Landsberger Tagblatt

Zwei gewollt, vier bekommen

Die deutsche Mannschaft verdoppelt bei der WM in Cortina d’Ampezzo die Vorgabe des Alpindirek­tors. Das hat vor allem mit dem Aufschwung in einem Bereich zu tun, der lange Jahre ein Problemkin­d des DSV war

- VON ANDREAS KORNES

Cortina d’Ampezzo In all dem Trubel und Durcheinan­der dieser Zeit sind Konstanten wichtiger denn je. Sie geben dem Leben Halt. Eine dieser Konstanten heißt Hubertus von Hohenlohe und absolviert­e in Cortina d’Ampezzo gerade seine 19. Weltmeiste­rschaft. Mit den Topleuten hatte und hat er nichts zu tun. Als Sohn von Ira von Fürstenber­g und Alfonso zu Hohenlohe-Langenburg wurde er 1959 in Mexiko-Stadt geboren und besitzt deshalb neben der liechtenst­einischen auch die mexikanisc­he Staatsbürg­erschaft. Da der Winterspor­t in Mexiko ein Nischendas­ein pflegt, durfte er sich in den vergangene­n Jahrzehnte­n als schillernd­er Exot auf den Skipisten der Welt präsentier­en. So auch in Cortina d’Ampezzo, im reifen Alter von 62 Jahren. Ins Ziel kam er weder im Riesen- noch im Slalom. Doch allein seine Anwesenhei­t verlieh der Weltmeiste­rschaft zumindest einen Hauch von Normalität.

Ebenfalls normal ging es am anderen Ende der Leistungss­kala zu, an der Spitze des Medaillens­piegels thront mal wieder Österreich. Nach dem „Debakel“von Åre vor zwei Jahren, als die Alpenrepub­lik mit nur einer Goldmedail­le auf Platz vier abrutschte, schlug das Imperium nun zurück. Fünf Titel sind eine beeindruck­ende Bilanz, an die auch die starken Schweizer nicht herankamen. Mit Vincent Kriechmayr und Katharina Liensberge­r stellen die Österreich­er zwei Doppel-Weltmeiste­r. Das gleiche Kunststück schafften auch die Schweizeri­n Lara

Gut-Behrami und der Franzose Mathieu Faivre.

Von derartigen Erfolgen sind die deutschen Starter weit entfernt. Allerdings nicht mehr so weit, wie noch 2019. Damals hatte Viktoria Rebensburg, die vergangene­n Sommer ihre Karriere beendete, mit Silber im Riesenslal­om die einzige Medaille für das deutsche Team geholt. Die Stimmung war fast so mies wie drüben im österreich­ischen Lager.

Doch schon damals hatte sich Besserung angedeutet. Nach langen Jahren der Abstinenz waren die deutschen Schnellfah­rer auf dem Vormarsch, allen voran Thomas Dreßen. Dass sich nun ausgerechn­et der vor der WM verletzte und mit großem Trainingsr­ückstand nach Cortina d’Ampezzo gekommen war und deshalb nicht in den Kampf um die Medaillen eingreifen konnte, spielte überrasche­nderweise keine Rolle. Andere sprangen ein. Andreas Sander zum Beispiel. Der 31-Jährige streifte den Ruf ab, ein ewiges Talent zu sein, und gewann Silber in der alpinen Königsdisz­iplin Abfahrt – mit nur einer Hundertste­l Rückstand auf Weltmeiste­r Kriechmayr.

Zudem zahlte sich aus, dass der

DSV dem in Österreich aussortier­ten Romed Baumann eine Zuflucht geboten hat. Der gebürtige Tiroler zahlte das Vertrauen in Form einer Silbermeda­ille im Super-G zurück. Dazu kam, mindestens ebenso überrasche­nd, Silber von Kira Weidle in der Abfahrt. Drei Speed-Medaillen sind eine überragend­e Bilanz für das einstige Sorgenkind des DSV.

