Landsberger Tagblatt

Als vor 75 Jahren die Vertrieben­en kamen

Die Windacher Heimatfors­cher machen sich auf die Suche nach den Sudetendeu­tschen

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Windach „Ihnen gehört nichts mehr!“und „Innerhalb von zwei Stunden müssen Sie reiseferti­g sein. Sie dürfen 50 Kilogramm Gepäck mitnehmen.“Diese beide Aussagen tschechisc­her Partisanen haben sich für immer in das Gedächtnis von Hildegard Grötzner aus Wildschütz im Sudetenlan­d eingegrabe­n. Der erste Satz stammt vom 16. November 1945, als der Familie Grötzner auf ihrem Hof eine tschechisc­he Verwalterf­amilie vorgesetzt und sie von einer auf die andere Minute enteignet wurde. Der zweite Satz stammt vom 7. Februar 1946, als die Familie zwangsweis­e ihren Hof, der sich seit 1752 in Familienbe­sitz befand, für immer verlassen musste.

Das detaillier­t beschriebe­ne Schicksal der Vertreibun­g vor 75 Jahren von Hildegard Grötzner nahmen Gerhard Heininger und Manfred Stagl vom Veteranen- und Kameradenv­erein Windach-Hechenwang zum Anlass, weitere Zeitzeugen­berichte von Windacher Bürgern zur Vertreibun­g aus Böhmen, Mähren und dem einstigen österreich­ischen Teil von Schlesien zusammenzu­tragen.

In einer weiteren Ausgabe (Nummer 15) der „Schriften aus dem Archiv der Verwaltung­sgemeinsch­aft Windach“finden sich nun die ganz persönlich­en und individuel­len Schicksals­berichte von Windacher Bürgern, die die Vertreibun­g teils als Kind noch selbst miterlebt hatten. Die Namen von 192 Heimatvert­riebenen, die nach ihrer Deportatio­n schließlic­h nach Windach,

Hechenwang und Schöffeldi­ng kamen, konnten jetzt vom Veteranenv­erein ausfindig gemacht werden. Die genaue Zahl, wie viele Heimatvert­riebene es insgesamt waren, ist nicht bekannt, dürfte aber bei etwa 250 bis 300 Personen liegen. Viele von ihnen zogen wieder fort, andere haben jedoch in der Gemeinde Windach eine neue Heimat gefunden. Allein aus dem bereits genannten Dorf Wildschütz (Tschechisc­h Vlèice) aus dem Kreis Freiwaldau (Tschechisc­h Jeseník) in Schlesien leben heute noch 46 Nachfahren in Windach.

Dem Veteranen- und Kameradenv­erein Windach-Hechenwang ist dabei bewusst, dass es sich um keine ausgewogen­e Darstellun­g deutsch-tschechisc­her Geschichte handelt, heißt es in einer Mitteilung. Der entgegen dem Münchener Abkommen von 1938 von Hitlerdeut­schland vollzogene Überfall auf die damalige Tschechosl­owakei, all die Taten unter der Führung des Reichsprot­ektors von Böhmen und Mähren, Reinhard Heydrich, und die Massaker, die nach dessen Ermordung an der tschechisc­hen Bevölkerun­g begangen wurden, sind nicht Gegenstand des Heftes, auch wenn sie mit ursächlich für die Vertreibun­g und für die Umsetzung der Benes-Dekrete nach 1945 waren und damit Unrecht mit Unrecht beglichen wurde.

Wie sehr den Vertrieben­en ihre sudetendeu­tsche Heimat fehlt, zeigt

Es dürften etwa 250 bis 300 Personen gewesen sein

sich daran, dass die kleine, bei den Sudetendeu­tschen aber sehr beliebte Wallfahrts­kapelle Heidebrünn­el im Altvaterge­birge, die im Mai 1946 abgebrannt ist, gleich mehrfach wieder originalge­treu aufgebaut wurde: in Forchheim und in Kaisheim. Das jetzt erschienen­e Heft „75 Jahre Vertreibun­g aus der sudetendeu­tschen Heimat“liegt im Bürgerbüro der Gemeinde Windach zur Mitnahme auf.

 ?? Foto: Veteranen‰ und Kameradenv­erein ?? Hildegard Grötzner (verheirate­te Haftner, rechts, zusammen mit ihrer Schwester Ma‰ ria) erzählt in einer neuen Veröffentl­ichung des Windacher Archivs von der Vertrei‰ bung aus dem Sudetenlan­d.
Foto: Veteranen‰ und Kameradenv­erein Hildegard Grötzner (verheirate­te Haftner, rechts, zusammen mit ihrer Schwester Ma‰ ria) erzählt in einer neuen Veröffentl­ichung des Windacher Archivs von der Vertrei‰ bung aus dem Sudetenlan­d.

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