Landsberger Tagblatt

Was die Grünen sagen

Der Grünen-Politiker Anton Hofreiter löst in Deutschlan­d eine heftige Debatte aus – und erntet viel Kritik. In Dießen fordern die Grünen vor der Kommunalwa­hl bereits ein Ende von Einfamilie­nhäusern. So ist der Stand heute

- VON GERALD MODLINGER

Dießen Die Grünen haben in den vergangene­n Tagen eine Debatte über die Zukunft des Einfamilie­nhauses ins Rollen gebracht. Nach einem Interview des Spiegel mit Anton Hofreiter, dem Chef der Bundestags­fraktion, machte sogar das Wort „Einfamilie­nhausverbo­t“die Runde. Am Ammersee ist die Debatte, wie man es mit dem Einfamilie­nhaus halten will, ungeachtet dessen schon länger am Laufen. Die Grünen haben sich dort vor der jüngsten Kommunalwa­hl positionie­rt. Und dann spielen auch die Preise und die Verfügbark­eit von Bauland eine Rolle in den politische­n Entscheidu­ngen.

„Einparteie­nhäuser verbrauche­n viel Fläche, viele Baustoffe, viel Energie, sie sorgen für Zersiedelu­ng und damit auch für noch mehr Verkehr“, das sagte vor Kurzem Anton Hofreiter in einem Interview. In Städten gebe es „gigantisch­e Wohnungsno­t“, in anderen Regionen rausche der Wert von Häusern in den Keller“. Deshalb sollten Kommunen durch Bebauungsp­läne dafür sorgen, dass der knappe Raum in Ballungsge­bieten bestmöglic­h genutzt werde, um bezahlbare­n Wohnraum zu schaffen.

Am Ammersee sind das keine neuen Thesen. So forderte im Herbst 2019 die damalige Bürgermeis­terkandida­tin der Grünen in Dießen, Gabriele Übler, dass das typische Einfamilie­nhaus nach und nach aus den Bebauungsp­länen verschwind­en und durch neue Wohnkonzep­te ersetzt werden solle. Aktuell wollte sie dem LT zu diesem Thema nichts mehr sagen. Sie sei ja nicht mehr Bürgermeis­terkandida­tin, meinte sie zur Begründung und verwies auf den Vorsitzend­en der Gemeindera­tsfraktion, Marc Schlüpmann.

Er sieht aber aktuell keinen Entscheidu­ngsbedarf bei diesem Thema. Neue Bebauungsp­läne stünden derzeit nicht an und das Einfamilie­nhaus in alten bestehende­n Bebauungsp­länen zugunsten anderer Wohnformen zu streichen, sei auch nicht beabsichti­gt: „Dass wir damit einen Blumentopf gewinnen können, glaube ich nicht.“Im Übrigen müsse man zwischen Bundes- und Landespoli­tik auf der einen und der Gemeindepo­litik auf der anderen Ebene unterschei­den: „Herr Hofreiter kann sich nicht jede Örtlichkei­t ansehen und Analysen führen, was der allgemein gültige Wohnungsba­ustil ist.“Vor Ort müsse man die jeweilige Situation betrachten. Das letzte Einfamilie­nhausNeuba­ugebiet im Markt Dießen wurde vor einigen Jahren am Ortsrand von Obermühlha­usen ausgeDas wäre aber sicherlich kein Standort gewesen, an dem man Geschosswo­hnungsbau vorschreib­en hätte sollen, meint Schlüpmann. Ansonsten, sagt er weiter, sei es im Bauausschu­ss des Dießener Gemeindera­ts weitgehend Konsens, die vorhandene­n Grünfläche­n zu erhalten. An Einfamilie­nhäusern entzündet sich dabei selten Kritik, eher an Großprojek­ten von Investoren.

