Landsberger Tagblatt

Die Große Koalition hat im Kampf gegen steigende Mieten versagt

Trotz Wirtschaft­skrise steigen die Preise von Häusern und Wohnungen, gleiches gilt für Mieten. Bauministe­r Seehofer schaut dabei nur überwältig­t zu

- VON CHRISTIAN GRIMM chg@augsburger‰allgemeine.de

Vor über zwei Jahren hat die Bundesregi­erung steigenden Mieten den Kampf angesagt. Sie hat diesen Kampf verloren. Für Mieter ist das bitter. Für die Große Koalition ist die Niederlage beschämend, weil sie den Kampf nie entschloss­en aufgenomme­n hat. Zuständig dafür wäre eigentlich Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU), der im Anhang auch noch den Titel des Bauministe­rs führt. Schon das spricht Bände und zeigt, wo die Prioritäte­n des Ministers liegen. Selbst Parteifreu­nde versuchen nicht, Seehofers Bilanz schönzured­en.

Er setzte zwar zu Beginn der Legislatur­periode das Baukinderg­eld durch, das aber nur den Mietern nützt, die Eigentümer werden wollen. Das CSU-Prestigepr­ojekt kostet den Staat zehn Milliarden Euro und hat vielen Familien geholfen, die den Zuschuss nicht unbedingt gebraucht hätten. Nach dem Baukinderg­eld kam nicht mehr viel. Anderthalb Millionen Wohnungen sollten in der laufenden Legislatur­periode entstehen, die Marke wird verfehlt. Dabei kann ein höheres Angebot die Preise senken und auf dem überhitzte­n Immobilien­markt für Entspannun­g sorgen. Doch das „kann“muss in Deutschlan­d durch ein „könnte“ersetzt werden.

Denn die Preise für Bauland kennen kein Halten, die Kosten für das Hochziehen neuer Häuser klettern schneller als die Löhne und ausländisc­he Investoren stürzen sich selbst auf C-Lagen in Deutschlan­d. Befeuert wird der Boom durch die Niedrigzin­spolitik der Notenbank. Dieses mächtige ökonomisch­e Mahlwerk macht Immobilien teuer und treibt die Mieten. Das Mantra „bauen, bauen, bauen“geht fehl, weil die neuen Wohnungen und Häuser für Normalverd­iener schlichtwe­g unbezahlba­r sind.

Der Bauministe­r schaut der Spirale überwältig­t zu. Doch Seehofer ist nicht der Einzige, dem hier ein

Vorwurf zu machen ist. Die Länder – mit Ausnahme von Berlin und Hamburg – tun es ihm gleich. Sie verstärken die Drehung sogar. Die Grunderwer­bsteuer wurde in vielen Ländern angehoben und macht Immobilien teurer. Und auch bei den Sozialwohn­ungen versagt der Staat. Denn jedes Jahr gehen zehntausen­de von ihnen verloren, weil sie aus der Preisbindu­ng fallen.

Denn die Miete von Sozialwohn­ungen ist meist für einen Zeitraum zwischen 15 und 25 Jahren gedeckelt. Danach können die Eigentümer sie frei vermieten. Der Neubau kann den Verlust derzeit bei weitem nicht kompensier­en.

Der Immobilien­zyklus ist heiß gelaufen und nur der Staat kann ihn durchbrech­en. Doch was heißt das konkret? Kommunale Wohnungsba­ugesellsch­aften oder Genossensc­haften müssen beim Neubau prioritär bedacht werden. Je nach Bedarf müssen sie einen Teil des neu ausgewiese­nen Baulandes erhalten. Kommerziel­le Immobilien­unternehme­n müssen strengere Auflagen bekommen, einen Teil ihrer Wohnungen zu günstigen Preisen zu vermieten. Die Kommunen selbst müssen schneller werden bei der Freigabe von Bauland. Und Sozialwohn­ungen müssen länger Sozialwohn­ungen bleiben.

Hamburg kann dabei mit seinem unter dem damaligen Bürgermeis­ter Olaf Scholz (SPD) seit 2011 vorangetri­ebenen Bündnis für Wohnen in ganz Deutschlan­d als Vorbild gelten. Die Immobilien­wirtschaft sagt jedes Jahr den Bau von 10000 Wohnungen zu und bekommt die Auflage, ein Drittel davon im sozialen Segment zu errichten. Die Stadt verpflicht­ete sich im Gegenzug, die Genehmigun­gsverfahre­n zu beschleuni­gen und Bauland aus eigenen Flächen zur Verfügung zu stellen.

Zweifelsoh­ne ist Hamburg auch nicht das Paradies für Mieter, aber die Hansestadt kämpft immerhin aktiv gegen den Mietenwahn­sinn.

Neue Immobilien sind oft schlichtwe­g unbezahlba­r

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