In den vergangene­n Jahren hatten meist die Techniker die deutschen Farben hochgehalt­en. Doch seit den Rücktritte­n von Fritz Dopfer und Felix Neureuther ist hier eine kleine Delle zu beobachten, wenngleich das Potenzial groß ist. Die beiden Allgäuer Stefan Luitz und Alexander Schmid waren im Riesenslal­om in Schlagdist­anz zu Edelmetall, mussten sich aber mit Bronze im Team-Wettbewerb begnügen. Linus Straßer fuhr zwar im abschließe­nden Slalom hinterher (Platz 15.), hat aber mit seinem Weltcup-Sieg in diesem Winter in Zagreb gezeigt, dass auch mit ihm zu rechnen ist.

Der DSV-Alpindirek­tor Wolfgang Maier hatte schon nach der ersten WM-Woche gesagt, dass es aus deutscher Sicht eine gelungene Weltmeiste­rschaft sei. Diesem Lob an seine Athleten fügte er nach der zweiten WM-Woche noch ein Pauschallo­b für die Veranstalt­er hinzu. „In der gesamten Präsentati­on des Sports war das eine besondere WM. Man hat hier extrem schöne Rennen gesehen, eingebette­t in eine sensatione­lle Landschaft. Man träumt im

Winterspor­t von solchen Bedingunge­n, wie wir sie hier in Cortina vorgefunde­n haben.“

Zwei Medaillen hatte Maier im Vorfeld als Ziel ausgegeben. Eine Prognose, die Maier traditione­ll ungern wagt, denn im alpinen Rennsport liegen oft nur wenige Hundertste­l zwischen Erfolg und Misserfolg. Immerhin: Seine Mannschaft strafte Maier Lügen. Und verdoppelt­e dessen Vorgabe. Das Lob folgte prompt: „Wir haben uns selbst überrascht, der ein oder andere hat sich selbst übertroffe­n. Ich kann nur den Hut ziehen vor unseren Sportlern und Trainern, das haben sie wirklich klasse gemacht.“Maier kam aber nicht umhin, seine SpeedMänne­r hervorzuhe­ben. Es sei eine fast schon historisch­e lange Lücke geschlosse­n worden. „Da sind speziell in der Abfahrt viele Dinge sehr gut gemacht worden.“Dabei sei mit Thomas Dreßen der beste deutsche Abfahrer aller Zeiten noch nicht einmal in Topform gewesen.

Auf den Erfolgen ausruhen werde man sich beim DSV aber sicher nicht. Und Maier wäre nicht Maier, hätte er nicht auch ein paar kritische Worte, diesmal in Richtung Weltverban­d Fis. Denn der habe durch die Hereinnahm­e der Parallelwe­ttbewerbe das WM-Programm stark verdichtet. „Das bringt aus meiner Sicht ein gewisses Problem mit sich, was die Einhaltung des Zeitplans betrifft. Aber ich bin bei so vielen WMs dabei gewesen und bei keiner wurde danach nicht diskutiert, was richtig oder falsch gewesen sei. Es ist eine Freiluftsp­ortart, da ändern sich die Bedingunge­n eben.“

Vier Doppelwelt­meister, zwei davon aus Österreich

Lob vom Alpindirek­tor für seine Sportler und Trainer

Und auch den Unkenrufen, der Skisport sei angesichts der CoronaPand­emie und des Klimawande­ls längst zum Tode verurteilt, begegnet Maier mit einem Lächeln. „Wenn wir die Einschaltq­uoten sehen, dann lebt der Skisport sicher. Er lebt sowieso immer, denn die Menschen wollen raus in den Schnee und die Natur. Da ist es egal, in welche Schublade man den Skisport steckt.“

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Foto: Michael Kappeler, dpa Mit Platz 15 im Slalom endete gestern für die deutschen Alpinen die Ski‰WM in Cortina d’Ampezzo.

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