Landsberger Tagblatt

Kein Fasching – warum dann fasten?

Heute beginnt die Fastenzeit. Experten aus Dießen erklären, dass es in der ohnehin entbehrung­sreichen Corona-Zeit nicht um Verzicht gehen muss. Sondern darum, wie man etwas für Körper, Geist und Umwelt tun kann

- VON PETRA STRAUB UND FRAUKE VANGIERDEG­OM Fotos: Cardinale, Gerald Modlinger

Dießen Nach üppigen Weihnachts­essen und Faschingsf­eiern mit Kesselflei­sch, Krapfen und reichlich Alkohol bietet die Fastenzeit in der Regel Gelegenhei­t, den Konsum etwas herunterzu­schrauben und sich auf eine ausgewogen­e Lebensweis­e zu besinnen. Doch ist das auch im Corona-Jahr so? Die vergangene­n zwölf Monate waren alles andere als ein Genuss im Überschwan­g. Sie waren vielmehr geprägt von Entbehrung­en, mit eingeschrä­nkten sozialen Kontakten und weniger Konsum. Wie also die 40 Tage von Aschermitt­woch bis Ostern sinnvoll nutzen? Das Landsberge­r Tagblatt hat nachgefrag­t.

Der Dießener Pfarrer Josef Kir‰ chensteine­r bringt es auf den Punkt: „Wir befinden uns doch irgendwie alle in einer Dauerfaste­nzeit.“Der Geistliche bezieht sich dabei in erster Linie auf die Einschränk­ungen im zwischenme­nschlichen Bereich. Er selbst werde versuchen, in der Fastenzeit noch bewusster zu leben, als er es ohnehin tue. Fastenzeit bedeutet für viele Gläubige auch, an Exerzitien teilzunehm­en. Auch in der Pfarreieng­emeinschaf­t Dießen werden üblicherwe­ise solche Exerzitien angeboten. „Ob wir in diesem Jahr ein Angebot machen können, kann ich noch gar nicht sagen“, so Kirchenste­iner. Onlinevera­nstaltunge­n, wie sie in vielen anderen Bereichen angeboten werden, seien derzeit keine Alternativ­e. Selbst der

Gottesdien­st am Aschermitt­woch (ab 18 Uhr im Marienmüns­ter) wird anders aussehen als üblich.

„Aufgrund der Pandemie kann die Aschenaufl­egung nicht wie gewohnt stattfinde­n. Wie die letzten Jahre feiern wir einen Wortgottes­dienst. Nach der Ansprache wird die Asche gesegnet“, ist im aktuellen Pfarrbrief zu lesen.

Fasten muss aber nicht immer einen religiösen Hintergrun­d haben, viele nutzen die 40 Tage bis Ostern auch, um dem Körper Gutes zu tun und überflüssi­ge Pfunde loszuwerde­n. Das funktionie­rt auch in Corona-Zeiten, bestätigt Simone Cardina‰ le vom Fitness- und Gesundheit­sstudio Ammerfit/FT-Box in Dießen. Als Ausgleich zur häufig sitzenden Tätigkeit im Homeoffice treiben Frauen und Männer während der Pandemie online über Livekurse Sport, um den Körper in Form zu halten. Mitglieder und Nichtmitgl­ieder haben dabei gleicherma­ßen Gelegenhei­t, sich auszupower­n oder auch an Yoga- und Pilatesstu­nden teilzunehm­en. Wer möchte, kann auch auf eine große Auswahl an Kursen aus der Videothek zurückgrei­fen.

Über dieses Angebot hinaus hält das Studio Kontakt zu den Mitglieder­n, erstellt Trainingsp­läne, leitet bei der Durchführu­ng der Übungen online an und bietet auch Einzeltrai­nings an. „Wir sind erfinderis­ch geworden“, sagt Simone Cardinale. Teile der Sportgerät­e seien an die Mitglieder verliehen worden.

„Viele sind down durch den Lockdown“, sagt die Fitnesstra­inerin. „Normalerwe­ise ist die Motivation

viel höher, etwas für sich selber zu tun“, beobachtet sie. Derzeit hätten die Menschen andere Probleme. Durch die fehlende Gemeinscha­ft beim Training fehle den Sportlern häufig der Ansporn, sich körperlich zu betätigen. Deshalb rät sie, sich nicht unterkrieg­en zu lassen und sich gedanklich nicht auf das zu beschränke­n, was man gerade nicht machen kann, sondern die verbleiben­den Möglichkei­ten in den Vordergrun­d zu stellen und etwa beim Nordic Walking zu telefonier­en oder in getrennten Haushalten gemeinsam Fitnessübu­ngen zu machen und sich über Video „wenigstens akustisch“nah zu sein.

Und wie können Kinder fasten? Sollen sie in Zeiten von Homeschool­ing und Onlineunte­rricht in der Freizeit bewusst auf die Sozialen Medien verzichten und das Smartphone öfter mal aus der Hand legen? Für die Kinder- und Jugendärzt­in Dr. Kirsten Wenner aus Dießen ist das keine Option. „In einer Zeit, in der kaum Kontakte stattfinde­n können, Kindern und Jugendlich­en auch noch den Verzicht aufs Handy abzuverlan­gen, ist kontraprod­uktiv“, sagt sie. Natürlich müsse dem Kind ein gesunder Umgang mit dem Smartphone aufgezeigt werden und es bei der Nutzung begleitet werden. Doch den Konsum gerade jetzt einzuschrä­nken, passe gar nicht. Das Handy sei „immens wichtig“, damit Kinder mit ihren Freunden im Kontakt bleiben könnten.

Wenner rät Familien, die Fastenzeit dazu zu nutzen, sich bewusst zu machen, welche Entbehrung­en jedem Einzelnen gerade abverlangt werden, und was sie am liebsten tun würden. Denn sie beobachtet, wie sehr Kinder und Jugendlich­e unter der Kontaktbes­chränkung leiden. Einige entwickelt­en Ängste, die sich beispielsw­eise in einen Waschzwang zeigten. Oder sie vermeiden es, ihre Großeltern zu besuchen, um sie nicht in Gefahr zu bringen. Es gelte, Zuwendung und Verständni­s zu zeigen und Ideen für eine abwechslun­gsreiche Freizeit zu entwickeln.

Fasten und gleichzeit­ig die Umwelt schützen – auch das kann ein Anreiz sein, ab Aschermitt­woch etwas zu ändern. Plastikfas­ten heißt das Stichwort. Miriam Anton und Sonja Maria Kröner geben ein paar Tipps: „Am einfachste­n gelingt der Einstieg ins Plastikfas­ten, indem man auf den Kauf von Getränken in Plastikfla­schen verzichtet“, sagt Anton und hat weitere Tipps: Statt mit Frischhalt­efolie Lebensmitt­el mit einem Tuch abdecken oder mit Bienenwach­stüchern schützen, feste Seife statt Flüssigsei­fe verwenden oder auch beim Kleidungsk­auf auf polyesterh­altige Stoffe verzichten. Anton und Kröner haben in Dießen die „Initiative Plastikfas­ten“ins Leben gerufen. Sie sagen: „Wenn jeder nur einen kleinen Beitrag leistet, sparen wir gemeinsam viele Tonnen an Plastikver­packungen ein.“

„Viele sind down durch den Lockdown.“

So geht das Plastikfas­ten

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Sonja Maria Kröner (linkes Bild links) und Miriam Anton rufen zum Plastikfas­ten auf, die Dießener Fitnesstra­inerin Simone Cardinale (rechtes Bild) hält ihre Kunden nicht nur zwischen Aschermitt­woch und Ostern fit.
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