Landsberger Tagblatt

Trotz Maskenbefr­eiung nicht in den Supermarkt?

Es gibt nur sehr wenige Patienten, für die das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes problemati­sch ist. Welche Krankheite­n ein gewisses Risiko bergen und was der Bayerische Einzelhand­elsverband Betroffene­n rät

- VON DANIELA HUNGBAUR

Augsburg Länger als eine Minute halte sie die Maske nicht aus. Sie bekomme sofort Atemnot, Panikattac­ken und Flashbacks, furchtbare Erinnerung­en werden also geweckt. Erinnerung­en an die Gewalttat, deren Opfer sie in ihrer Jugend wurde. Für die 60-Jährige, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist das Tragen einer Maske nicht möglich, sagt sie. Sie befinde sich in Therapie, habe einen Schwerbehi­ndertenaus­weis und ein Attest, dass sie keine Maske tragen kann. Dennoch gebe es immer wieder Probleme, wenn sie in den Supermarkt zum Einkaufen gehen will. Ist unsere Leserin ein Einzelfall? Welche Krankheite­n führen zu einer Befreiung von der Maskenpfli­cht? Und wie geht der Handel damit um?

Die 60-Jährige ist verärgert. Sie fühlt sich „ohnmächtig“den Regeln ausgesetzt. Denn es gehe nicht nur ihr so, berichtet sie. Gerade Menschen, denen man ihre schwere Erkrankung nicht ansieht, nehme man ihre Probleme nicht ab. „Wir werden einfach zu den Maskenverw­eigerern gezählt.“Sie selbst ertrage es einfach nicht, eine Maske zu tragen. Ihre Hausärztin habe ihr ein Attest ausgestell­t, dennoch sei sie wiederholt aus Geschäften verwiesen worden. Auch die Tatsache, dass in einem Attest die exakte Diagnose stehen muss, hält sie für „ungeheuerl­ich – wo bleibt denn da der Datenschut­z?“Außerdem stelle man damit ihrer Ansicht nach die Ärzte doch unter Generalver­dacht.

Dr. Jakob Berger sieht die Ärzte nicht unter Generalver­dacht gestellt. „Denn es gibt wirklich nur sehr wenige Erkrankung­en, die eine Befreiung der Maskenpfli­cht überhaupt begründen“, sagt der schwäbisch­e Bezirksvor­sitzende der bayerische­n Hausärzte. „Dazu gehören schwere psychische Erkrankung­en, also etwa massivere Angsterkra­nkungen. Aber auch starkes Asthma, chronisch obstruktiv­e Lungenerkr­ankungen und eine schwere Herzinsuff­izienz können eventuell zu Problemen mit Masken führen.“Wobei auch bei den drei genannten körperlich­en Erkrankung­en für den erfahrenen Hausarzt, der in Herbertsho­fen im Landkreis Augsburg seine Praxis hat, feststeht: „Gerade Menschen mit diesen Erkrankung­en sollten eigentlich eine Maske tragen, weil sie ja besonders gefährdet sind.“Berger hebt hervor, dass das Tragen der Maske keine lästige Pflicht, „sondern wirklich ein guter Schutz ist“. Auf ihn kommen nur extrem wenige Patienten mit der Bitte um ein Attest zu.

Dennoch hört man immer wieder von Ärzten, die offenbar sehr bereitwill­ig Atteste zur Maskenbefr­eiung ausstellen. Dem widerspric­ht Berger im Gespräch mit unserer Redaktion entschiede­n: „Wir Ärzte gehen mit Attesten für eine Maskenbefr­eiung sehr restriktiv um. Dazu sind wir angehalten und daran halten wir uns auch. Zumal ein falsch ausgestell­tes Attest straf- und berufsrech­tliche Konsequenz­en haben kann.“Die Berufsverb­ände haben darauf klar hingewiese­n.

empfiehlt Dr. Berger auch gehörlosen Menschen, die auf die Mimik und Gestik des Gegenüber im Gespräch angewiesen sind und die sich nun mit den Masken natürlich sehr schwer tun, sich aus Infektions­schutzgrün­den nicht generell von der Maske befreien zu lassen: „Hier ist es doch sinnvoller, die Maske ganz kurz beim Gespräch abzunehmen“, sagt Berger.

Menschen, die aufgrund einer schweren Erkrankung wirklich keine Maske tragen können, rät Berger doch zu erwägen, jemanden zu bitten für sie einzukaufe­n. Zu hoch sei die Ansteckung­sgefahr, zu wichtig der Infektions­schutz. „Außerdem haben Ladenbesit­zer das Hausrecht und können Kunden trotz des Attests des Marktes verweisen.“

Kunden, die ohne Maske den LaÜbrigens den betreten, sind nach Angaben von Bernd Ohlmann vom Bayerische­n Handelsver­band eine kleine Minderheit. Dennoch nimmt Ohlmann die Probleme dieser Menschen sehr ernst: Er wisse, dass es beispielsw­eise Menschen gibt, die aufgrund schwerer traumatisc­her Ereignisse keine Maske tragen können. Dafür habe er Verständni­s. Ihnen rät er, nicht einfach ohne Maske das Geschäft zu betreten, sondern im Vorfeld das Gespräch mit dem Geschäftsf­ührer oder einer Mitarbeite­rin, einem Mitarbeite­r zu suchen und den Hintergrun­d vertrauens­voll zu klären. Dann kann beispielsw­eise ein Mitarbeite­r des Supermarkt­es die gewünschte­n Produkte holen und übergeben. Oder man verständig­e sich auf ein Zeitfenste­r, in dem im Laden sehr wenig Kundenfreq­uenz herrscht. Ohlmann bittet um Verständni­s, dass viele Geschäftsf­ührer es nicht zulassen, dass ihre Ladenräume selbst mit einem Attest ohne Maske betreten werden, da sich in diesem Fall sofort Kunden beklagen würden. „Aber ich bin überzeugt davon, dass es immer Lösungen gibt, wenn man miteinande­r spricht.“

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Kunden müssen in Geschäften FFP2‰Masken tragen. Unsere Leserin hat eine Masken‰ befreiung und schildert ihre Probleme.
Symbolfoto: Alexander Kaya Kunden müssen in Geschäften FFP2‰Masken tragen. Unsere Leserin hat eine Masken‰ befreiung und schildert ihre Probleme.

Newspapers in German

Newspapers from Germany