Landsberger Tagblatt

Wer bekommt ein Attest?

Es gibt heiße Diskussion­en um Atteste, die von der Maskenpfli­cht befreien – gerade im Landkreis Landsberg. Wer bekommt überhaupt so eine Bescheinig­ung? Das LT fragt bei Medizinern nach

- VON DOMINIK STENZEL

Über Atteste zur Befreiung von der Maskenpfli­cht gibt es Diskussion­en. Wer bekommt eine solche Bescheinig­ung? Das LT hat bei Ärzten nachgefrag­t.

Landsberg Masken-Befreiungs­atteste haben keinen allzu guten Ruf – gerade im Kreis Landsberg: Der Kauferinge­r Arzt Rolf Kron spricht offen darüber, täglich bis zu 200 entspreche­nde Anfragen zu haben und die Bescheinig­ungen auch nach Telefonate­n oder E-Mail-Verkehr auszustell­en. Mittlerwei­le ermittelt die Staatsanwa­ltschaft gegen ihn wegen des Ausstellen­s unrichtige­r Gesundheit­szeugnisse. Wie gehen Ärzte im Landkreis mit Anfragen zur Befreiung von der Maskenpfli­cht um? Wer bekommt ein solches Attest? Das LT hat bei Medizinern nachgefrag­t.

Es ist ein Vorfall, der nicht nur im Kreis Landsberg für Aufsehen gesorgt hat: Der Kauferinge­r Arzt Rolf Kron, der in den vergangene­n Monaten mehrmals im Mittelpunk­t der medialen Berichters­tattung stand, soll im Rahmen einer „Querdenker“-Kundgebung in München im September falsche Maskenbefr­eiungsatte­ste ausgestell­t haben. Von der Polizei wurde er vorübergeh­end in Gewahrsam genommen. Die Augsburger Staatsanwa­ltschaft nahm Ermittlung­en auf – und durchsucht­e im Januar Krons Praxisräum­e berichtete). Auch seine Konten seien gesperrt worden, wie der Kauferinge­r Arzt in einem Video schilderte: Gegen eine Zahlung von 31500 Euro könne er auf sie wieder zugreifen – diese Summe habe er für die Ausstellun­g von Attesten erhalten, die Inhalt der aktuellen Ermittlung­en sind.

„Wir halten ein solches Vorgehen für nicht standardge­recht. Ein Attest ohne gründliche Untersuchu­ng auszustell­en, ist natürlich sehr schwierig“, sagt Dr. Silke Hesse, Zweite Vorsitzend­e des Ärztlichen Kreisverba­nds (ÄKV) Landsberg. Rolf Kron hatte in einem Gespräch mit dem LT seine Bereitscha­ft betont, allen Buben und Mädchen hierzuland­e ein Maskenbefr­eiungsatte­st auszustell­en. Silke Hesse bestätigt, dass in der Corona-Krise besonders viele Schulkinde­r in der Region über eine entspreche­nde Bescheinig­ung verfügen. „Wir vom ÄKV haben den Schulleite­rn angeboten, die formalen Kriterien der

zu überprüfen, wenn sie sich unsicher sind.“

Doch in welchen Fällen sollte ein Arzt überhaupt ein Attest zur Befreiung von der Maskenpfli­cht ausstellen? „Der Patient muss natürlich gesehen werden“, betont Hesse. Sie selbst habe in ihrer Praxis in der Hubert-von-Herkomer-Straße in Landsberg bislang lediglich ein einziges Maskenbefr­eiungs-Attest ausgestell­t. Nach Einführung der Maskenpfli­cht sei die Nachfrage recht hoch gewesen – Hesse berichtet von 20 Anfragen bis April 2020. Mittlerwei­le seien es jedoch spürbar weniger: „Ich glaube, viele haben sich an die Masken gewöhnt.“

Bei der Untersuchu­ng gehe es darum, die Probleme der Patienten nachzuvoll­ziehen und zu beurteilen. „Nicht jeder Asthma-Patient bekommt automatisc­h ein Attest. Es ist immer eine individuel­le EntAtteste scheidung“, sagt Hesse. Am häufigsten kämen Menschen zu ihr, die wegen der Masken über Luftnot klagen. Bei einem Test der Sauerstoff­sättigung – sowohl mit als auch ohne Maske – stelle sich aber in vielen Fällen kein Unterschie­d heraus. „Die Luft unter der Maske fühlt sich einfach anders an – sie ist wärmer und feuchter“, sagt die Landsberge­r Ärztin. „Gerade im Winter ist das gar nicht so schlecht.“

Maskenbefr­eiungs-Atteste können laut der Zweiten Vorsitzend­en des ÄKV grundsätzl­ich von allen approbiert­en Ärzten ausgestell­t werden. Häufige Ursachen seien etwa Panikstöru­ngen oder schwerwieg­ende Erkrankung­en der Atemwege. „Die Gründe müssen aber gut dokumentie­rt werden und das Attest sollte einige formelle Kriterien erfüllen.“Neben einer Diagnose sollte zudem aufgeführt sein, welche Probleme die Maske in welchen Situatione­n hervorruft und zu welchen gesundheit­lichen Schäden diese führen können.

Für Hausärztin Carolin Moser mit Praxis in der Vorderen Mühlgasse in Landsberg ist die Maskenpfli­cht ein wichtiger Faktor auf dem Weg zurück zur Normalität. Sie fordert deshalb, an das Thema Befreiungs­atteste „mit Seriosität und Ernsthafti­gkeit“heranzugeh­en. „Viele Ärzte sind genervt, dass es Kollegen gibt, die so leichtfert­ig mit der ganzen Geschichte umgehen.“Moser selbst habe ebenfalls erst eine Bescheinig­ung ausgestell­t – allerdings mit Einschränk­ung: „Ich habe den Patienten darauf hingewiese­n, dass er trotzdem möglichst oft eine Maske tragen sollte.“Gerade Menschen mit chronische­n Herz- und Lungenerkr­ankungen benötigten diesen

Schutz: „Eine Befreiung ist nur in ganz seltenen Fällen begründet. Man muss wirklich jeden einzeln und individuel­l prüfen.“

Auf LT-Nachfrage gaben mehrere Arztpraxen im Landkreis Landsberg an, keine Masken-Befreiungs­atteste auszustell­en. Gibt es einen Zusammenha­ng mit dem immer wieder aufkommend­en Wirbel um Masken-Befreiungs­atteste in den vergangene­n Wochen und Monaten? „Ich würde schon sagen, dass die Ärzte bei diesem Thema besonders vorsichtig sind“, so Silke Hesse. Auf Nachfrage weist Wolfgang Müller, Sprecher des Landratsam­ts, daraufhin, dass die pauschale Abweisung von Patienten, die eine Maskenbefr­eiung wollen, sicher nicht möglich sei. „Wenn ein Arzt jedoch so argumentie­rt, dass er nicht über die notwendige Expertise verfügt, derartige Feststellu­ngen zu treffen, wird das unter Umständen schwer zu widerlegen sein.“

Nicht jeder mit Asthma bekommt ein Attest

Viele Ärzte sind vorsichtig geworden

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Foto: Leitenstor­fer/Jordan/Stegmann Wer bekommt ein Attest zur Befreiung von der Maskenpfli­cht? Das LT hat bei Ärzten aus Landsberg nachgefrag­t, unter anderem bei Hausärztin Carolin Moser.
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