buch veröffentl­icht, in dem er seine legendären Figuren Konrad und Paul wieder mal auftreten lässt? Ja auch nicht einfach so. Es ist das Ergebnis des Corona-Jahres 2020, in dem König die beiden täglich mit einer Vier-Bilder-Szene durch den Alltag von Liebe und Lockdown begleitet hat, wortwitzel­nd nun betitelt: „Vervirte Zeiten“(Rowohlt, 192 Seiten, 24 Euro). Nur für völlig König-Unkundige muss man hier wohl noch erwähnen, dass Konrad und Paul schwul sind. Denn ist das nicht ohnehin das, was diesen zur Marke gewordenen Zeichner neben seinen charakteri­stischen Knollennas­entypen selbst kennzeichn­et?

Das hat dem gebürtigen Westfalen tatsächlic­h nicht nur seine größten Erfolge eingebrach­t, sondern stand tatsächlic­h auch am Anfang seiner Karriere. Zwar fing er schon als Kind an zu zeichnen, weil sein älterer Cousin ihn dadurch beeindruck­te, dass er

Donald-Duck-Strips so gut nachahmen konnte; zwar lernte der junge Ralf dann Robert Crumb und auch die „Peanuts“lieben. Sein Leben aber war ganz anders: Hauptschul­e, Tischler – unglücklic­h. Bis er Rosa von Praunheims Buch „Sex und Karriere“las und quasi ein doppeltes Coming-out erlebte: zum Schwulsein und zum Künstlertu­m. Der bewegte junge Mann – genau 40 Jahre ist es nun her, dass König doch noch ein Studium an der Düsseldorf­er Kunstakade­mie aufnahm, dass er auch sein erstes Comic-Heft veröffentl­ichte. Und Schwulensp­äße in der Bundesrepu­blik der 80er und frühen 90er – das war ja alles andere als ein Mainstream­programm. Ja, vielleicht genau bis 1994 eben „Der bewegte Mann“in die Kinos kam. Ralf König hat was bewegt.

In seiner bewegten Karriere aber hat er auch andere Themen angepackt. Er adaptierte Klassiker etwa von Shakespear­e zu Comic-Romanen. Aber er formuliert­e auch Religionsk­ritik in Serien wie „Prototyp“und „Archetyp“– wofür er einerseits harsch kritisiert wurde und anderersei­ts ausgezeich­net. Der polarisier­t, nennt man das wohl. Übrigens auch in der regenbogen­bunten Szene. Frauenfein­dlichkeit warfen ihm immer mal wieder manche vor, zuletzt auch „Trans-Phobie“und Rassismus. Man kann’s halt nicht jedem Jeck recht, aber sich selbst frei machen. „Altersmild­e“jedenfalls, sagt der inzwischen 60-jährige Ralf König über sich, werde er sicher nicht werden. „Eher alterspein­lich“, das scheine ihm unterhalts­amer. Alaaf! Wolfgang Schütz

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