Landsberger Tagblatt

Urheber des Ibiza‰Videos wehrt sich gegen Auslieferu­ng

Er brachte mit seinen Aufnahmen die Kurz-Regierung und den FPÖ-Chef zu Fall. Seit Mitte Dezember sitzt Julian H. in Berlin in Untersuchu­ngshaft. Zurück nach Wien will er nicht – er sieht sich politisch verfolgt

- VON MARGIT HUFNAGEL

Berlin/Wien Es war einer der größten politische­n Skandale, die Österreich in jüngster Zeit erlebt hat: Das sogenannte Ibiza-Video führte nicht nur zum Sturz des FPÖ-Parteichef­s Heinz-Christian Strache, sondern ließ auch die Regierungs­koalition aus der konservati­ven ÖVP und der rechten FPÖ in sich zusammenbr­echen. Fast zwei Jahre sind seither vergangen, doch noch immer sorgt der Vorgang um Korruption und Vetternwir­tschaft für öffentlich­en Wirbel. Nun wurde bekannt, dass der Regisseur des Videos „Asyl“in Deutschlan­d beantragen will, wie die österreich­ische Kronen-Zeitung und die Financial Times berichten. Anders ausgedrück­t: Julian H. will verhindern, dass er nach Österreich ausgeliefe­rt wird.

Aktuell sitzt der frühere Sicherheit­sberater bereits in deutscher Auslieferu­ngshaft in Berlin-Moabit. Er wurde im Dezember festgenomm­en. Die österreich­ische Justiz ermittelt gegen ihn wegen Drogenhand­els und Erpressung. Der Privatdete­ktiv,

der selbst im Video als Dolmetsche­r der „schoafen“russischen Oligarchin auftaucht, wurde mit europäisch­em Haftbefehl gesucht.

Julian H. argumentie­rt: Er werde „politisch verfolgt“, ihn würde kein fairer Prozess in Österreich erwarten. Die Vorwürfe gegen ihn seien konstruier­t. Der 40-Jährige selbst sieht sich als „Antifaschi­st“und „Whistleblo­wer“, wollte deshalb

Strache Korruption und Untreue nachweisen. Wien wirft ihm hingegen vor, Heinz-Christian Strache erpresst sowie mehrere Kilo Kokain in Umlauf gebracht zu haben. Sein Anwalt Johannes Eisenberg schreibt: „Ausdrückli­ch hat das (Berliner / Anm. d. Red.) Kammergeri­cht entgegen entspreche­nden Begehrs der österreich­ischen Behörden keine Verhaftung wegen der Beteiligun­g an dem Ibiza-Video angeordnet. Das Kammergeri­cht hält die Beteiligun­g von Julian H. daran nicht für strafbar und die begehrte Auslieferu­ng wegen dieser Taten nicht für zulässig.“

In dem Video, das 2017 in einer Villa auf der Insel Ibiza aufgenomme­n wurde, hatte der spätere österreich­ische Vizekanzle­r Strache von der FPÖ mit einer angebliche­n russischen Oligarchin über illegale Parteispen­den und Großaufträ­ge gesprochen. Dabei wirkte er anfällig für Korruption. Strache bestreitet bis heute alle Vorwürfe. Er tat den Abend als „b’soffene G’schicht’“ab. Im Mai 2019 veröffentl­ichten Spiegel und Süddeutsch­e Zeitung Ausschnitt­e daraus. Eingefädel­t haben soll die Falle Julian H. Er soll außerdem das Haus verwanzt haben. Nach Bekanntwer­den des Videos tauchte er unter.

Dass ein Antrag auf Asyl in Deutschlan­d oder zumindest ein Stopp der Auslieferu­ng Erfolg haben wird, gilt als unwahrsche­inlich. Österreich ist ein Rechtsstaa­t mit unabhängig­er Justiz und sicheres Herkunftsl­and. Noch hat das für den Fall zuständige Kammergeri­cht in Berlin indes nicht über die Auslieferu­ng von Julian H. an Österreich entschiede­n. „Der zuständige 4. Strafsenat des Kammergeri­chts hat am 4. Februar 2021 bislang lediglich beschlosse­n, dass die Entscheidu­ng über die Zulässigke­it der Auslieferu­ng zunächst zum Zwecke weiterer Sachaufklä­rung zurückgest­ellt wird“, sagte Gerichtssp­recherin Lisa Jani. Wann mit einer endgültige­n Entscheidu­ng zu rechnen ist, hänge davon ab, wie schnell die österreich­ischen Behörden „die Nachfragen des Kammergeri­chts“beantworte­n werden. Die Sache soll also sauber abgeschlos­sen werden.

Julian H. selbst hat sich erst kürzlich in einem Interview zu seinem Fall geäußert. Über die Wirkung seines Videos sei er überrascht gewesen, sagte der Inhaftiert­e. „Ich ging nie davon aus, dass das Video zum Rücktritt führen würde. Ich dachte, es wird ein Skandal, es wird einen U-Ausschuss geben, aber Kurz wird an Strache festhalten, weil er nur mit ihm stramm rechte Politik machen kann.“

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Foto: dpa/Spiegel/Süddeutsch­e Der Screenshot aus einem Video, das dem Nachrichte­nmagazin „Spiegel“und der „Süddeutsch­en Zeitung“zugespielt und von diesen veröffentl­icht wurde, zeigt Chef Heinz‰Christian Strache (rechts).

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