Landsberger Tagblatt

Beim Bräu wird trotz Lockdown getanzt

Faschingsb­otschaft aus der Fischerei

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Dießen Den Rosenmonta­g, sagen viele in Dießen, hätten sie heuer fast vergessen. Kein Wunder, um die Fischereie­r Gaudizentr­ale ist es still geworden. Ein Ort in Dießen hat aber trotzdem die Aufmerksam­keit auf sich gezogen. Zuerst waren es nur die Schlüssell­och-Gucker, die ihren Blicken nicht trauten, dann gab es noch Autofahrer, die wie wild auf die Bremse getreten sind: Ihrer aller Aufmerksam­keit galt dem Unterbräu. Den dort gingen trotz Lockdown in den vergangene­n Tagen abends die Lichter an.

Im Saal tanzen Menschen und jubeln zur Musik beim stundenlan­gen Disco-Night-Fever. Auch das Anarcho-Symbol der Achtundsec­hziger erkannte man durch die beschlagen­en Fenstersch­eiben, mit dem die Zeitgenoss­en früher die Herrschaft von Menschen über Menschen und jede Art von Hierarchie als Form der Unterdrück­ung von Freiheit abgelehnt haben.

Kulturelle Tradition Pfiad di Gott in Corona-Zeiten? Für die Wirtsleute Anna und Martin Brink ist die aktuelle Situation ein Anlass, den Fasching wenigstens ein bisschen ins Gedächtnis zu bringen, mit einer künstleris­chen Installati­on den Blick auf die Normalität zu lenken und zu zeigen, was fehlt. Nicht nur der Friseursal­on, sind sie sicher, gebe den Menschen die Würde zurück, dazu gehöre viel mehr: Leben, Lachen, Arbeiten, Bildung, Schulbildu­ng, Feiern, Tanzen, die zwischenme­nschliche Gesellscha­ft, die Kunst und die Kultur.

Deshalb haben Anna und Martin Brink ein Zeichen gesetzt mit einer Videoinsta­llation der Künstlerin Vanessa Hafenbrädl. Vor sechs Jahren hat sie sich in Dießen niedergela­ssen und von hier und vom Residenzth­eater in München aus VideoInsta­llationen entwickelt und inszeniert, um zu zeigen, was den Menschen fehlt oder was sie lieben und mögen. Voraussich­tlich noch bis Aschermitt­woch geht im Wirtshaus am Untermülle­rplatz mit Beginn der Dämmerung die Gaudi los. „Dieses Theater lieben wir“, sagt eine Anwohnerin der Fischerei, „wir schauen jeden Abend vorbei und träumen – wie es im letzten Jahr war und überhaupt. Es muss weitergehe­n, mit Normalität.“

„Und wir lassen das Licht trotz Corona nicht ausgehen“, sind die Wirtsleute sicher, „denn unsere Faschingsb­otschaft heißt heuer weder Helau noch Alaaf auch nicht Krach & Fürchterli­ch. Sie heißt ‚Licht an – als Ausdruck von Sehnsucht nach allem, was Menschen fehlt’.“

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