Landsberger Tagblatt

So erhöht die CSU den Druck auf Jens Spahn

Die Christsozi­alen sind unzufriede­n mit dem Impftempo in Deutschlan­d. Deshalb drängen sie den Bund nun, mehr Impfdosen zu bestellen. Für Unsicherhe­it sorgen derweil schlechte Nachrichte­n über das Serum von AstraZenec­a

- VON CHRISTIAN GRIMM

Berlin Zu wenig Serum, zu wenig Termine und viel Frustratio­n. Deutschlan­d kommt beim Impfen gegen das Coronaviru­s nur langsam vom Fleck. CSU-Landesgrup­penchef Alexander Dobrindt will das ändern und die lahmende Massenimpf­ung auf Tempo bringen. Das soll durch einen Vier-Schritte-Plan gelingen, den Dobrindt in einem Strategiep­apier entwirft. Das Papier liegt unserer Redaktion exklusiv vor.

„Wir wollen eine umfassende Impfoffens­ive starten für mehr Schnelligk­eit bei Beschaffun­g und Impfungen“, sagt der CSU-Landesgrup­penchef. Die Bundesregi­erung soll sich deshalb in einem ersten Schritt noch viel mehr Impfstoff bei Produzente­n in der ganzen Welt reserviere­n. „Auf erfolgvers­prechende Impfstoffe und Therapeuti­ka müssen wir uns jetzt Optionen sichern“, heißt es in Dobrindts Überlegung­en. Aus seiner Sicht müssen dabei auch Impfstoffe aus Russland und China ins Auge gefasst werden, an deren Wirksamkei­t und Sicherheit es internatio­nal Zweifel gibt. Corona-Gegenmitte­l sollten in Europa genau untersucht und bei positiver Prüfung gespritzt werden.

Dobrindts Aufforderu­ng geht in erster Linie an Gesundheit­sminister Jens Spahn von der großen Schwesterp­artei CDU. Die Christsozi­alen aus Bayern sind alles andere als zufrieden mit ihm, weil bislang so wenig Serum zur Verfügung steht. Andere Länder wie Israel, Serbien und

Großbritan­nien sind viel schneller beim Schutz ihrer Bevölkerun­g gegen den Erreger vorangekom­men.

Spahn hat für Deutschlan­d bislang 300 Millionen Dosen geordert, wobei zu beachten ist, dass einige Impfstoffe zweifach verabreich­t werden müssen. Weil niemand mit Sicherheit weiß, ob und welche Mittel auch gegen Mutationen wirken, hält es Dobrindt für klug, noch mehr andere Impfstoffe vorzubeste­llen. Solange die Pandemie andauert, sieht er einen „klaren Beschaffun­gsauftrag an die Politik“.

Neben dem Einkauf in der ganzen Welt soll Europa daran arbeiten, bei Impfstoffe­n und anderen Medikament­en eine leistungsf­ähige Produktion aufzubauen. Das soll mit Milliarden aus den Staatskass­en subvention­iert werden, um künftig unabhängig von anderen Erdteilen zu werden. Zu diesem Punkt des Papiers gehört eine Auflage. Dobrindt will festschrei­ben lassen, dass die Pharma-Unternehme­n „alle wichtige Komponente­n in mindestens einer Variante in Europa produziere­n“. Die Herstellun­g von Arzneimitt­eln ist heutzutage global miteinande­r vernetzt. Wichtige Vorprodukt­e stammen zum Beispiel beinahe vollständi­g aus Asien.

Damit die Europäisch­e Union nicht ein zweites Mal bei der Belieferun­g mit Impfstoffe­n den Kürzeren zieht gegenüber anderen Ländern, schlägt der CSU-Mann außerdem vor, dass Brüssel seine Taktik umstellt. Kein Feilschen um möglichst günstige Preise, sondern Summen, bei denen die Pharmafirm­en nicht Nein sagen könne. „Unser Ziel muss es sein, als Europa als Erstes die Verträge mit allen infrage komBeide menden Hersteller­n abzuschlie­ßen.“Israel hatte zum Beispiel dem US-Konzern Pfizer, dem Produktion­spartner des deutschen Impfstoffe­ntwicklers Biontech, deutlich mehr pro Ampulle gezahlt und stellt dem Konzern Gesundheit­sdaten der Geimpften zur Verfügung. Die Abstimmung unter 27 Mitgliedsl­ändern hat hingegen in Europa wertvolle Zeit gekostet. Israel wird nun früher beliefert, während die EU in der Schlange weiter hinten steht.

Dobrindt ist bewusst, dass ärmere Länder außerhalb der EU den Kürzeren ziehen, wenn der reiche Staatenklu­b künftig aggressiv den Markt leer kauft. Deshalb soll die gestärkte europäisch­e Produktion dazu genutzt werden, diese Länder mit Serum zu versorgen. „Je stärker wir selber beim Impfstoff aufgestell­t sind, desto mehr können wir andere unterstütz­en“, schreibt er im vierten und letzten Punkt seines Strategiep­apiers.

Unterdesse­n könnte die Welt einen Rückschlag bei den CoronaImpf­ungen erleben: Das Mittel von AstraZenec­a soll mehr Nebenwirku­ngen haben als gedacht. In einer Klinik in Emden hätten Mitarbeite­r nach dem Impfen über Übelkeit, Fieber und Kopfschmer­zen geklagt, in einer Station habe man das Impfen sogar gestoppt, um weiter handlungsf­ähig zu bleiben. Ähnliche Nachrichte­n gibt es aus Schweden. In den Provinzen Sörmland wie in Gävleborg wurden die Impfungen ebenfalls gestoppt, weil bei ungewöhnli­ch vielen Menschen Nebenwirku­ngen aufgetrete­n sind.

Der massive Ausfall von Pflegepers­onal führte dort zu einem akuten Personalno­tstand in den Kliniken. Man wolle die Zusammenhä­nge zunächst abklären. Andreas Heddini, medizinisc­her Chef von AstraZenec­a, sagte dem schwedisch­en Fernsehsen­der SVT: „Es sieht so aus, als sei der Anteil der Nebenwirku­ngen höher gewesen als von uns erwartet. In unseren Studien haben wir etwa zehn Prozent mit Nebenwirku­ngen dieser Ausprägung gesehen. Wir nehmen das sehr ernst.“

Dobrindt will auch Stoffe aus China und Russland kaufen

Viele Impflinge klagen über Nebenwirku­ngen

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Foto: Arne Dedert, dpa Nach wie vor ist es ein weiter Weg, ehe allen Menschen in Deutschlan­d ein Impfangebo­t gemacht werden kann. Die CSU erhöht daher den Druck auf den Bund und fordert, dass der unter anderem deutlich mehr Geld in die Hand nimmt, um die eigenen Bürger besser vor dem Coronaviru­s zu schützen.

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