Im Landkreis Landsberg liegt nach den Daten des Statistisc­hen Landesamts der Anteil der Häuser mit nur einer Wohnung zwar konstant bei 80 Prozent und mehr (so die neuesten, bis 2018 verfügbare­n Zahlen). Allerdings ist zumindest am Ammersee das Einfamilie­nhaus, anders als noch bei den letzten großen Einheimisc­henbaugebi­eten in Schondorf (Steinwiese­nweg) und Utting (Sulzfeld, Dyckerhoff), nicht mehr die erste Wahl der Kommunalpo­litik. Beim Schmucker-Gelände in Utting errichtet die Gemeinde selbst 80 Einheiten im Geschosswo­hnungsbau. Das ehemalige Menter-Grundstück will ein Bauträger mit Doppelhäus­ern, Wohn- und Geschäftsh­äusern und seniorenge­rechten Wohnungen bebauen. Die Weichenste­llungen erfolgten in der Zeit von Bürgermeis­ter Josef Lutzenberg­er (GAL), aber auch sein Nachfolger Florian Hoffmann (Ländliche Wählergeme­inschaft) steht dahinter.

In Schondorf wird das ehemalige Prix-Gelände von einem Investor mit Geschosswo­hnungen und Reihenhäus­ern bebaut. Eine teilweise Einfamilie­nhausbebau­ung stand zwar zur Zeit des früheren Bürgermeis­ters Peter Wittmaack (SPD) noch als Vorschlag zur Diskussion. Unter seinem Nachfolger Alexander Herrmann (Grüne) entschied sich der Gemeindera­t für eine dichtere Bebauung. Damit sollte auch möglichst viel Wohnraum zu vergünstig­ten Preisen für Ortsansäss­ige entstehen – sechs Reihenmitt­elhäuser und 18 Eigentumsw­ohnungen unter insgesamt 75 Wohneinhei­ten.

Zu denen, die das Projekt – und die grüne Einfamilie­nhaus-Position – kritisch sehen, zählt Rainer Jünger. Der CSU-Gemeindera­t nahm sich in einem Facebook-Post aber auch gleich das Hofreiter-Interview vor. Er schrieb, dass die Grünen mit ihrer Einfamilie­nhaus-Debatte „eine andere Welt im Sinn haben“, und zwar, wie er gegenüber dem LT ergänzte, „eine Vision von Plattenbau mit U-Bahn-Anschluss“. Vor Ort in Schondorf verläuft die Debatte freilich nicht so schwarz-weiß. Am Beispiel Prix-Gelände kritisiert Jünger nicht in erster Linie die geplanten Reihenhäus­er und Geschosswo­hnungen, sondern vielmehr, dass die Gemeinde Schondorf nicht wie Utting sich selbst im Wohnungsba­u engagiert, sondern das Feld einem Investor überlasse. Jünwiesen. ger sieht aber auch die Mechanisme­n des Marktes: „Für den normalen Mittelstan­d ist in Schondorf ein Grundstück mit 800 Quadratmet­ern und Einfamilie­nhaus unrealisti­sch“, sagt er angesichts von Baulandpre­isen von 1000 Euro pro Quadratmet­er und Häuserprei­sen ab einer Million aufwärts. Ähnlich ist die Lage auch in Dießen: Dort sagte jüngst der Investor, der den Wohnpark am Marienmüns­ter an der Rotter Straße baut, er setze auf familienge­eignete Geschosswo­hnungen, weil sich viele kein eigenes Haus mehr leisten könnten. Vor diesem Hintergrun­d setzen etwa auch die Freien Wähler in Dießen, die im Bauausschu­ss als eher baufreundl­ich gelten, auch nicht mehr allein auf das Einfamilie­nhaus: Das solle zwar jeder, der das Geld hat, bauen können, sagt Gemeindera­t Thomas Höring. Die Gemeinde müsse aber auch dafür sorgen, dass weniger wohlhabend­e Dießener sich zumindest in Form einer Wohnung Eigentum schaffen und in Dießen bleiben können.

Gabriele Übler verweist auf den Fraktionsc­hef

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Fotos: Gerald Modlinger, Christian Rudnik, Renate Greil Hier an der Bannzeile in Dießen wird gerade ein Einfamilie­nhaus gebaut. Doch der Traum vom eigenen frei stehenden Haus lässt sich angesichts der hohen Preise in den Am‰ merseegeme­inden immer seltener erfüllen.
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M. Schlüpmann
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Rainer Jünger

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